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(tya)Häufigkeit in EuropaT (Tara)fruchtbarer Halbmond1000020%V (Velda)iberische Halbinsel1500010%K (Katrine)Norditalien120006%H (Helena)Südwestasien, Kaukasus2700039%X (Xenia)Asien300002%J (Jasmine)Westasien, Kaukasus4500012%U (Ursula)Westasien5500011%

      Box 3.5

      Sieben Töchter Evas

      Sieben Töchter Evas (2001) ist ein populärwissenschaftliches Bestseller-Buch des renommierten englischen Humangenetikers Bryan Sykes (Oxford University). In diesem Buch beschreibt Sykes diverse Aspekte und Forschungsergebnisse der mitochondrialen Genetik. Der Titel des Buches ist abgeleitet von den Ergebnissen der Analysen der mtDNA gegenwärtiger Europäer. Nach diesen Ergebnissen lassen sich die Europäer in sieben Gruppen, sogenannte mitochondriale Haplogruppen, einteilen. Jede Haplogruppe wird durch einen Satz von Mutationen mitochondrialer DNA definiert und lässt sich in der mütterlichen Linie verfolgen bis zu einer urgeschichtlichen Frau, die Sykes als „Urmutter“ bezeichnet. Da die Mutationsrate mitochondrialer DNA relativ gering ist (einmal alle 20000 Jahre), lässt sich dadurch das Alter der jeweiligen „Urmutter“, bzw. das der Haplogruppen, bestimmen.

      Die „Urmütter“ erhielten die Namen Helena, Jasmine, Katrine, Tara, Ursula, Velda und Xenia nach den anfänglichen Kode-Buchstaben der jeweiligen Haplogruppen (Tab. 3.1). Bis auf T(ara) sind alle Haplogruppen alt (55000–12000 Jahre) (siehe unten) und stammen somit von Jägern und Sammlern ab. Nur die Haplogruppe T(ara) ist jünger als 10000 Jahre und stammt von der Bauern-Population aus dem fruchtbaren Halbmond ab. Zu dieser Gruppe gehören 20% der heutigen Europäer (darunter auch Bryan Sykes selbst). Die „Urmütter“ lebten also in unterschiedlichen Regionen und nicht gleichzeitig. Alle diese Frauen teilten sich aber einen gleichen Vorfahren, die „Eva der Mitochondrien“ (Box 3.2).

      Die Annahme von nur sieben mitochondrialen Linien moderner Europäer ist wahrscheinlich unterschätzt (andere Autoren schätzen diese Zahl auf elf oder zwölf). Die Anzahl der mitochondrialen Haplotypen für die gesamte Weltbevölkerung ist wesentlich größer.

      Einen wichtigen Fortschritt brachte das Entschlüsseln des Genoms des Hirten Ötzi, dessen ca. 5300 Jahre alte mumifizierte Leiche im Jahre 1991 in den Alpen an der österreichisch-italienischen Grenze gefunden wurde. Zusammen mit weiteren alten paläo- und neolithischen Genomen zeigt sie ein neues Bild der europäischen Prähistorie: die europäische Population stammt von drei Quellen – (west)europäischen Jägern und Sammlern, sibirischen „Nordasiaten“ (zu denen auch die paläolithische Mal‘ta-Population von der Balkai-Region gehörte und die den Vorfahren ursprünglicher Amerikaner nahe steht) und den europäischen Landwirten nahöstlicher Herkunft. Das, was an den neuen Entdeckungen wahrscheinlich am bedeutendsten ist, ist ein deutlicher Anteil der Gene rätselhafter „basaler Eurasiaten“ im Genom europäischer Landwirte. Es handelt sich wahrscheinlich um die Spuren einer Population, die älter als die Trennung der europäischen und ostasiatischen Populationen war (erinnern wir uns an die alten Bewohner von Levante oder auf die Werkzeuge afrikanischer Herkunft auf der Arabischen Halbinsel). Die heutigen Nordeuropäer ähneln eher den alten europäischen Jägern und Sammlern, während die heutigen Südeuropäer den alten Agrarpopulationen nahe stehen, insbesondere den Bewohnern der Tyrrhenischen Region (Ötzi insbesondere mit den Sardiniern) (Abb. 3.13). Der mitochondriale Haplotyp U („Ulrike“, heute deutlich in Nordeuropa, hauptsächlich bei den Samen vertreten) kam fast ausschließlich bei frühen Jägern und Sammlern vor, dafür nur ausnahmsweise bei frühen Bauern.

      Abb. 3.13: Modell der Geschichte der westeuropäischen Population. Rezente Populationen sind dargestellt in lila, archaische Populationen in rosa und rekonstruierte anzestrale Populationen grün. Durchgezogene Linien stellen Herkunft ohne Vermischung dar, gestrichelte Linien Beimischungsereignisse (nach Lazaridis et al. 2013).

      Man kann also zusammenfassen, dass die heutigen Europäer nicht die umgeschulten Paläolithiker sind (wie die Untersuchungen der mtDNA zeigten), sondern Nachkommen von Menschen mehrerer Besiedlungswellen, die 40000 Jahre getrennt voneinander stattfanden (Box 3.6).

      Box 3.6

      Alte DNA und Phylogeografie

      Aus den Ergebnissen der Erforschung alter DNA folgt ein schwerwiegendes, obwohl theoretisch vorhersehbares Ergebnis: Die auf der DNA heutiger Populationen basierende Molekularphylogeografie gibt ein falsches Bild der Geschichte, denn die heutigen Populationen sind nicht die Nachkommen von Populationen, die am gleichen Ort vor Tausenden Jahren lebten. Schon von dem Wenigen, was wir heute wissen, können wir zusammenfassen (ein bisschen vereinfacht und effektiv gesagt), dass wir die Menschen, die am besten das genetische Erbe der zentraleuropäischen neolithischen Landwirte bewahren, in Sardinien finden. Die nächsten Nachkommen westeuropäischer Jäger und Sammler leben an der Ostsee, die nächsten Verwandten der Altsteinzeit-Sibirier vom Baikalsee finden wir in Amerika, die genetischen Spuren der noch älteren Sibirier von Altai finden wir in Australien und auf Neu-Guinea und die Spuren der ganz ältesten außerafrikanischen Menschen sind im Genom heutiger Europäer vertreten. Man kann annehmen, dass die Entschlüsselung noch zu findender alter DNA unsere Ansichten über die Geschichte der Menschheit auch in anderen Gebieten ändern wird – falls sie jemals gefunden wird.

      Ostasien ist eine entscheidende Region für die weitere Entwicklung der Menschheit – es ist das Gebiet der althergebrachten Entstehung der Landwirtschaft, Metallurgie und des Staates. Aus dem Gesichtspunkt der phylogeografischen Geschichte der Menschheit sind die langfristigen Konfliktbeziehungen zwischen China und Zentralasien (Mongolen, Mandschuren) von Bedeutung, die tief in die historische Zeit (berühmte Dynastie Quing 1644–1911 war vom Ursprung her mandschurisch, nicht chinesisch) überdauerten. Zentralasiatische Wüsten wirken wie eine Pumpe, die nomadenhafte Hirtenethnien, abhängig von den klimatischen Oszillationen, „einsaugt“ oder „ausbläst“ (und dies nicht nur nach China, sondern auch westwärts nach Europa). Auf der anderen Seite schreitet das allmähliche Verdrängen der austrischen Ethnien weiter südwärts nach Südostasien und in die indonesisch-philippinische Inselregion vor.

      In Indonesien können wir mehrere Populationsschichten finden – eine alte, mit der ursprünglichen Migration der modernen Menschen aus Afrika nach Australien verbundene (30–15 tya) und letztendlich auch eine relativ junge, mit der Verbreitung der austronesischen Sprachfamilie verbundene Migration aus Südostchina. 3,3–3,5 tya haben die Austronesier von Taiwan aus sehr schnell die Philippinen, Indonesien und das „nahe Ozeanien“ (Neuguinea und Melanesien) besiedelt. Auch Madagaskar, das letzte große Stück unbewohntes Land wurde von Menschen aus Borneo in den letzten Jahrhunderten vor Christus besiedelt (die Immigration der Bantu aus Afrika folgte erst vor ca. 1000 Jahren) und kurze Zeit darauf auch das ganze „Fernozeanien“ (Mikronesien, Polynesien) (vergleiche Box 5.6). Diese weitreichende Expansion wird gut durch die Kongruenz der sprachlichen und (teilweise) auch archäologischen Daten (Lapita-Kultur) belegt. Die Hypothese des „schnellen Zuges“ („express train model“) hat jedoch keine eindeutige genetische Unterstützung. Die schnelle Verbreitung der Kultur (austronesische Sprachen, Lapita-Technologie, teilweise auch Landwirtschaft) war hier wahrscheinlich nicht mit der vergleichbar massiven und schnellen Migration der Menschen verbunden. Die Bevölkerung Ozeaniens stammt auch von viel älteren Populationen des Korridors ab, die Indochina, Indonesien und „Nahozeanien“ miteinander verbinden.

      Der amerikanische Kontinent wurde als letzter besiedelt, vermutlich aus Nordostasien (Abb. 3.9); alternative Hypothesen sind zumindest unwahrscheinlich. Unlängst hat die sogenannte „Solutréen-Hypothese“ ansehnliche Popularität gewonnen. Sie nimmt an, dass die europäische, 17–21 Tausend Jahre alte Kultur die nordamerikanische Clovis-Kultur durch eine Kolonisierung über den Atlantik entlang des weit in den Süden reichenden Polargletschers während des letzten Glazials beeinflusst hat.

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