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Ganzes außerordentlich einheitlich. Dies alles stimmt. Die Unterschiede zwischen den evolutionären Einheiten sind sehr gering, aber sie sind konsistent und ausreichend dazu, uns ein Fenster in die ferne Geschichte unserer Spezies zu öffnen. Natürlich ist der soziale Missbrauch des Rassenbegriffs abzulehnen, aber zu behaupten, dass Rassen ein im Zusammenhang mit dem Kolonialismus entstandenes „Sozialkonstrukt“ sind und dass sie gar keinen biologischen Inhalt haben, ist ein schneller Weg, interessante Informationen über die Evolution und Geschichte der Menschheit unter den Teppich zu kehren.

      Auf den ersten Blick scheint die Einteilung der menschlichen Population in mehrere anthropologisch unterschiedliche und geografisch konsistente Gruppen sehr auffällig zu sein. Außer der traditionellen Morphologie haben auch die Biochemie und Immunologie (z.B. Verteilung der Blutgruppen) zur Erkenntnis der menschlichen phylogeografischen Diversität beigetragen und allmählich kam die grundlegende west-östliche Differenzierung der Menschheit zum Vorschein, die die alte Vorstellung einer einheitlichen „äquatorialen“ Rasse von Afrika bis nach Australien widerlegt hat. Das Ergebnis war ein Konzept von vier Großrassen aus einem gemeinsamen Vorfahren: Negr(o)ide, Europ(o)ide (Kaukasoide), Mongol(o)ide und Austral(o)ide. Später wurde zudem eine auffällige Heterogenität innerhalb der afrikanischen Populationen (Capoide und Congoide „Rasse“) erkannt.

      Wie wir weiter unten lesen werden, kommen wir heute anhand des Studiums des menschlichen Genoms zu praktisch den gleichen Ergebnissen, auch wenn die geringe Größe (und dies muss betont werden!) der Unterschiede die Nutzung des Begriffs „Rasse“ (im Sinne der Rassenideologie) nicht berechtigt. Es ist eigentlich überraschend, wie identisch die Ergebnisse des Studiums von unterschiedlichen Genomteilen sind, unabhängig davon auf welche Art und Weise sie vererbt werden. MtDNA, Geschlechtschromosome, Autosome: Alle weisen auf die Existenz von einigen wenigen Evolutionslinien der gegenwärtigen Menschheit hin.

      Damit widerlegen die genetischen Untersuchungen die zwei hauptsächlichen Einwände der Morphologen gegen die Anerkennung der menschlichen Rassen (gemeint sind die wissenschaftlichen Einwände – der Widerwille zur Ideologie und Politik des Rassismus ist eine andere Sache). Nach dem einen Einwand ist die Abgrenzung einzelner „Rassen“ rein subjektiv und beruht nur auf den ausgewählten, „traditionellen“ Merkmalen (Hautfarbe, Schädelform, Haartyp), aber würden wir andere Merkmale wählen, würde die Rassendifferenzierung anders ausfallen. Das, was wir bei unseren Nächsten meist bemerken, sind üblicherweise lokale Anpassungen (dunkle Pigmentierung in den Tropen, Epikanthus, d.h. sichelförmige Hautfalte am inneren Randwinkel des Auges in Wüsten, Kleinwuchs in den Regenwäldern), ohne nennenswerte evolutionäre Bedeutung. Das zweite Argument ist ähnlich, obwohl eigentlich gegensätzlich: Die Rassenzugehörigkeit eines Individuums können wir nur identifizieren, wenn wir sie gänzlich untersuchen, nicht aus den einzelnen Merkmalen. Diese Argumente sind allerdings, zumindest auf der genetischen Ebene, nicht stimmig. Es sei auch betont, dass wir eine Kovarianz zwischen der geografischen Verbreitung, dem Genotyp und Phänotyp auf allen Ebenen finden: von Familien zu Ethnien, von Regionen zu Kontinenten.

      Eine Vermischung zwischen den Populationen gibt es natürlich – und zwar sowohl eine alte (Äthiopien, Südindien, Südostasien), wie auch eine relativ rezente (Folge von kolonialen Migrationen in Amerika oder Südafrika, aber auch der russischen Expansion nach Sibirien und Zentralasien) – aber sie stört die langfristige Identität der Evolutionslinien nicht wesentlich; die menschliche Diversität geht nicht verloren, „löst sich nicht auf“. Den Mechanismus der alten Vermischung illustrieren wahrscheinlich seine gegenwärtigen Analogien gut. Auch wenn wir an die Existenz der „Schmelztiegel“ in den USA oder Brasilien glauben, zeigen nähere Analysen, dass die dortigen Situationen von einer zufälligen Kreuzung weit entfernt sind. Zwischenrassische Ehen sind selten (USA 4%, Großbritannien 2%) und sowohl die Mexikaner in Mexiko und Kalifornien wie auch die Puerto Ricaner in Puerto Rico und New York zeigen positive assortative Paarungspräferenzen nach der jeweiligen genetischen Herkunft – und dies, obwohl es keine Indizien für biologische Benachteiligung der Mischlinge zwischen wie auch immer entfernten Populationen des modernen Menschen gibt.

      Das evolutionäre Denken allgemein lehnt die Vorstellung einer linearen Leiter ab, die zu Säugetieren, Primaten, Menschen, Weißen zielen würde. Je zwei gegenwärtige Arten (z.B. Mensch und Schimpanse) sind von ihren gemeinsamen Vorfahren gleich entfernt, und man kann erwarten, dass sie auch eine ähnliche Menge von evolutionären Neuheiten ausweisen würden (was sich im Falle von Menschen und Schimpansen auch bestätigt hat). Dasselbe gilt auch innerhalb einer Art: Ohne Rücksicht wie entfernt oder nah sich ein Pygmäe und ein Europäer stehen, die Pygmäen sind bestimmt keine „primitiven“ Vorfahren von Europäern (Chinesen, Bantu…), sondern eine unikate menschliche Gruppe, die darüber hinaus an eine Umwelt angepasst ist, in der wir anderen kaum überleben würden.

      Die klassische Quelle für Informationen über die Geschichte der menschlichen Populationen war die Morphologie (des Skeletts, Pigmentierung usw.) und später die Biochemie und Immunologie (z.B. Blutgruppen). In jüngster Zeit spielt die Molekulargenetik eine immer größer werdende Rolle. Vom heutigen Standpunkt aus gesehen ist es eigentlich eher bemerkenswert, dass man mit den gegenwärtigen, unvergleichbar ausgeklügelteren Methoden, die eine unvergleichbar größere Menge an Daten zu verarbeiten in der Lage sind, zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommt.

      Am Beginn der Molekulargenetik stand vor allem das Studium der mitochondrialen DNA (mtDNA) und das des nicht rekombinierbaren Teils des Y-Chromosoms. In beiden Fällen geht es um DNA-Segmente, die eine einfache Stammbaumevolution ohne Rekombinationen ausweisen, was die evolutionäre Interpretation der Ergebnisse einerseits vereinfacht. Auf der anderen Seite handelt es sich bei diesen Stammbäumen um Studien von Abschnitten mit unorthodoxer, sex-determinierter Erblichkeit, sodass ihre Evolution eigentlich nichts Wesentliches über die Phylogenese ganzer Populationen aussagen muss. Erst später hat man angefangen auch andere Chromosomen zu untersuchen und gegenwärtig auch Hunderttausende von Punktmutationen („single nucleotide polymorphisms“, SNP) von ganzen Genomen. Mitochondriale, Y-Chromosom- und autosomale Gene verbreiten sich unterschiedlich, sodass sie kein einheitliches („richtiges“) Bild über die Evolution der Menschheit geben; dafür informieren sie uns aber über die sexuell spezifische Demografie (Endogamie, dispersives Geschlecht) (vergleiche Box 6.7, Abb. 3.1).

      Abb. 3.1: Schematische Darstellung der Veränderungen in Haplotypen (mit unterschiedlichen Farben dargestellt) von mtDNA und Y-Chromosom in zwei hypothetischen Gebieten (A und B) nach einer erfolgreichen Kriegsinvasion. Die Männer im Gebiet B wurden zum großen Teil getötet oder als Sklaven nach A verschleppt; die Frauen wurden vergewaltigt bzw. als Sklavinnen oder Bräute nach A verschleppt. Die mtDNA hat sich im überfallenen Gebiet B nicht verändert, Y-Chromosom-Haplotypen wurden zum Teil ersetzt. Im Gebiet der Sieger (A) erscheinen nun allerdings auch neue Haplotypen.

      Beispielsweise ist die Bevölkerung der Mittelmeerinsel Ibiza vom Gesichtspunkt der mtDNA aus ein altes Isolat des karthaginisch-phönizischen Altertums, vom Gesichtspunkt des Y-Chromosoms aus weisen Mutationen auf rezente Beziehungen zu Europa und Afrika hin. Es handelt sich um eine offensichtliche Folge des durch männliche Händler vermittelten Genflusses. Die phylogeografische Analyse wird noch durch ein komplexes Spiel zwischen den Genen und der Kultur verkompliziert. Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Europa, im Nahen Osten und in Afrika zeigt, dass die Mehrheit der jüdischen Populationen (Sephardim, Aschkenasim) klare Spuren einer nahöstlichen Herkunft tragen, was den Geschichtskenntnissen entspricht. Darüber hinaus kann man bei ost- und mitteleuropäischen Juden (Aschkenasim) auch noch die Molekularspur der kaukasischen Herkunft finden, wodurch die kontroverse „Chasaren-Hypothese“ (die – zumindest teilweise – Herkunft der Aschkenasim von judeisierten Chasaren) wiederbelebt wird. (Das Chasaren Khaganat war im 7. bis 10. Jahrhundert ein mächtiger und einflussreicher Turkstaat zwischen dem Roten und Kaspischen Meer und nördlich davon.) Wohingegen die äthiopischen oder jemenitischen Juden sich von den benachbarten nichtjüdischen Populationen genetisch nicht signifikant unterscheiden.

      Für die Datierung evolutionärer Ereignisse (z.B. Bestimmung des Zeitpunkts der Aufspaltung zweier Arten) benutzt man die „molekulare

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