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identifiziert werden, es ist wie eine überwältigende Woge, und das nicht definierte Subjekt kann es nicht zerstören, also ist eine Begegnung mit dem Neuen unmöglich und das Neue kann nicht integriert werden.

      Bei beiden Arten des Erlebens, dem neurotischem und dem psychotischen, findet keine Begegnung mit dem Neuen statt und sie sind nicht nährend – damit fehlen zwei Grundvoraussetzungen des gesunden und normalen Erlebens.

      Wir können diese zwei Arten des Leidens als qualitativ unterschiedlich von gesundem Erleben betrachten, und doch besteht gleichzeitig für jeden Menschen unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, so zu empfinden. Andererseits wird ein Mensch mit dieser Art von Erleben nie nur darauf reduziert. Wie Minkowski beschreibt, ist es genauso wichtig zu wissen, »wie sehr« eine PatientIn schizophren ist, wie es wichtig ist herauszufinden, wie sehr sie es nicht ist. Auch wenn wir ein Kontinuum zwischen neurotischem und psychotischem Erleben bei einer bestimmten Person wahrnehmen können, und auch rasche Wechsel zwischen ihnen, ist es wichtig, sich immer bewusst zu sein, dass es zwei qualitativ unterschiedliche Arten von Erleben sind.

      Wir könnten auch sagen, dass das Erleben eines Menschen immer so gesund ist wie seine Fähigkeit, an der Kontaktgrenze präsent und bewusst zu sein, und dass neurotisches und psychotisches Erleben zwei unterschiedliche Möglichkeiten der Abwesenheit an der Kontaktgrenze darstellen. Diese Überlegung führt uns zur Frage der Bewertung.

      Tatsächlich ist es eines der revolutionären Konzepte der Gestalttherapie, dass sie ein inhärentes Kriterium zur Bewertung des Erlebens etabliert hat. Um herauszufinden, ob das Erleben pathologisch ist oder nicht, benötigen wir kein externes Kriterium, mit dem wir vergleichen, was im Kontakt passiert: Gesundes Erleben bedeutet eine gute Gestalt, die über Eleganz, Stärke, Harmonie, Rhythmus, Flexibilität und Intensität usw. verfügt. Dies ist ein ästhetisches11 Kriterium, da es implizites Wissen ist, das uns unmittelbar durch unsere Sinne vermittelt wird: Wir können direkt fühlen, wie gut die Gestaltung ist, der Prozess, in dem sich die Figur bildet. Anwesenheit und Ästhetik an der Kontaktgrenze sind dasselbe Phänomen: vollständiges Erleben ist ästhetisch.

      Eine ästhetische Bewertung ist nicht kognitiv: Sie ist implizites Wissen, da sie präverbal und prä-kognitiv ist (D’Angelo 2011; Desideri 2011). Kontaktstörungen im Hier und Jetzt nehmen wir als Verzerrungen dieser Eigenschaften wahr: das Leiden unseres gemeinsam geschaffenen Erlebens, die Begrenzungen unseres gegenwärtigen Kontaktes, das Maß unserer Abwesenheit. Auf diesem ästhetischen Kriterium basiert der inhärente diagnostische Prozess (Bloom 2003; Francesetti / Gecele 2009; siehe auch Kapitel 3 zur Diagnose). Wenn wir in einem psychotischen Feld sind, ist ein bestimmter Aspekt, den wir wahrnehmen, die Notwendigkeit eines/r Dritten – oft als Angst – wie oben beschrieben. Auf diese Weise fühlt die TherapeutIn den unerträglichen Mangel an Hintergrund im Feld. Auch hier handelt es sich um eine inhärente Bewertung, die an der Kontaktgrenze mit den Sinnen wahrgenommen wird.

      4. Die Koordinaten einer gestalttherapeutischen Psychopathologie

      Aus gestalttherapeutischer Sicht sind Symptome Erzeugnisse eines kreativen Selbst und offenbaren die menschliche Einzigartigkeit (Perls / Hefferline / Goodman 2006). Die Psychopathologie ist ein ko-kreatives Feldphänomen, das eine einzigartige kreative Anpassung in einer schwierigen Situation darstellt. Wenn sie zu einer fixierten Gestalt wird, dient sie nicht mehr den Bedürfnissen des Individuums und seiner Umwelt, sondern engt sein Spektrum an Potenzialen ein. Die Symptome werden nicht als eigenständige Elemente betrachtet, sondern als ein eingeengtes Funktionsspektrum (Zinker 1978). Die Symptome deuten auf eine eingeschränkte Flexibilität in den Reaktionen der KlientIn hin. Sie ist in ihrer Fähigkeit eingeschränkt, fließenden Kontakt zu ihrer Umwelt zu haben. Sie ist dann nicht in der Lage, ihren jeweiligen Bedürfnissen entsprechend zu handeln: Ihr Verhalten und aktuelles Erleben werden von fixierten Mustern bestimmt. Sie folgt einer Gewohnheit und trifft keine gezielte Entscheidung (Yontef 1993).

      Psychopathologische Symptome sind phänomenologisch feststellbare Manifestationen von fixierten Gestalten. Diese starren Muster verursachen ein Leiden der Kontaktgrenze und von Beziehungen (natürlich trägt das Individuum zu der Gestaltung seines Beziehungsfeldes bei). Sie werden auch in der therapeutischen Beziehung zu einer Figur: Beide, die KlientIn und die TherapeutIn, sind die gemeinsam Schöpfer der Psychopathologie, die sich in der Beziehung herausbildet. TherapeutInnen können das starre Feldgebilde mithilfe ihrer Bewusstheit verlassen. Auf diese Weise unterstützen sie die Beziehung und bieten den KlientInnen eine Möglichkeit, ihr Spektrum an Möglichkeiten zu erweitern. Die TherapeutIn bietet ein Kontakterleben an, das der PatientIn bisher gefehlt hat und nach der sie auf der Suche war (Salonia 1989c, 2001a; Spagnuolo Lobb 1990, 2001a).

      In diesem Sinne sind Symptome immer ein Appell, eine Bitte nach einer bestimmten Beziehung: eine Art des Kontaktes, in dem die Symptome nicht mehr gebraucht werden (Sichera 2001). Eine Panikattacke kann also der Ruf nach einer Beziehung sein, in der es genug Unterstützung aus dem gemeinsamen Zugehörigkeitsgefühl gibt, nach einem Kontakt, der genügend Unterstützung bietet, um in diese Welt zu treten (siehe auch Kapitel 24 über Angst- und Panikstörungen). An der Kontaktgrenze zu sein hilft der TherapeutIn, die Kontaktschwierigkeiten zu verstehen, die die Beziehung belasten, und herauszufinden, was sie tun muss, um der Beziehung selbst Unterstützung zu bieten.

      Nach Auffassung der Gestalttherapie gründet sich das klinische Verstehen des Leidens auf einer Reihe von Komponenten, mit deren Hilfe ein epistemologisches Profil umrissen wird. Wir sind überzeugt, dass man auf diesen Grundlagen eine gestalttherapeutische Perspektive entwickeln kann, die wir sogar als gestalttherapeutische Psychopathologie bezeichnen würden. Sie definiert sich folgendermaßen:

      Phänomenologisch: Das bedeutet nicht interpretativ ausgerichtet, sondern bemüht, gelebte Erfahrung zu verstehen. Gelebter Erfahrung wird bei diesem Ansatz volle und bedingungslose Würde und Wertigkeit zugesprochen. Diese Position stimmt mit dem epistemologischen Standpunkt der phänomenologischen Psychiatrie überein (Jaspers 1913; Merleau-Ponty 1945; Binswanger 1963; Minkowski 1927, 1999; Callieri 2001a; Borgna 1989, 2005, 2008b; Kimura 2000, 2005). Fixierte Gestalten verursachen Leiden in Beziehungen, indem sie einen vollständigen Kontakt mit der aktuellen Realität verhindern. Aus diesem Grund behandelt die gestalttherapeutische Psychopathologie die Kategorisierung von Erleben mit Vorsicht und vermeidet die Kategorisierung von Subjekten. Das Erleben psychopathologischen Leidens ist anthropologisch gesehen »normal«. Es ist allen Menschen zugänglich. Alle Menschen können mehr oder weniger ausgeprägtes Leiden in Beziehungen erleben, für das es ein Kontinuum zwischen gesundem und psychopathologischem Erleben gibt.

      Beziehungsgebunden:

      1. Psychopathologie ist das Leiden von Beziehungen. Subjekt und Objekt der Behandlung ist nicht das Individuum, sondern die Beziehung, die an der Kontaktgrenze entsteht. Diese Beziehung behandelt die PsychotherapeutIn, indem sie an der Kontaktgrenze steht. Es ist die Kontaktgrenze, die leidet, und es ist die Kontaktgrenze, die durch die Therapie geheilt wird. Der Ursprung des Leidens sowie seine Heilung liegen in der Beziehung (Salonia 1992, 2001a; Spagnuolo Lobb 2001a, 2005a; Sichera 2001; Yontef 2001a; Philippson 2001). Subjektives Leiden geht nicht mit Psychopathologie einher: Subjektives Leiden kann es auch ohne Psychopathologie geben und Psychopathologie kann ohne subjektives Leiden existieren. Dabei ist Letzteres möglicherweise die häufigere Variante.

      2. Gelebte Erfahrung wird gemeinsam in der Beziehung erschaffen (Spagnuolo Lobb 2003b; Stern et al. 1998). Selbst die grundlegenden erlebnisorientierten Koordinaten, Grenzen, Raum und Zeit sowie Energie und Vitalität sind keine Funktionen des Individuums, sondern Funktionen der Beziehung, von der sie auch abhängen (Salonia 2001a; Francesetti 2011). In der Therapie muss das Leiden der PatientIn als Phänomen verstanden werden, das sich im therapeutischen Feld herausbildet (Robine 2011; Spagnuolo Lobb 2001a; Stolorow et al. 1999).

      3. Die gestalttherapeutische Psychopathologie konzentriert sich auf den Moment und sieht sich an, wie die Spontaneität des Kontaktes gestört ist und die Intentionalität ohne Unterstützung bleibt (Spagnuolo Lobb 2001a). In diesem Moment ist das Selbst an der Kontaktgrenze nicht vollständig anwesend und die TherapeutIn interveniert, um die Beziehung zu unterstützen. Genau genommen ist nicht der Kontakt gestört, sondern die Spontaneität des Kontaktes. Dem Kontakt (der Beziehung im Hier und Jetzt)

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