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als seine optimierte Franziska, lobt nun Levin aus ganzem Herzen. Eine autonome Schule zu gründen in einer stromlosen Waldhütte, sei etwas ganz anderes, als mit einem Plakat vor dem Bundeshaus zu sitzen, Selfies zu knipsen und dem Rest der Gesellschaft vorzuhalten, er unternehme nichts in Sachen Klimaschutz! Ja, was Back to the Fruits hier anreiße, sei wirklich revolutionär. Außerdem diese großartige Aktion mit den Strohballen und die visionäre Idee eines Fahrrads made in Europe; Levin zeige damit auf, was es heißt, in wirklich allen Details ökologisch zu denken. Da ginge es eben nicht, sich von einem E-Bike anschieben zu lassen. Es sei doch wahr: Die Elektro-Mobilität und dieser unfassbare Wahn, alles, vom Lastwagen bis zur Zahnbürste, mit einer Batterie zu betreiben – das sei einfach Raubbau an der Erde.

      Pascal versteht nicht, ob Bernhard ihn nun auch persönlich angreifen will. Noch rätselhafter ist ihm, wieso Bernhard nicht auffällt, dass da genau sein eigener Lebensstil am Pranger steht. Bernhard wohnt in einem Anwesen, das deutlich fetter ist als die auch nicht gerade kleine Villa, die er mit Rina und Levin bewohnt, er hat zwei übergewichtige Wagen in der Garage stehen, beide von neuestem Jahrgang, beide bestückt mit einer hocheffizienten Rapacitanium-Batterie, und er besitzt ein unendlich viele Liter Diesel verbrennendes Motorboot, das im Bootshaus kaum Platz findet, und dieses Bootshaus – Bernhard hat es einmal stolz erwähnt – lässt sich sogar beheizen, obwohl es nicht isoliert ist!

      Gschwind merkt, Rina hat seine Laune zur Kenntnis genommen; ihre Hand berührt kurz seinen Ellbogen, nicht zum Zeichen liebevoller Verbindung, nein, sie signalisiert ihm nur die Frage, ob er noch etwas Wein möchte.

      Das will er. Vor allem ist er froh, dass es Bernhard offenbar gleichgültig ist, wie er, Gschwind, über das Gebaren der Kinder denkt. Als käme er frisch aus einer gemeinsamen Sitzung, erzählt Bernhard begeistert von den Ideen, die Angelika und Levin noch umsetzen wollen.

      Wenn Pascal richtig hört – und er hört nicht mehr besonders gut – lauten die Schulfächer, die Angelika und Levin in den Lehrplan aufgenommen haben, unter anderem: Zukunft ohne Fortschritt. Oder: Lob ohne Leistung. Und: Sommer mit Dürren und Starkniederschlag. Und: Mobilität ohne Motor.

      Franziska fügt an, Back to the Fruits stelle, falls es wirklich weitergehen könne, die beste Matura-Arbeit dar, von der sie je gehört habe.

      Um mehr Raum einnehmen zu können, hievt sich Bernhard ein paar Zentimeter aus dem Korbsessel und schlägt in einem fast schon feierlich anmutenden Ton vor, gemeinsam einen Brief an die Erziehungsdirektion zu schreiben, um die Sache den Behörden zu erklären. Um zu erreichen, dass die Schüler nicht suspendiert, sondern, im Gegenteil, für ihr selbstinitiiertes Engagement gewürdigt werden.

      Hätte Pascal Wein im Mund, er würde sich jetzt verschlucken.

      Es sei nötig, dem Amt die Ziele und die Vision von Back to the fruits darzulegen. Nur so werde sich die Erziehungsdirektion überzeugen lassen. Danach liege es am Kanton: Der habe die Wahl, sich fortschrittlich zu zeigen – oder aber so zu tun, als habe eine Schule nichts mit ökologischer Verantwortung zu tun.

      Pascal Gschwind bleibt die Spucke weg, er fühlt Übelkeit und Schwindel in sich aufsteigen. Er merkt, lange wird er die Idiotie der Nachbarn nicht mehr ertragen. Eine Idiotie, die durch das sachliche, aufmerksame Zuhören seiner Rina noch unerträglicher wird.

      Rina lehnt sich in ihrem Sessel vor, als wolle sie zeigen, dass nun alle zusammenrücken müssten, und erwähnt, gestern erst gelesen zu haben, dass 73 Prozent der gesamten Umweltbelastung, die der Schweizer Konsum auslöst, nicht in der Schweiz, sondern im Ausland anfallen. Das müsse man sich einmal vor Augen führen: Als würde sie sich einen Porsche kaufen, der 100.000 Franken kostet, von denen sie aber, schlicht weil sie Schweizerin ist, nur 27.000 bezahlen müsse, während die verbleibenden 73.000 namenlose Leute im Ausland übernähmen, die sie nicht kenne und denen sie, weil ihnen das Geld für eine Reise fehle, in der Schweiz auch nie begegnen werde.

      Gerne würde Pascal seine Rina fragen, seit wann sie sich für Autos interessiere, aber da nickt schon ganz angeregt die makellos glatte Franziska und fügt an, sie stelle sich manchmal vor, entlang der Schweizer Grenze, aber eben gleich außerhalb der Schweiz, türmten sich riesige Abfallberge, fänden sich gerodete Wälder und verschmutzte Gewässer, wie ein Schmutzwall, der die schöne Schweiz umgebe. Da frage sie sich, was sie eigentlich für eine Generation darstellten und wie sie derart dumm sein könnten, sich noch immer über das Wirtschaftswachstum zu freuen. Es sei beschämend; ja, auch sie selber, ganz persönlich, fühle sich schuldig und schäme sich.

      Pascal gibt vor, sein Telefon klingeln zu hören und entschuldigt sich.

      Allein in der Küche, stützt er sich neben der leeren Biochipspackung auf den Tisch. Er fühlt sich wie nach einer Folter, seine Ohren brummen, ihm schwindelt. An seiner Armmuskulatur zerrt eine ungesunde Spannung. Vielleicht hat er als Teenager auch ein paar Dummheiten begangen. Aber sicher hat er seine pubertären Ideen nicht ernst genommen und damit seinen Schulabschluss riskiert.

      Am liebsten würde er Rina vorschlagen, morgen in aller Früh in diesen Wald zu fahren und Levin, notfalls mit Gewalt und in seinem unökologischen Tesla, nach Hause zu holen. Und zwar bevor es Bernhard tatsächlich schafft, der Erziehungsdirektion einen unsinnigen Brief zu schreiben.

      Aber er versteht, das bringt wahrscheinlich nichts. Das ist nicht zielführend, wie Rina sagen würde. Und womöglich ist es allein sein Problem, dass er sich danach sehnt, wenigstens in grundsätzlichen wirtschaftstheoretischen Dingen mit Rina gleicher Meinung zu sein.

      Er weiß nicht, ob sein Eindruck richtig ist, wenn er glaubt, seine gesundheitlichen Probleme, der Schwindel und der rauschende, sausende und bisweilen dröhnende, von innen her sein Hörorgan füllende Lärm würde sich häufiger und auch deutlicher zeigen. Oder gibt es in seinem Leben jetzt häufiger Ärger? Was, wenn es sich wirklich um Morbus Menière handelt? Was, wenn die MRI-Untersuchung im Inselspital auch bei den liberalsten aller Interpretationen zu dem Fazit kommt, dass in seinem Schädel ein Tumor wächst?

      Vielleicht wird er die Erziehungsdirektion darum bitten müssen, seinen Sohn notfalls mit Gewalt ans Gymnasium zurückzuholen. Außerdem könnte er jemanden finden, der die Waldhütte kauft und die Jugendlichen vor die Tür setzt. Das könnte er alles tun und noch viel mehr, aber jetzt kann er es nicht, er ist schlicht erledigt. Er klemmt sich die Ledermappe unter den Arm, geht schwankend hoch ins Schlafzimmer, legt sich hin und schaut sich Bilder des Rum Runners an. Die Nachbarn werden ihn entschuldigen; sie wissen, er hat einen anspruchsvollen Job.

      Die Bilder des wuchtigen Motorboots, das bald schon ihm gehören wird, beruhigen ihn. Er sieht sich zusammen mit Rina auf diesem Boot ausfahren, sieht alle anstrengenden Diskussionen hinter sich zurückfallen. Allmählich verringert sich der Schwindel, das Rauschen in seinen Ohren klingt ab.

      Er versucht, an nichts mehr zu denken. Aber wenn er die Termine richtig im Kopf hat, müsste bald jemand von der Baufirma aufkreuzen, um die Renovation und den Umbau des Bootshauses zu besprechen. Denn in der kleinen Bootshütte, wie sie jetzt am Wasser steht, wird der Rum Runner nicht unterzubringen sein.

      Mit geschlossenen Augen putzt sich Gschwind die Zähne; gedanklich umschleicht er das Schweizer Rapacitanium, das seine Karriere bei Valnoya beflügeln wird.

      Endlich legt er sich ins Bett und schaut, letzte Kräfte aufbietend, kurz nach, wie viel er heute mit seinen Fonds verdient hat. Die Papiere der mit Wasserkraft verbandelten Konzerne hat er zum Glück noch rechtzeitig abgestoßen, die hätten seine Bilanz merklich nach unten gezogen; jetzt zeigt sich ihm eine schöne, vierstellige Summe. Eine Summe, die ihn darüber hinwegtröstet, mit Rina nicht immer gleicher Meinung zu sein. Ehe er einschläft, verdoppelt er, ohne Rücksprache mit Bahnsen, die Anzahl seiner Valnoya-Aktien.

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       KAPITEL 9

      Dass er auch ohne Wecker kurz nach fünf erwacht, und zwar unabhängig davon, wann und in welchem Zustand er sich schlafen legt, ist für Rina, falls er sie richtig verstanden hat, nach wie

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