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ihn entlarvenden Nikolaus-Namenstag-Brief, war am 12. Januar 1943 kurz, hilflos und dennoch ein kleiner Prankenhieb gegen die ungeliebte Ehefrau: Er trug als Absender Garmisch, woselbst die Mutter von Lilly ein Haus besaß, in dem sich das Liebespaar oft aufhielt:

       Liebe Brigitte!

       In Deinem Brief übermittelst Du mir die merkwürdigen Anschauungen, die schon so oft mein Entsetzen erregt haben. Ich handle – glaube es mir doch endlich – in vollem Bewusstsein. Willst Du Deinen Kindern den Vater erhalten – dann beschwöre ich Dich, auf mein lebensdringendstes Ersuchen einzugehen. – Bevor alles zu spät ist –

       Hans

      Mit süß geschwächten Lenden und durch Lilly zur Scheidung geistig gestärkt, fährt er in seinem Salonwagen zurück zu seinem Dienstsitz in Krakau und schreibt ihr am 27. Januar 1943:

       Liebe Brigitte.

       Es bleibt nur der Dir von mir so dringlichst nahegelegte Schritt. Ich kann nicht anders, sollte ich mich nicht völlig aufgeben und damit ohnedies alles verloren sein. In dieser entsetzlichen Zeitepoche, da ganze Welten sich neu formen, muss ich dem Schwersten mich bereithalten. Lass uns in Frieden den formalen Schritt der Scheidung gehen. Die fünf Kinder können nur dann ihren Vater bewahren.

       Ich stehe im Ablauf meiner Kämpfe. Meine Zeit ist um. Ich schreite der ewigen Sonne zu. Jeder ist unglücklich, der mir jetzt zugehört. Rette die Kinder! Ich beschwöre Dich!

       Hans

      Viel falsches Pathos, viel Druck von Lilly und eine Prise Realität, wenn er schreibt, dass er im Ablauf seiner Kämpfe stünde und jeder unglücklich sei, der ihm angehöre. Es ist wahr: Mit dem Unglück, ihm anzugehören, mussten sich die fünf Kinder ein Leben lang herumplagen.

      Merkwürdigerweise müsste er doch auch Lilly bedauern, die ja, weil sie ihm zugehört, gleichfalls unglücklich sein müsste. Doch weit gefehlt. Kaum ist der Brief an seine Frau beendet, schreibt er mit Lust an seine große Liebe:

       Meine Lilly – meine über alles geliebte Lilly!

       Bitte bleibe mir gut. Ich liebe Dich bis in das tiefste Mark meines Lebens. Die letzten Tage waren für mich wieder in all’ meinen wilden Kämpfen eine so unsagbare Qual und mühevolle Belastung, dass ich am Telefon wie geschlagen war. Du, meine Lilly! Du mein Alles! Bei Dir bin ich daheim! Bleibe mir! Bleibe mir! Harre noch wenig aus!

       Herzinnigst

       Dein Hans

       DER TIEFPUNKT EINER HOHEN LIEBE

      Es ist Brigitte, die ihrem Hans diese unsagbare Qual bereitet, sodass er die drängende Lilly immer wieder beruhigen muss. Also spitzt er seinen Scheidungsanwalt Kuglstatter an, der am 11. Februar 1943 aus München seiner Noch-Ehefrau diesen unglaublich hochnäsigen Brief schreibt:

       Sehr verehrte gnädige Frau!

       Gnädige Frau stellen sich offenbar auf den Standpunkt, das Verhalten Ihres Mannes sei schwankend und Ihnen und den Kindern gegenüber ein Unrecht, berufen sich auf eine 17-jährige Ehe und sind nicht zuletzt darauf bedacht, die durch Ihren Mann erworbene Stellung als Ehefrau einer der führendsten Persönlichkeiten unter allen Umständen zu erhalten. Ihre nachweisbare Äußerung, dass sie lieber die Witwe als eine geschiedene Frau eines Ministers sein wollen, bestätigt diese letztere Annahme.

       Gnädige Frau übersehen aber dabei die besonderen Umstände, die zu dieser Ehe geführt haben und die Tatsache, dass Ihr Mann 17 Jahre an einer Ehe festgehalten hat, obwohl er seelisch vor allem wegen der grundlegenden Verschiedenheit der Naturen auf das schwerste darunter gelitten hat. Sein Leben hatte alle diese Jahre hindurch keine Erfüllung. Trotzdem war er Ihnen gegenüber immer ritterlich und wurde Ihren Ansprüchen stets gerecht. Sie selbst wissen, dass Ihr Mann eine maßlose Vitalität und Schaffenskraft besitzt, die ihm die Möglichkeit gibt, für Führer und Volk das Höchste zu erreichen. Nach schwerstem Kampf mit sich selbst hat sich Ihr Mann zu dieser letzten Entscheidung durchringen müssen, um sich vor einer lebenslänglichen maßlosen Leere und Vereinsamung zu bewahren. Wie er Ihnen bereits mitgeteilt hat, muss sein Leben entweder neu beginnen oder enden. Schon allein diese Tatsache wird Sie bei einigermaßen vernünftiger Überlegung erkennen lassen, worum es geht. Ihr Hoffen auf eine Rückkehr ist daher völlig aussichtslos. Er muss, das verlangt jetzt das Geschick des Reiches, in die Lage versetzt werden, auf der Grundlage eines neuen privaten Lebens mit letzter Kraft und den ihm in seltener Weise gegebenen Fähigkeiten ruhig und gemessen dem Führer und dem Vaterland dienen zu können.

       Mit besten Empfehlungen

       Heil Hitler!

       Ihr sehr ergebener

       Dr. Kuglstatter

      Vater muss dieses ekelhafte Dokument seiner Selbstbeweihräucherung gesehen, am Ende vielleicht sogar diktiert haben. Brigitte schickt ihm am 21. Februar 1943 eine Stellungnahme, deren erste Zeile schon große Raffinesse zeigt, denn gleich soll der Adressat ob ihres maladen Zustands einen Stich bekommen:

       Die Maschinenschrift bitte ich zu entschuldigen, da ich heute nicht anders schreiben kann.

       Hans, nein das kann nicht sein, das darfst und wirst Du Dir, mir und Deinen Kindern nicht antun, dass Du mich vor die Schranken des Gerichts bringst. Unendlich litt ich während dieser 10 Monate, aber nach jeder noch so großen Leidensstation warst Du wieder da, kamst wieder zurück, beteuertest Dein Glück, und ich konnte mir wieder Kraft holen. Nun aber stößt Du mich von Dir und lieferst mich der Öffentlichkeit aus. Du ließest mir durch Deinen Anwalt schreiben, Du hast 17 Jahre unter einem schweren Familienschicksal gelitten. Hans, lese Deine Briefe vom Kriegsbeginn! Weiter sage ich nichts! Diese schönen Briefe, die mich so beglückten, sie wanderten nun zur Photokopie. Und das – nur uns beide Angehende – muss nun vors Gericht gezerrt werden.

       Nun stelle ich mich als Bürgerin unter den Schutz des deutschen Rechtes, und da ich mit einem Mann des Rechts seit fast 18 Jahren verbunden bin und von ihm 5 Kinder habe, werde ich mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln dieses mein Recht fordern und für uns alle kämpfen bis zum Letzten, damit ich einst vor meinen Kindern und meinem Gewissen sagen kann: »Ich habe alles getan, um den Kindern das Vaterhaus zu erhalten.« Ich bitte Dich, bringe keine Hassgefühle gegen mich auf. Ich tat Dir doch nichts. Ich liebe Dich ja. An dem Tage, an dem Du mich aber vors Gericht stellst, mich hilflos der Öffentlichkeit auslieferst, will ich mit letzter Kraft versuchen, um Dich zu kämpfen. Ich betrachte dies für eine heilige Mission, die ich zu erfüllen habe.

      Was die heilige Missionarin nicht wusste: Lilly bekam sogar von Hitler selbst die große Chance, ihre Jugendliebe Hans endgültig zu erobern – aber das wird sie von Hans, diesem Feigling, nie erfahren.

      Am 3. März 1943 liest nämlich Hans das entscheidende Telegramm aus dem Führerhauptquartier. Er hatte doch tatsächlich Hitler seine Scheidungsakten zuschicken lassen. Nicht wissend, dass ihn auch Brigitte mit rührendem Familienfoto und erschütterndem Brief belatscherte.

      Meine Geschwister und ich waren im Bewusstsein aufgewachsen, dass Hitler unserem Vater die Scheidung »bis nach dem Krieg« verboten hätte. Doch der Führer war geborener Österreicher, der also den Schmäh kannte und ihn hin und wieder zwischen seine Vernichtungspolitik setzte. Mitten im blutigsten Krieg diktierte er seinem Intimus und Sekretär Martin Bormann einen Text, von dem er wusste, dass er wieder einmal den hündischen Charakter seines Gefolgsmanns Frank offenbaren würde. Ich kann mir sogar vorstellen, dass er grinsend zu Bormann geschnarrt hat: »Wetten, Bormann, dass er die Scheidung nicht mehr will?«

      Das Telegramm lautete:

       Der Führer hat mich beauftragt, Ihnen mitzuteilen, dass er Ihre Ehescheidungs-Akten eingehend geprüft habe und dass er danach sich nicht mehr in der Lage sehe, Ihnen die

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