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Die Köln-Affäre. Rolf D. Sabel
Читать онлайн.Название Die Köln-Affäre
Год выпуска 0
isbn 9783961361410
Автор произведения Rolf D. Sabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Blödsinn“, fauchte Vater Mundorf, „das haben wir alles dieser kleinen Moslemschlampe Samira zu verdanken. Das war kein Umgang für dich! Hab ich dir tausend Mal gesagt.
Jetzt ist sie abgehauen und bringt Schande über ihre ganze Familie.“
Elke Mundorf versuchte, ihren Mann zu beruhigen und legte ihre Hand auf seinen kräftigen, behaarten Arm, aber der Mann war nicht mehr zu bremsen und schüttelte die Hand ab.
„Und glaub nur ja nicht, dass du uns das auch antun kannst. Eher stecke ich dich in die Fürsorge, als dass ich so was zulasse.“
Anne hatte keine Ahnung, was die Fürsorge war, ein Begriff aus dem vorigen Jahrhundert, und schwieg. Sie blickte ihren Vater nur an. Aus ihren Augen sprach bodenlose Verachtung.
Mundorf nahm einen kräftigen Schluck aus der Bierflasche, die vor ihm stand. Es war 15.00 Uhr, genau die richtige Zeit für das dritte Bier. Er rülpste und sein saurer Atem verteilte sich im Raum.
„Wir sollten die Angelegenheit etwas sachlicher angehen“, versuchte Pfarrer Bassler vermittelnd einzugreifen. „Wie kommt es, dass du auf einmal so denkst. Ich habe dich im Konfirmationsunterricht anders kennengelernt, ganz anders.“ „Mag sein“, antwortete Anne und zupfte ihr Kopftuch herunter. Kein Haar war mehr zu sehen.
„Manchmal ist es eben so, dass sich die Augen für das Wahre erst später öffnen. Ja, es stimmt, Samira hat mir dabei geholfen. Aber sie ist keine Schlampe, sondern sie hat ihre Erleuchtung schon erhalten. Und sie hat mir geholfen zu erkennen, dass alles, was ich bisher getan habe, nichtig und ohne Sinn ist, oberflächlich, eitel, sinnlos. Der wahre Grund, weshalb wir hier sind, besteht darin Gott zu dienen.“
„Dagegen ist absolut nichts zu sagen“, meinte Bassler und nippte an seinem Kaffee, der inzwischen so kalt geworden war wie die Atmosphäre im Wohnzimmer, „aber du hattest einmal einen anderen Gott, einen Gott der Liebe und des Verzeihens, dessen Sohn Jesus Christus auf die Welt … “
Er konnte den Satz nicht beenden.
Anne Mundorf war aufgesprungen und deutete mit ihren Fingern auf den Geistlichen.
„Lüge! Alles Lüge! Der wahre Gott heißt Allah und Mohammed ist sein Prophet. Jesus war bestenfalls ein kleiner Prophet und wurde von euch als heiliger Popanz aufgebaut. Und der Lohn der Ungläubigen ist das Höllenfeuer.“
Ihre Augen blitzten und Speichel spritzte aus ihrem Mund. „Woher hast du das“, fragte Bassler tonlos.
„Sure 71“, kam die kühle Antwort, „und Ungläubige wie ihr werden in Scharen zur Hölle getrieben, Sure 72.“
„Anne, du versündigst dich“, hauchte Elke Mundorf und schlug die Hände vor den Mund.
Schlimmer war die Reaktion des Vaters.
Er stand auf, holte aus und schlug der Tochter mit der flachen Hand zweimal ins Gesicht, so heftig, dass Anne taumelte und in den Sessel zurücksank. Ihre Lippen bluteten.
„Steck dir deine gottverdammten Suren in den Arsch“, brüllte er wutentbrannt, „dir werd’ ich es zeigen, du gotteslästerliche Schlampe!“
„So geht das nicht“, rief Bassler empört und sprang auch auf. Er fiel dem Vater in die Hand und vereitelte einen dritten Schlag.
Anne sprang auf und verließ wortlos den Raum.
Die Mutter heulte, der Vater ließ sich in den Sessel sinken und griff schwer atmend nach Bier und Nikotin.
Bassler hatte verstanden, dass jedes weitere Wort sinnlos war. In dieser vergifteten Atmosphäre war ein sachliches Gespräch unmöglich. Er nickte den Eheleuten kurz zu und verließ die ungastliche Stätte.
7. Kapitel
Köln/Deutz
Die Architektur ist die Fortsetzung der Natur in ihrer konstruktiven Tätigkeit. (Karl Friedrich Schinkel)
Es ist zwei Jahre her, dass die Kölner Stadtväter beschlossen, durch eine fünfhundert Meter lange Freitreppe am Rhein der rechtsrheinischen Seite der Stadt eine neue touristische Attraktion zukommen zu lassen, den so genannten Rheinboulevard. Die Stadt hat sich dieses Projekt gut zwanzig Millionen Euro kosten lassen, aber wie die Akzeptanz in der Bevölkerung zeigt, war das eine gute Investition, auch wenn es, zumal in den Abendstunden, dort auch schon mal zu Randale und Ausschreitungen kommt und mehr Polizisten als Touristen aufmarschieren.
Die rechtsrheinische Seite Kölns ist eigentlich die falsche Seite und wird von den Kölnern, jedenfalls denen, die auf der richtigen Seite wohnen, leicht despektierlich Schäl Sick genannt. Der mundartliche Begriff soll aus der Zeit stammen, in der die Schiffskähne rheinaufwärts noch von Pferden gezogen wurden. Die Pferde auf der linken Rheinseite wurden demnach aufgrund der Spiegelungen der Sonne auf dem Fluss geblendet und manche wurden sogar auf einem Auge blind. Als man das erkannte, wurde den Pferden fortan immer auf dem Auge, welches dem Rhein zugewandt war, eine Scheuklappe angelegt. Dadurch waren sie schäl, was im kölschen Dialekt in etwa „schlecht sehen“ bedeutet. Und so hatte die „Schäl Sick“ ihren Ruf weg.
Der frühere Oberbürgermeister Kölns und spätere erste Bundeskanzler der Bundesrepublik soll einmal, als er über die Brücke fuhr und sich dieser Rheinseite näherte, die Gardinen seines Abteils mit dem Kommentar „in Deutz beginnt der Bolschewismus“ zugezogen haben. Aber das ist lange her und vielleicht nicht mehr als eine der zahlreichen Anekdoten, die sich um diesen großen Mann ranken.
Aber zurück zum neuen Rheinboulevard.
Auf den breiten Stufen dieses Boulevards konnte man herrlich sitzen, die Sonne genießen und dem Treiben auf dem mächtigen Strom zusehen. Riesige Lastschiffe, die sich in beiden Richtungen gemächlich begegneten, Jetski-Fahrer, die wagehalsig zwischen den Schiffen rasten, gelegentlich Ruderboote, die auf dem Fluss trainierten. Machte Spaß, das alles zu beobachten.
Und genau das tat der Mann auch.
Das Wetter hatte sich endlich gebessert, die Regenwolken waren nach Osten abgezogen und die Sonne überschüttete die Stadt mit ihren wärmenden Strahlen. Die Menschen waren wieder herausgekommen, saßen auf den breiten Stufen und genossen die Sonne des frühen Nachmittags.
Der Mann auch.
Er war gut, aber unauffällig gekleidet, maß fast 190 Zentimeter und war von schlanker, aber kräftiger Figur. Ein Beobachter hätte kaum vermuten können, dass sein Körper über eine Vielzahl gut trainierter Muskeln verfügte, weshalb er die Kleidung gern etwas größer trug. Heute trug er eine leichte, weiße Sommerhose, ein blaues Polohemd und darüber ein leichtes, hellbraunes Leinensakko. Sein struppiges, mittelblondes Haar zeigte an den Schläfen ein erstes zartes Grau und war in der Stirnmitte schon reichlich ausgedünnt, gleichwohl warfen ihm Frauen interessierte Blicke zu, wenn er auf den Straßen unterwegs war. Daran änderte auch die kleine rötliche Narbe nichts, die sein Kinn prägte und als Andenken an seinen Einsatz in Peru zurückgeblieben war.
Im Auftrag der Agency hatte er dort über Wochen einen sehr gefährlichen Mann beobachtet, den Kopf eines Drogenhändlerrings, der den Markt in den USA mit seinen todbringenden Artikeln überschwemmte und dabei vor allem Kinder und Schüler im Auge hatte. Am Schluss hatte er ihn auftragsgemäß liquidiert und war dabei fast draufgegangen. Bei einem mörderischen Gefecht mit den Leibwächtern des Drogenbosses war er getroffen worden und nur knapp dem Schicksal mancher seiner Kollegen entgangen.
Dieser Mann hieß Peter Wills und war Agent First Grade der CIA.
Dank seiner außergewöhnlichen Sprachkenntnisse, zu denen neben Grundkenntnissen in Arabisch auch Deutsch und Spanisch gehörten, hatte er jetzt Einsätze im Irak, im Sudan, in Deutschland und in Peru hinter sich. Immer war er für den Tod von Menschen verantwortlich gewesen, aber das hatte ihm weder Gewissensbisse verursacht noch seinen Schlaf nachhaltig gestört.