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Wandel zu haben wäre die völlig falsche Reaktion. Es eröffnen sich große Möglichkeiten und Chancen: Die Digitalisierung ist heute der Schlüssel für wirtschaftliche Prosperität und kann bei der Lösung der Sustainable Development Goals (SDGs) und der „Grand Challenges“ der Vereinten Nationen mit seinen 17 nachhaltigen Zielen wie Frieden, Ernährungssicherheit und nachhaltige Landwirtschaft, sauberes Wasser und Verbesserung der Hygiene, Umwelt- und Biodiversitätsschutz, Energiewende, Klimawandel, Bildung, Armutsbekämpfung, Gesundheit, Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung oder der alternden Gesellschaft helfen. Auch beim Weg aus der Corona-Krise werden digitale Technologien eine wichtige Rolle spielen.

      In der heutigen Plattformökonomie wachsen die Serviceleistungen, die mit Gütern verbunden sind, viel rascher als deren Produktion. Unternehmen sind gefordert, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und zu erschließen. Die Furcht vor technologiebedingter Massenarbeitslosigkeit ist so alt wie die Wirtschaft selbst. Historisch betrachtet entstanden aber bei wirtschaftlichen Umbrüchen stets viel mehr neue Jobs, als alte verloren gingen. Berufsbilder verändern sich, traditionelle Arbeitsstellen werden wegfallen, im Gegenzug werden neue Jobs entstehen. Dank neuer Technologien werden insbesondere monotone, gefährliche und körperlich schwere und schmutzige Jobs, die sogenannten „drei d: dull, dirty and dangerous“, bzw. leicht erlernbare Routinetätigkeiten wegfallen.

      Die neue Maschinenintelligenz macht auch im „white collar“-Bereich den Menschen Konkurrenz. Gut ausgebildete Kräfte werden dennoch nicht arbeitslos sein. Es braucht Spezialisten, die das digitale Zeitalter meistern. Angesichts des demografischen Wandels wird es in absehbarer Zukunft kein Überangebot an Arbeitskräften, sondern einen Mangel geben, ausgenommen in Afrika und Indien. Mitarbeiter im Pflege- und Bildungsbereich werden in jedem Fall gesucht sein – und zwar auf allen Qualifikationsstufen. Der Fokus wird daher verstärkt in der Aus- und Weiterbildung liegen.

      Die digitale Entwicklung hat auch soziale Konsequenzen. Wie bei jeder Transformation gibt es Modernisierungsgewinner und -verlierer. Menschen, die in der Plattformökonomie engagiert sind, profitieren von der Entwicklung. Parallel dazu entstehen aber auch viele schlecht bezahlte und nicht abgesicherte Jobs wie das digitale Präkariat, auch „Gig-Ökonomie“ genannt. Dies spaltet die Gesellschaft zunehmend, und das müssen wir verhindern und bekämpfen.

      Abstiegs-, Verdrängungs- und Zukunftsängste sind eine Quelle, aus der billiges politisches Kapital geschlagen werden kann. In diesem Klima sind demagogischen und populistischen Akteuren mit ihren illiberalen, antidemokratischen und autoritären Tendenzen Tür und Tor geöffnet. Das äußert sich mancherorts in zunehmender Autokratisierung oder gar gewaltsamen Auseinandersetzungen. Das soziale Gewebe wird immer brüchiger, ohne jegliche zukunftsorientierte Lösung. Der digitale Wandel muss daher sozial abgefedert werden.

      Digitaltechnologien haben auch bestimmenden Einfluss auf die Weltwirtschaft und Geopolitik. Die Innovationsdynamik auf lokaler und auf globaler Ebene wird entscheiden, welche Position ein Land im digitalen Zeitalter wirtschaftlich einnehmen wird. Dabei gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man ist vorne dabei – oder man ist hinten weg. Europa und insbesondere Österreich liegen im Wettlauf weit abgeschlagen hinter den Internet-Giganten zurück. Weder das Konzept der USA mit seinem Digital-Kartell noch jenes von China mit seiner Digital-Diktatur lässt sich auf Europa übertragen. Finden wir nicht bald eine eigenständige Lösung, mit einem starken Fokus auf Forschung, Entwicklung und Innovation, werden die wirtschaftlich-sozialen Standards bald nicht mehr zu halten sein.

      Auch die Demokratie ist im digitalen Zeitalter Gefahren ausgesetzt. Bewusst gestreute Fake News können das Vertrauen der Menschen untergraben und die Gesellschaft destabilisieren. Menschen können durch das Sammeln und Auswerten von Daten in bisher ungeahnter Weise überwacht und manipuliert werden – sei es in Form eines „antidemokratischen Überwachungsstaats“ nach chinesischem Muster oder eines „manipulierenden Überwachungskapitalismus“ durch Konzerne, die sich jeglicher Kontrolle entziehen.

      Internet, Big Data und künstliche Intelligenz als Instrumente

      Die technologischen Treiber der digitalen Transformation konzentrieren sich im Wesentlichen auf vier Punkte: das exponentielle Wachstum von Rechen- und Speicherkapazität in der Elektronik; die Fortschritte in der Sensorik und Bildverarbeitung; die Möglichkeiten der digitalen Vernetzung durch moderne Kommunikationstechnologie; sowie die Entwicklung leistungsfähiger Algorithmen im Bereich maschinelles Lernen, Automatisierung, Optimierung und künstliche Intelligenz. Es gibt bereits Stimmen, die behaupten, ein Teil der Digitalisierung, nämlich die künstliche Intelligenz (KI), sei bedeutsamer, als die Zähmung des Feuers, die Erfindung der Dampfmaschine oder die Einführung der Elektrizität es in der Vergangenheit waren.

      Zwar bildet der Einsatz von KI-Anwendungen derzeit noch nicht die gesamte Breite der Möglichkeiten ab, die uns in den nächsten Jahrzenten ins Haus stehen werden, der Treiber des technischen Fortschritts, die wirtschaftlichen Aussichten, sind fraglos beachtlich. Künstliche Intelligenz hat nach Prognosen des McKinsey Global Institute (MGI) das Potenzial, das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 93 Billionen US-Dollar im Jahr 2020 bis 2030 um durchschnittlich 1,2 Prozentpunkte pro Jahr zu steigern. KI übertrifft somit den jährlichen Wachstumseffekt, den seinerzeit Dampfmaschinen (0,3 Prozentpunkte), Industrieroboter (0,4 Prozentpunkte) und die Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT, 0,6 Prozentpunkte) erzielten. Mit künstlicher Intelligenz ist bis 2030 ein zusätzlicher globaler Wertschöpfungsbeitrag in Höhe von 13 Billionen US-Dollar möglich. Vielleicht nicht ganz vorstellbar, daher etwas anschaulicher beschrieben: Hintereinander gelegt ergäben 13 Billionen Ein-Dollar-Scheine eine Strecke von mehr als zwei Milliarden Kilometer: von der Erde zum Saturn und wieder zurück.

      Künstliche Intelligenz wird heute in abgegrenzten Aufgabenfeldern erfolgreich eingesetzt: im Gesundheits- und Vorsorgebereich, in der Diagnostik, im Finanzwesen beim Aktienhandel, in der Mobilität beim autonomen Fahren, in der Smart City, in der industriellen Produktion im Zuge der Smart Factory sowie in Form neuer Kommunikationsmöglichkeiten, bei Videospielen, in der Werbung durch personalisierte Anzeigen und nicht zuletzt beim Militär oder in tödlichen autonomen Waffen, wie dem „Killerroboter“ u. a.

      Doch bei aller Euphorie darf in der Diskussion nicht vergessen werden, dass es sich bei künstlicher Intelligenz um eine Maschine handelt, die in vielen Bereichen auf die Unterstützung des Menschen angewiesen ist. Das gilt für den Arzt ebenso, den KI bei seinen Diagnosen unterstützt, wie für den Ingenieur, der durch KI zumindest derzeit nicht ersetzt werden kann. Man spricht daher auch oft von „Augmented Intelligence“, also erweiterter Intelligenz, während „Autonomous Intelligence“ ein Stück weiter geht und für Systeme wie das autonome Fahren genutzt wird.

      Die Erwartungen und Meinungen über künstliche Intelligenz sind so vielfältig wie die Menschen, die sie äußern: Mutmaßte der Astrophysiker Stephen Hawking noch, dass „der Erfolg bei der Schaffung einer effektiven KI das größte Ereignis in der Geschichte unserer Zivilisation sein könnte – oder das schlimmste „…“, so vermutet Tesla-Gründer Elon Musk sogar, „dass KI einen dritten Weltkrieg verursachen könnte“, und der israelische Historiker und Bestsellerautor Yuval Noah Harari warnt vor digitalen Diktaturen, wenn die Menschen die Hoheit über ihre Daten der künstlichen Intelligenz überlassen. Microsoft-Gründer Bill Gates gehört ebenfalls zu den Skeptikern, während Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg optimistisch in die Zukunft von KI blickt – so wie der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow, der „in der künstlichen Intelligenz keine Bedrohung erkennt“, obwohl er sich beim Schachspielen dem Computer Deep Blue geschlagen geben musste.

      Eine Spirale des Fortschritts

      Noch können wir selbst entscheiden, ob, wie und wann wir die neue Technologie nutzen. Ob das in Zukunft auch so bleibt, darüber streitet sich die Wissenschaft. Die Vorstellung, dass sich die Menschheitsgeschichte aufgrund des an Fahrt gewinnenden technologischen Fortschritts einer Singularität nähere, will der US-amerikanische Zukunftsforscher und Head of Engineering bei Google Ray Kurzweil mit seinem Gesetz vom steigenden Ertragszuwachs, „law of accelerating returns“, legitimieren. Dieses „je besser die Technologie, umso schneller wird sie noch besser, was im Laufe der Zeit zu einer exponentiellen Verbesserung führt“, könnte auf eine Singularität hinauslaufen, die er in das Jahr 2045 datiert. Jenen Zeitpunkt,

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