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die Kennedy–Verschwörung«, antwortete sie abwesend. Er konnte nicht anders: Seine innere Antenne richtete sich auf. Aber als er sie von der Seite ansah, erschien sie ihm nicht sonderlich aufgeregt. Nicht wie sonst, wenn sie misstrauisch wirkte oder sich seltsam benahm. Soweit er wusste, nahm sie jeden Tag pünktlich ihre Medikamente.

      Zugegenermaßen zählte er manchmal die Tabletten, um sich zu vergewissern. Tja, wer von ihnen war nun misstrauisch?

      Vielleicht hätte er Psychologie studieren sollen, wenn er überlegte, wie viel er inzwischen über die Krankheit seiner Mom und den sozialen Dienst gelernt hatte. Obwohl es ein Jahr her war, dass er am Theater aufgehört hatte, fuhr er dennoch manchmal in die Stadt, nur um die bunten, strahlenden Lichter zu sehen. Und wenn er etwas Geld übrig hatte, stellte er sich am Ticketschalter an, um ein paar vergünstigte Karten für eine neuere Produktion zu ergattern.

      Das half für eine kleine Weile gegen die Sehnsucht und abgesehen davon war es nicht so übel, im Home and Hearth zu arbeiten. Alle waren freundlich zu ihm und im Verkauf zu arbeiten, hatte auch ein wenig mit Schauspielerei zu tun – genauso wie in manchen Bereichen die Arbeit als Escort. Er wusste, wie er seine Karten richtig ausspielte, ohne zu dick aufzutragen. Für einen seiner Kollegen, der vermutlich der Topverkäufer des Ladens war, hatte er allerdings nicht viel übrig. Er war ziemlich nervig, wenn er ehrlich war.

      Die Kunden schienen sich von Noah angezogen zu fühlen, und wenn Will raten sollte, hatte das mit seinem überzogen sonnigen Gemüt zu tun. Der Typ war wie ein Charakter aus Pleasantville, wenn es dort Schwule gegeben hätte. Immer perfekt gekleidet in Stoffhose und Hemd. Das Einzige, was nicht ins Bild zu passen schien, war sein kinnlanger, stets etwas unordentlicher Haarschnitt. Will würde für eine kupferbraune Mähne wie diese töten, weil sie das Licht so schön einfing. Aber das war auch schon das einzige Interessante an ihm.

      Der ansonsten ziemlich mittelmäßig aussehende Noah verströmte sein Charisma erst, sobald die Kunden durch die Tür traten. Vermutlich hätte er einer Schlange Gift verkaufen können. Einfach unglaublich. An den meisten Tagen, an denen sie zusammen arbeiteten, schaffte Will es kaum, nicht die Augen zu verdrehen. Er fragte sich, ob Noah es je gut sein ließ und sich einfach entspannte, verdammt noch mal.

      Noahs Zuhause stellte er sich vor, als wäre es einem Pottery Barn–Katalog entsprungen. Gleichzeitig fragte er sich, was Noah wohl von der Wohnung halten würde, die sich Will mit seiner Mutter teilte – sauber, aber heruntergekommen, bestückt mit Möbeln aus zweiter Hand und abgetretenen Teppichen.

      Will unterbrach seine Gedanken, als ihm einfiel, dass eine zahlende Kundin auf ihn wartete.

      Nachdem er sich in die einzige anständige Anzughose und Jackett geworfen hatte, die er besaß, ging er zur Tür. Er hoffte, dass seine Mom nicht auf ihn achten oder viele Fragen stellen würde. Das Glück war auf seiner Seite, denn sie warf ihm kaum mehr als einen Seitenblick zu, als er sich verabschiedete.

      ***

      »Schön, dich wiederzusehen, Max«, sagte Louise zur Begrüßung, als er sie auf beide Wangen küsste. »Tut mir leid, dass es so kurzfristig war. Ich bin froh, dass du verfügbar warst.«

      Max war der Name, unter dem er in der Escort–Agentur geführt wurde – eine Art Künstlername –, und er half ihm, genug Abstand zwischen der Kundschaft und sich zu wahren.

      »Du siehst hinreißend aus, Louise«, erwiderte er und das Kompliment ließ sie erröten. Das warf für ihn die Frage auf, wie viele aufrichtige Reaktionen sie als hochrangige Geschäftsfrau vom anderen Geschlecht bekam.

      Sie gingen durch die Eingangstür zum Wagen des Autoverleihs, der bereits auf sie wartete. Der Fahrer würde sie quer durch die Stadt zur Spendengala bringen. Will war gut darin, mit Menschen zu plaudern, doch er musste zugeben, dass er solche Angelegenheiten furchtbar langweilig fand. Also konzentrierte er sich auf das Ergebnis. Auf das Geld und das Wohlergehen seiner Mom.

      Sie blieben ein paar Stunden, in denen Louise sich durch den Saal arbeitete und ihn als ihr Date vorstellte. Zwischendurch hielt er ihre Hand oder legte ihr seine ins Kreuz, weil sie das mochte. Sie war empfänglich für seine Aufmerksamkeit und Höflichkeit, besonders, wenn er ihr den Stuhl zurechtrückte oder an die Bar ging, um ihnen Getränke zu besorgen.

      Sobald sie bei ihr zu Hause ankamen, fragte er sich, ob sie ihn mit nach oben bitten würde. In der Vergangenheit hatte sie das ein paar Mal getan und ihn aufgefordert, sie zu küssen oder im Arm zu halten. Um Sex hatte sie jedoch nie gebeten und dafür war er dankbar.

      Sexuelle Handlungen wurden von den Vertragspartnern persönlich ausgehandelt. Die Escorts hatten mit dem Segen der Agentur das Recht, Nein zu sagen. Das war einer der Gründe, warum Will bei Gotham City unterschrieben hatte. Doch man hatte ihn gewarnt, dass ihn ein Stammkunde vielleicht nicht erneut buchen würde, wenn er sich Intimität verweigerte. Damit kam er zurecht, auch wenn das Trinkgeld, das er nach einem dieser Geschäfte hinter geschlossenen Türen erhielt, normalerweise ein wirklich netter Bonus war.

      Doch dieses Mal gähnte Louise nur lange und küsste ihn anschließend auf die Wange, was ihm verriet, dass sie zu müde für einen Schlummertrunk war.

      Nachdem Will zu Hause angekommen war und nachgeschaut hatte, ob seine Mutter friedlich schlief, war er zu aufgekratzt, um schon ins Bett zu gehen. Er machte kehrt und ging zum Café an der Ecke, um sich die Teemischung zu holen, die sein Freund Oren ihm für schlaflose Nächte empfohlen hatte.

      Als er durch die Glastür trat, winkte er Oren zu. Der Barista war ebenfalls hauptberuflich am Theater und sprach ständig für Rollen vor. Er war der Einzige, der verstand, warum Will aufgehört hatte. Oren musste ein Baby ernähren, daher brauchte er ebenfalls ein zuverlässiges Einkommen.

      »Ich brauche einmal den…« Will wedelte mit der Hand, während er zum Teeregal aufsah.

      »Die Seelenruhe–Mischung?« Oren hob fragend eine Braue. Er betrachtete Will von oben bis unten und bemerkte dessen elegante Aufmachung. »Harter Abend?«

      »Nicht härter als sonst«, erwiderte Will. Oren warf ihm einen wissenden Blick zu, als er sich daranmachte, den Tee aufzubrühen. Er war es gewesen, der Will die Arbeit als Escort vorgeschlagen hatte. Er hatte selbst für Gotham City gearbeitet, bis die Geschichte mit seiner Freundin ernst geworden war.

      »Was ist da überhaupt drin?«, fragte Will, als Oren ihm den Becher reichte.

      »Kamille und Sarsaparille«, antwortete er.

      »Sarsa… was?«, hakte Will belustigt nach.

      Oren lachte. »Etwas, damit dein Arsch zur Ruhe kommt.«

      »Klingt perfekt.« Will winkte und ging.

      zu Hause angekommen nippte er an seinem Tee, während er auf dem Laptop herumspielte, und schließlich einen Schwulenporno aufrief und den Sound abschaltete. Es war Wochen her, dass er einen One–Night–Stand gehabt hatte oder auch nur einen männlichen Kunden. Er nahm seinen Schwanz in die Hand und rieb sich zu einer Szene mit zwei mittelmäßig wirkenden Typen zum Höhepunkt. Das waren seine Lieblingsszenen, weil sie authentischer rüberkamen. Nicht jeder konnte muskulös und gut aussehend sein. Er würde einen echten Mann jederzeit einem Kerl vorziehen, der das Scheinwerferlicht suchte.

      Kapitel Drei

      Noah

      Zwischen der Arbeit, dem Fitnessstudio und dem Online–Verkaufsförderungskurs, für den er sich vor Kurzem angemeldet hatte, um auf dem Laufenden zu bleiben, hatte Noah den Escortservice beinahe vergessen. Dann, drei Tage später, teilten Will und er wieder die Schicht im Home and Hearth, aber es dauerte bis zum Abend, bevor Noah sich ein Herz fasste.

      Als sie den Laden verließen, hielt er Will auf der Straße an. Er zog die Visitenkarte aus der Tasche und reichte sie ihm. »Äh, hallo. Die hast du neulich fallen lassen und ich, hm, wollte sie dir wiedergeben.«

      Noah fiel auf, dass Wills Wangen sich sofort verfärbten, bevor er die Schultern straffte und ihm direkt, beinahe trotzig, oder vielleicht mit etwas Stolz, in die Augen sah.

      »Ja,

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