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sondern objektive und universell geltende Gesetze, dann muss die wissenschaftliche Sprache die Möglichkeit einer solchen Darstellbarkeit der Welt in sich selbst enthalten. Dieses Problem wurde rasch das Zentrum der Frage nach dem Geltungsstatus der Wissenschaft. Die Wendung der Philosophie zur Sprache (‚linguistische Wendung‘) bot zur gleichen Zeit die Grundlage für eine solche philosophische Auffassung der Wissenschaft, und die folgende Wendung zum sozialen Zusammenhang unseres Denkens, Wissens und Handelns (‚pragmatische Wendung‘) verstärkte diese Richtung des Denkens weiter. Umgekehrt war es gerade die Untersuchung der Fähigkeit einer wissenschaftlichen Sprache, die szientifischen Ansprüche auf Darstellbarkeit der Welt in der Sprache zu erfüllen, die wesentlich zu jener Wendung zur Sprache und nachfolgend zur Wendung zur Pragmatik der Sprachverwendung beigetragen haben.

      Wir untersuchen dieses Problem von Sprache und Welt im Folgenden anhand der leitenden Fragestellung, wie Wörter und Sätze einer Sprache ihre Bedeutung erhalten (4. Kapitel). Das hat den Vorteil, dass auf diese Weise die Beziehung der wissenschaftlichen Sprache zur Welt dort deutlich wird, wo wir beanspruchen, die Welt zur Sprache zu bringen. Auf der Ebene von Wörtern oder auch Sätzen als sprachlicher Ereignisse, die wie andere Gegenstände auch in der Welt vorkommen, sei es in der Gestalt von Tinte oder Druckerschwärze auf Papier oder elektrochemischer Vorgänge auf einem Bildschirm oder akustischer Ereignisse in der gesprochenen Sprache, können wir offenbar noch nicht nach einer solchen Beziehung fragen. Erst wenn wir solche Gegenstände als Zeichen auffassen, gewinnen wir eine sprachliche Beziehung zur Welt und zu uns selbst. Damit ist aber auch schon das Problem der Bedeutung gegeben, weil die Zeichen uns nicht von sich her sagen, wofür sie Zeichen sind. Wir müssen sie deshalb erklärt bekommen.

      Das kann etwa dadurch geschehen, dass wir für die Erscheinung eines bestimmten Tieres das akustische Ereignis ‚Hase‘ zu verwenden lernen. Wir werden sehen, dass ein Verständnis von Bedeutung nach diesem Muster viel zu kurz greift, um die Beziehung der Sprache zur Welt aufklären zu können. Das zeigt sich bei Wörtern für ‚intangible‘ Gegenstände wie Liebe, Hass, Wohlwollen, Furcht, es zeigt sich aber auch bei Wörtern wie ‚Universität‘, ‚Staat‘, ‚Wirtschaft‘ oder ‚Attraktivität‘. Hier müssen wir erklären, was sie bedeuten, d. h. andere Wörter an ihre Stelle setzen. Damit wird aber angenommen, dass wir verschiedene Wörter austauschbar gebrauchen können. Das ist ebenfalls die Annahme bei einer Übersetzung zwischen verschiedenen Sprachen. Die Zeichen ‚Hase‘ und ‚hare‘ können wir ebenso identisch gebrauchen wie ‚Hass‘ und ‚hatred‘. Was ist dieses Identische? Nun, so pflegen wir zu sagen: ihre Bedeutung. Wie wir die Bedeutung aber näher verstehen können, und wie wir damit das Verhältnis von Sprache und Welt näher aufklären können, das stellt eines der Probleme dar, das die Philosophie seit Mitte des 20. Jahrhunderts in Atem hält.

      Wenn es mithilfe der Frage nach der Bedeutung gelungen ist, die Problematik der Frage nach dem zu verstehen, wovon die wissenschaftliche Sprache handelt, dann können wir besser informiert auf die Frage zurückkommen, die sich in dieser einleitenden Reflexion auf den Begriff der Wissenschaft schon sehr deutlich meldete. Wie geht die Wissenschaftsphilosophie auf ihrem gegenwärtigen Stand mit der Frage nach dem Realismus in Bezug auf wissenschaftliche Aussagen und Theorien um? Dieser Stand ist offenbar fundamental durch die Reflexion auf Bedeutung in der Sprache geprägt. Wir werden sehen, wie sich aus dieser Perspektive das sog. ‚Realismus-Problem‘ in Bezug auf die empirische Wissenschaft darstellt (5. Kapitel).

      Es sollte bereits jetzt deutlich sein, dass die Philosophie der Wissenschaft kein Konkurrenzunternehmen zur Wissenschaft darstellt. Sie will also auf keine Weise ein ‚besseres‘ Wissen von der Welt entwickeln oder auch nur beschreiben, wie ein solches besseres Wissen auszusehen hätte. In der Regel geht sie davon aus, dass die Wissenschaften uns das gegenwärtig ‚beste‘ Wissen über die Welt zur Verfügung stellen. Aber sie belässt es nicht dabei, sondern stellt die Frage, was ein solcher Superlativ denn bedeuten solle, m. a. W.: nach welchen Kriterien sagen wir, es handle sich bei der Wissenschaft um das ‚beste‘ verfügbare Wissen? Wenn wir darauf antworten, es sei deshalb das ‚beste‘ Wissen, weil wir damit am erfolgreichsten in der Welt solche Zwecke erreichen können, die uns Vorteile bringen, so stellt die Philosophie der Wissenschaft eine andere Frage: was bedeutet dabei ‚erfolgreich‘ und sogar ‚erfolgreicher‘ als andere Ansprüche auf Wissen wie etwa aus älteren Wissensformen wie Erkenntnis aus reiner Vernunft, Interpretation heiliger Schriften oder auch aus Wissensansprüchen, die auch heute noch im Rahmen von Esoterik und sog. ‚alternativen‘ Erkenntnissen etwa in der Medizin auftreten? Und dann stellt sich die weitere Frage, in welchem Zusammenhang dieses Kriterium des Erfolgs mit dem Bezug der Wissenschaft zur Realität – also zur Wirklichkeit unserer Erfahrung – steht, man könnte auch sagen: mit dem Wahrheitsanspruch der Wissenschaft.

      Die Philosophie der Wissenschaft will auch nicht den Wissenschaftlern vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben und wie sie ‚gute‘ von ‚schlechter‘ Wissenschaft unterscheiden können. In der Regel sind Wissenschaftler relativ intelligente Menschen und können solche Fragen unter sich regeln. Mit dem Entwerfen von Vorschriften für ‚richtiges‘ Arbeiten in den Wissenschaften geben sich wohl noch einige Wissenschaftstheoretiker im engeren Sinne ab, während die Philosophie der Wissenschaft davon Abstand hält. Sie beschäftigt sich stattdessen mit ‚Wissenschafts-reflexion‘, d. h. sie verlässt die Haltung der Wissenschaft, die in Richtung der Dinge und Ereignisse in der Welt abzielt, und wendet sich zurück auf eben das Tun der Wissenschaft selbst. Dazu gehört zunächst die Rekonstruktion dessen, was Wissenschaftler tun, und an dieser Stelle wird noch sehr wenig bis überhaupt keine Philosophie eingesetzt, anders gesagt: eine empirische Beschreibung von Wissenschaft ist zwar eine wichtige Grundlage für die Philosophie der Wissenschaft, aber sie ist selbst noch keine Philosophie.

      Ein sehr allgemeines Verständnis für dieses Kriterium könnte so beschrieben werden. In der Wissenschaft ebenso wie in Systemen von Glaubensüberzeugungen geht es um Beschreibungen und Erklärungen für die Welt der Tatsachen bzw. der Dinge – was sie sind, wie sie sind, warum sie so sind, und auf welche Weise wir sie am besten nach unseren Wünschen beeinflussen können. In der Philosophie dagegen wird ‚zurück-beugend‘ – ‚reflektiert‘ wörtlich übersetzt – gedacht, d. h. das hier gesuchte Wissen bezieht sich auf eben die Beschreibungen und Erklärungen für die Welt der Tatsachen und Dinge, über die wir in der Wissenschaft ebenso wie in Systemen von Glaubensüberzeugungen und im alltäglich-lebensweltlichen Wissen Auskunft gewinnen wollen. Das philosophische Wissen bezieht sich also auf die begrifflichen und gedanklichen Mittel, mit denen wir nach einem ‚direkten‘ Wissen von der Welt streben. Man könnte die Unterscheidung deshalb auch mithilfe der Ausdrücke ‚intentio recta‘ und ‚intentio obliqua‘ beschreiben. Die erstere Intention richtet sich direkt auf die Dinge und Tatsachen, die letztere dagegen auf die Gedanken und Begriffe, mit denen wir uns in der intentio recta auf die Welt beziehen.

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