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Sie mir«, sagte sie heiser und wandte sich um, doch die wie versteinert dastehenden Begleiter versperrten ihr den Weg.

      »Euer Exzellenz!«, ächzte der Mann in der gelben Robe. Sein vernarbtes Gesicht war aschfahl. »Ihr könnt doch nicht …«

      »Informiere Seine Eminenz, Oswin«, befahl Dorothea und trat an ihrem Untergebenen vorbei.

      Oswin warf der Akolythin neben sich einen erschrockenen Blick zu, doch sie zuckte nur die Schultern und folgte der Richterin zusammen mit den beiden bewaffneten Wächtern.

      »Also los!«, sagte Sentenza.

      »Nehmen Sie’s nicht persönlich«, raunte Darius Weenderveen dem wie verdutzt dastehenden Oswin zu und klopfte ihm mitleidvoll auf die Schulter.

      Sie folgten der Richterin quer durch den Hangar zum Ausgang. Auch jetzt schaute niemand der Arbeiter und Techniker hoch, als sie sie passierten. Der Ikarus-Crew fiel auf, dass die Leute schlichte graue Roben trugen und allesamt kahl geschoren waren – genau wie Gundolf Johannsson. Sie mussten der untersten Kaste der Erleuchteten angehören, den Suchenden.

      Ihr Weg führte durch einen spärlich beleuchteten Gang. Die Korridore im Unterdeck der Zuflucht waren funktionell aufgebaut, ohne jeglichen Schmuck und Tand. Fast hatte Sentenza das Gefühl, er ginge durch ein altes Kriegsschiff, wie sie vor der Großen Stille gebaut wurden, lange ehe es den ersten Hyperantrieb gab. Unter den Decken führten blanke Rohre und Zuleitungen her. Hier und dort strömte Dampf aus einem Ablassventil. Die Luft roch muffig, als wäre sie schon seit Tagen nicht mehr wiederaufbereitet worden. Die Menschen, die ihnen hier begegneten, wirkten erschöpft und regelrecht schmutzig.

      »Sie scheinen dieses Deck ein wenig zu vernachlässigen«, sprach Thorpa aus, was der Captain dachte. Ohne ihre Schritte zu verlangsamen, drehte sich Dorothea halb um und maß den Pentakka mit einem geringschätzigen Blick.

      »Im Unterdeck der Zuflucht leben die Mannschaften«, belehrte sie, als sage dies alles aus. Nach einigen Schritten fügte sie jedoch hinzu: »Dies ist vornehmlich der Bereich, in dem gearbeitet wird. Hier befinden sich Maschinenraum, Hangar und Frachträume.«

      Thorpa beschleunigte seinen Gang und gesellte sich an Dorotheas Seite, um sie mit Fragen zu löchern. Zwar rollte Sonja mit den Augen und seufzte leise, doch Sentenza war die forsche Art des Pentakka diesmal sehr willkommen. Er mochte die Erleuchteten nicht und war froh, dass jemand anderes ihm die Arbeit abnahm, an Informationen zu gelangen.

      »Wir haben insgesamt drei Ringe gezählt, die sich unter der Biosphärenkuppel befinden«, sagte Thorpa. »Stellt jeder Ring ein Deck dar?«

      Dorothea antwortete nicht sofort. Offenbar überlegte sie, ob sie es wirklich nötig hatte, sich ausfragen zu lassen. Doch dann siegte ihr Wille, andere zu ihrem Glauben an den Erlöser zu bekehren. Wenn sie den Leuten vom Raumcorps den Aufenthalt auf der Zuflucht schmackhaft machte … wer wusste, vielleicht konnten sie schon bald eine Handvoll neuer Suchender in ihre Reihen aufnehmen.

      »Ja. Pro Ring ein Deck. Im mittleren sind die Quartiere der Suchenden untergebracht, zusammen mit ihren Tempelräumen, einer Krankenstation, unserer großen Bibliothek, einer Großmesse und kleineren Speiseräumen.«

      »Und zu einem Suchenden wird man, wenn man in ihren Orden eintritt?«, fragte Thorpa weiter.

      Dorotheas Miene hellte sich auf. Allem Anschein nach handelte es sich bei dem wandelnden Baum um einen potenziellen Gläubigen, so wissbegierig, wie dieser war.

      »Nun, als Orden würde ich uns nicht gerade bezeichnen … aber wenn Sie sich zum Beispiel zu unserem Glauben bekennen, Herr …?«

      »Thorpa«, half der Pentakka aus.

      »… Herr Thorpa, dann erhalten Sie die traditionelle graue Robe der Suchenden und lassen sich Ihr Haupt rasieren …«

      Abrupt blieb Dorothea stehen und starrte Thorpa entgeistert an, als sie ihren Fehler bemerkte. Ihre Wangen röteten sich.

      »Nun ja, die Sache mit der Rasur vergessen wir bei Ihnen vielleicht …«

      Sentenza und DiMersi sahen sich kurz an und schmunzelten. Fast automatisch streckte der Captain die Hand nach Sonja aus und drückte ihre Linke kurz. Als ihm bewusst wurde, dass die Geste in ihrer jetzigen Situation unangemessen war, fuhr er wie elektrisiert zusammen und ließ Sonja los. Er ignorierte das spöttische Lachen hinter sich, das nur von Darius Weenderveen stammen konnte. Natürlich hatte der alte Kybernetik- und Robotikingenieur alles beobachtet.

      Sie bogen in einen Nebenarm des Hauptkorridors und blieben schließlich vor einer Doppeltür stehen. Als sich diese öffnete, war dahinter eine Aufzugkabine zu erkennen. Mit dem Lift überbrückten sie den Weg zum nächsten Deck. Es wurde schlagartig heller, als sie den Aufzug verließen. Die Gänge des Mitteldecks waren sauber, die Wände bestanden aus weißen Kunststoffpaneelen und nirgendwo waren mehr Rohre und Schläuche zu sehen, die wirr von der Decke hingen.

      In regelmäßigen Abständen zierten Hologramme die Wände. Alle zeigten sie das dreidimensionale Abbild eines einzigen Mannes. Sein Gesicht wirkte selbst auf Sentenza irgendwie charismatisch. Eingerahmt wurde es von einem gestutzten, schwarzen Vollbart. Die stahlblauen Augen schienen den Betrachter aus jedem Blickwinkel sanftmütig anzusehen.

      »Ist das …?«, begann Thorpa und streckte einen seiner astähnlichen Arme in Richtung des Hologramms aus, an dem sie gerade vorbeigingen. Blitzschnell schob sich die Akolythin, die Dorothea begleitete, zwischen das Abbild und Thorpa und schien erleichtert zu sein, den Pentakka von einem Sakrileg abgehalten zu haben.

      Auch die Wächter hatten sich sichtlich gespannt. Fast fürchtete Sentenza, es würde zu einem Eklat kommen, doch Dorothea fasste sich rasch und ging einfach weiter. Um Thorpa von einer weiteren Dummheit abzuhalten, antwortete sie auf seine Frage: »Ja, das ist Asiano, unser seliger Erlöser und Begründer unserer Glaubensgemeinschaft.«

      Ihre Stimme hatte einen seltsamen Ton angenommen, als sie von ihrem geistigen Führer sprach. Sie klang nicht wirklich leiser, aber bedächtig, als müsse sie sich erst jedes Wort zurechtlegen, ehe sie es aussprechen durfte. Und eine gehörige Portion Ehrfurcht schwang in ihrer Stimme mit.

      Sie betraten einen weiteren Lift und fuhren mit ihm in das Oberdeck, dem letzten der drei Ringe, ehe das Schiff in die von einer Kuppel bedeckte Biosphäre überging.

      »Dies ist unser oberer Ring«, erläuterte die Richterin. »Hier finden sich die Quartiere unserer Adepten, ihre Tempelanlagen, unsere Astronavigation, einige wissenschaftliche Labors, die Gästequartiere, unsere Großküche und weitere Speisesäle.«

      Sentenza gefiel es überhaupt nicht, wie sie Gästequartiere betonte. Zudem fühlte er sich von Dorothea vorgeführt. Sie waren auf einer verdammten Rettungsmission und nicht auf einer Sightseeingtour.

      »Ich will nicht unhöflich erscheinen«, fuhr der Captain dazwischen, doch der Ton, den er an den Tag legte, strafte seine Worte Lügen. »Aber gibt es keinen schnelleren Weg, um Superior Saladin aufzusuchen?«

      »Seine Eminenz befindet sich zurzeit im Biotop. Um vom Unterdeck dorthin zu gelangen, müssen wir verschiedene Lifts nehmen.«

      »Es gibt nur einen einzigen direkten Aufzug«, mischte sich die Begleiterin Dorotheas ein, die der Ikarus-Crew nicht vorgestellt worden war.

      Die Richterin maß ihre Untergebene mit einem strafenden Blick, als hätte sie gerade ein Geheimnis ausgeplaudert.

      »Warum nehmen wir nicht den?«, drängte nun auch Sonja, die genau wie der Captain spürte, dass ihnen die Zeit unter den Nägeln brannte.

      »Das ist uns nicht erlaubt«, belehrte Dorothea. »Nur der Erlöser darf den direkten Aufzug benutzen.«

      Zur Hölle mit dem Erlöser!, dachte Sentenza und war versucht dies auch laut auszusprechen, doch er hielt sich noch rechtzeitig im Zaum. Beleidigungen würden ihre Situation nur verschlimmern.

      Endlich erreichten sie einen weiteren Lift und fuhren zum nächsten Deck.

      Als die Kabine hielt und sich die Türen

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