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Einigungskomödie der Mende-Hatzfeldt-Schweitzer einer scharfen Kritik. Wir erklärten: »Wir werden den Kampf aufnehmen und mit aller Kraft und Zuversicht ihn führen, Hand in Hand mit den klarblickenden Mitgliedern des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins.« Wir schlossen:

      »Es wird sich zeigen, ob die Korruption, die Gemeinheit, die Bestechlichkeit auf jener Seite, oder die Ehrlichkeit und die Reinheit der Absichten auf unserer den Sieg davonträgt.

      Unsere Losung sei: Nieder mit der Sektiererei! Nieder mit dem Personenkultus! Nieder mit den Jesuiten, die unser Prinzip in Worten anerkennen, in Handlungen es verraten! Hoch lebe die Sozialdemokratie, hoch die Internationale Arbeiterassoziation!«

      Daß wir in dieser Erklärung und später wiederholt die Ehrlichkeit unserer Absichten gegen die unehrlichen Schweitzers ins Feld führten, brachte nachher der neu gegründeten Partei von der Gegenseite den Spitznamen »Die Ehrlichen« ein.

      Auf meinen Antrag beschloß der Vorortsvorstand einstimmig, sich dem Aufruf von Bracke und Genossen zur Einberufung eines allgemeinen deutschen sozialdemokratischen Arbeiterkongresses anzuschließen und die Vorstände der Arbeitervereine aufzufordern, ein gleiches zu tun. Ein am 28. Juni von mir hinausgesandtes Zirkular verlangte Antwort bis spätestens den 1. Juli mittags, eventuell telegraphisch. Auch schrieb ich an Joh. Phil. Becker in Genf, der Zentralrat der deutschen Sektion der Internationale möge ebenfalls eine zustimmende Erklärung zu dem Einigungswerk einsenden. Ich hoffte, diesesmal gelinge uns ein Hauptschlag. Am 26. Juni hatten auch Geib, Praast und Ockelmann-Hamburg ihren Austritt aus dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein erklärt und sich Bracke und Genossen angeschlossen.

      Der »Sozialdemokrat« beobachtete jetzt die Taktik, ständig zu verkünden, unser Anhang bestehe nicht aus Arbeitern, sondern aus Literaten, Schulmeistern und sonstigen Bourgeois.

      Schweitzer suchte weiter mit dem Geschick, das er besaß, die Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins an der von ihm systematisch gepflegten schwachen Seite zu fassen. In einem Artikel schrieb er mit Bezug auf die Opposition:

      »Ein einziger Punkt entscheidet alles. Seid ihr Demokraten oder nicht? Ihr behauptet: Ja? Wißt ihr oder wißt ihr nicht, daß der Demokrat sich der Mehrheit zu fügen hat – doppelt zu fügen hat, wenn diese Mehrheit an Einstimmigkeit grenzt? Nun denn! Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein-beide bisherigen Vereine – habe nahezu einstimmig mit Ja gestimmt. Unterwerft ihr euch jetzt dem Volkswillen? O nein! In eurer Eitelkeit, ihr 'Demokraten', erklärt ihr das Volk für eine Herde Schafe und eure Meinung für unfehlbar. Geht doch, ihr aufgeblasenen Heuchler, die ihr euch weiser dünkt als das ganze Volk und als Ferdinand Lassalle!

      Weiser als Ferdinand Lassalle, euer riesenhafter Lehrer und Meister – ja ja. Denn der Stein des Anstoßes liegt euch darin, daß die Lassallesche Organisation in ihrem ganzen Umfang wieder hergestellt wurde ...«

      Das Spiel mit der Lassalleschen Organisation ging spaltenlang und fast Nummer um Nummer weiter.

      Auf der anderen Seite brachte das »Demokratische Wochenblatt« Nummer für Nummer Erklärungen gegen Schweitzer aus der Mitte des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins. So aus Gotha, Hamburg, Hildesheim, Erfurt, Hannover, Solingen, Wiesbaden, Elberfeld, Chemnitz (letztere gegen Mende). Auch H. Roller, der bisherige Sekretär des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, erklärte sich ebenfalls gegen Schweitzer.

      Von den Gewerkschaftsführern sagten sich Fritzsche, Präsident des Zigarren- und Tabakarbeitervereins, L. Schumann, Präsident des Allgemeinen Deutschen Schuhmachervereins, Th. Bork, Präsident des Gewerkvereins deutscher Holzarbeiter, und Schob, Präsident des Allgemeinen Deutschen Schneidervereins, von Schweitzer los.

      Unter dem 5. Juli teilte Mende im »Sozialdemokrat« mit, daß Schweitzer mit absoluter Mehrheit zum Präsidenten gewählt sei. Eine starke Minorität sei auf ihn (Mende) gefallen, trotzdem er wiederholt erklärt habe, er nehme eine Wahl nicht an. Zahlen wurden nicht mitgeteilt. Die Beteiligung an der Wahl war weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. In der schwülstigen Ansprache, mit der Mende die Wahl Schweitzers zum Präsidenten verkündete, hieß es:

      »Wie Marat, der größte Revolutionär seiner Zeit, es so treffend bezeichnet: Als Diktator mit der Kugel am Bein soll der Präsident den Verein leiten, und diese Kugel soll sein: Prinzip und Organisation.«

      Bekanntlich erwies sich diese Kugel als Attrappe. Und wiederum zitierte Mende:

      »Haltet treu und fest an der Organisation, sie muß uns zum Siege führen«, und schloß: »Es lebe Ferdinand Lassalle! Es lebe der von ihm gestiftete Allgemeine Deutsche Arbeiterverein! Es lebe die Organisation!«

      Schweitzer dankte für seine Wahl in einer Ansprache, die ebenso schwülstig und emphatisch war wie jene Mendes. Der Schluß lautet:

      »Wohlan denn! Namens des hingegangenen Meisters, der euch alle, ihr Arbeiter, aus dem Schlummer geweckt – namens des souveränen Volkes unserer Partei, das mich zum Führer erkoren – namens eurer leidenden Brüder auf der ganzen Erde, entfalte ich die Fahne und trage sie voran. Festgeschlossen in Reih' und Glied, ihr Arbeiterbataillone, folget dem erwählten Führer.

      Hoch die Manen Lassalles! Hoch die sozialdemokratische Agitation!«

      So die beiden Auguren, beide, wie sich nachher sehr bald herausstellte, betrogene Betrüger. Darauf ordnete unter dem 10. Juli Schweitzer die Wahl der vierundzwanzig Vorstandsmitglieder an, für die er die Kandidatenliste vorschlug. Der Vorstand wurde wieder in früherer Weise, über Deutschland verteilt wohnend, gewählt.

      Im »Sozialdemokrat« vom 14. Juli machte Schweitzer bekannt, der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein werde sich auf dem von uns berufenen sozialdemokratischen Kongreß vertreten lassen und veröffentlichte eine Reihe von Resolutionen, die seine Anhänger auf dem Kongreß zur Annahme vorschlagen sollten. Hinter unserem Kongreß, hieß es in der betreffenden Nummer, stehe die ganze liberale Bourgeoisie in allen ihren Schattierungen. Von straffer, einheitlicher Organisation könne natürlich bei uns unter einem Regiment von Literaten, Schulmeistern, Kaufleuten usw. keine Rede sein. Jeder dieser Leute müsse Gelegenheit haben, sich recht wichtig zu machen. Die gesamte Bourgeoispresse stehe uns zu Gebot, log er weiter. Er werde dafür sorgen, daß eine entsprechende Anzahl Delegierter auf den Eisenacher Kongreß komme, aber keine Literaten und Bourgeois, sondern wirkliche Arbeiter.

      Von den Literaten, Schulmeistern, Kaufleuten usw., aus denen allein unsere Partei bestehen sollte, sprach er von jetzt ab nicht anders als von Achtels- und Viertelsintelligenzen.

      Unter dem 17. Juli forderte das »Demokratische Wochenblatt« Schweitzer auf, nicht nur seine Werkzeuge nach Eisenach zu schicken, sondern selbst zu kommen. Ein Wort bei der Berliner Polizei, und der Urlaub werde ihm bewilligt, falls Herr v. Schweitzer sich überhaupt noch anstandshalber sollte einsperren lassen.

      Das letztere zog Schweitzer vor. Er veröffentlichte, datiert vom 17. Juli, einen langen Aufruf »An die Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins«, worin er noch einmal einen Ueberblick über die vorhandenen Wirren gab und eine Anzahl Versprechungen machte, die er nach seiner Freilassung aus der Haft erfüllen wolle. Er schloß den Aufruf mit den Worten:

      »Behaltet mich in gutem Andenken, wie auch ich inmitten meiner Kerkermauern eurer gern gedenken werde. Ich scheide von euch mit dem Rufe: Auf frohes Wiedersehen bei der alten Fahne! Es lebe der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein!«

      Der Rest der Haft, den er jetzt »hinter Kerkermauern« verbüßen sollte, betrug noch acht Wochen, die er in Rummelsburg mit Kahnfahrten auf dem See und anderen Annehmlichkeiten verbrachte.

      Man vergegenwärtige sich jetzt folgendes. Ende November ging Schweitzer zur Verbüßung einer dreimonatigen Haft ins Gefängnis. Gegen Ende Dezember wird er wegen Ordnung von Familienverhältnissen infolge seines Vaters Tod auf acht Tage beurlaubt; er bleibt aber sieben Wochen frei, betreibt in dieser Zeit unter den Augen der Polizei und der Behörden eine intensive politische Agitation und tritt erst am 18. Februar wieder die Haft an. Am 4. März erweist ihm die Regierung abermals den Dienst, ihn wegen Eröffnung der Reichstagssession aus der Haft zu beurlauben. Die Session wird am 22. Juni geschlossen, aber Schweitzer bleibt wieder frei und betreibt abermals bis zum 19. Juli unter den Augen von Polizei und Behörden

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