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die sich aus dem Kontext des Hintergrundes (der dem Kontinuum des Erlebens zugrunde liegt) hervortritt, ist eine Figur, die zum Individuum gehört (so haben in einer Diskussionsgruppe keine zwei Menschen dieselbe erlebnisorientierte Figur). Zur selben Zeit jedoch gehört sie nicht zum Individuum (um auf unser Beispiel mit der Diskussionsgruppe zurückzukommen: Die Figur jedes Menschen gehört auch zu den Anderen, da sie von den Anderen und durch die Anderen hervorgeht und ihre Form annimmt) (Robine 2011). Im Zusammenhang mit der Psychopathologie bedeutet das: Wenn wir der Ansicht sind, dass solche Phänomene an der Kontaktgrenze entstehen, dann ist es genau genommen nicht das Subjekt, das leidet. Vielmehr leidet die Beziehung zwischen dem Subjekt und der Welt: jener Raum, den der Organismus erlebt und in dem der Organismus belebt wird. Von diesem Standpunkt aus gesehen ist die Psychopathologie die Pathologie der Beziehung, der Kontaktgrenze, des Zwischen.

      Das Subjekt ist der bewusste und kreative Empfänger dieses Leidens: Das Subjekt kann Schmerz empfinden.

      Das Subjekt kann Leiden wahrnehmen und ihm kreativ Ausdruck verleihen, doch das Leiden entsteht an der Kontaktgrenze. Das Agens dieses Gefühls (allen Gefühls) ist das Selbst, das eine Kontaktfunktion ist. Nach der Auffassung der Gestalttherapie erforscht die Psychologie das, was an der Kontaktgrenze passiert (während das, was innerhalb des Organismus passiert, in den Bereich der Biologie und Physiologie gehört, und das, was außerhalb des Organismus passiert, in den Bereich der Soziologie und Politik) (Perls / Hefferline / Goodman 2006). Demnach muss sich die Psychopathologie notwendigerweise auf das Leiden dieser Grenze beziehen. Aus dieser Herangehensweise ergeben sich eine Reihe wichtiger Konsequenzen.

      Psychopathologie ist nicht einfach subjektives Leiden. Psychopathologie ist das Leiden der Zwischen. Dieses Leiden kann von jedem wahrgenommen werden, der sich in der Beziehung befindet: von dem/der Anderen oder einem/r Dritten. Das Leiden wird vom Organismus wahrgenommen, doch es gehört nicht zu ihm, weder durch sein Entstehen noch durch seine Heilung. Leiden entsteht und entwickelt sich innerhalb einer Beziehung (Sichera 2001, 17–41; Salonia 1992) oder (um es im engeren gestalttheroretischen Sinne auszudrücken) in dem Raum, zu dem es gehört und in dem es erzeugt wird: in der Kontaktgrenze. Also kann man die Psychopathologie als das Wissen um das Leiden des belebenden Atems, des Zwischen, der Kontaktgrenze begreifen. Der belebende Atem, das Zwischen und die Kontaktgrenze gehören nicht zum Individuum, sondern sind lebendige Räume, die durch Kontakt entstehen. Die Psychopathologie ist eine Eigenschaft, die sich an der Kontaktgrenze5 neu herausbildet und die das Individuum wahrnimmt.

      In der Psychopathologie geht es nicht einfach um subjektives Leiden. Subjektives Leiden kann existieren, ohne psychopathologisch zu sein, das heißt, ohne dass das Zwischen leidet (in diesem Fall gibt es Schmerz, aber kein Leid). Andererseits kann subjektive Gleichgültigkeit (ohne empfundenen Schmerz) psychopathologisch sein, wenn das Zwischen leidet (in diesem Fall gibt es Leid, obwohl kein Schmerz da ist). Nicht alles Leiden, das der Einzelne empfindet, ist notwendigerweise ungesund (z. B. Trauer, die Leiden darstellt, aber nicht zur Psychopathologie gehört), während eine Pathologie von Menschen nicht immer als Leiden wahrgenommen wird (z. B. Psychopathien, die in Gewalt münden). Um uns in der Psychopathologie besser zu orientieren, müssen wir über das Individuum als einzige Bezugsgröße hinaussehen und die Beziehung betrachten (Salonia 1989c; 1999; 2001a; Spagnuolo Lobb 2003a; 2003b). Wir stellen uns nicht länger die Frage »Leidet das Subjekt?«, sondern vielmehr »Leidet die Beziehung?«.

      Wir betrachten das Individuum nicht als Träger der Psychopathologie. Wir beschreiben keine Arten von Menschen, sondern vielmehr Funktionsmuster und sprechen z. B. von Angst- oder Borderline-Prozessen und nicht von betroffenen Menschen (Greenberg / Goldman 2007). Dadurch können wir die Psychopathologie aus der Perspektive der Feldtheorie betrachten, in der psychopathologische Phänomene weder der einen noch der anderen Seite des Kontakts zugeschrieben, sondern als Funktionen des Feldes aufgefasst werden.

      Psychopathologisches Leiden ist Folge und Ausdruck eines Mangels an signifikantem Kontakt.6 Je frühzeitiger ein Kontakt hätte stattfinden sollen und je grundlegender er für die Entwicklung des Selbst und das Wachstum des Organismus gewesen wäre, desto schwerer das Leiden. Das individuelle Empfinden dieses Leidens ist eine Manifestation von Bewusstheit (was immer die Bewusstheit an und von der Kontaktgrenze darstellt).7 Da das Leiden zu einer Beziehung gehört, kann es vorkommen, dass nicht alle, die daran beteiligt sind, es auch wahrnehmen.

      Ein Beispiel wäre ein Mann, der aufgrund seiner Beziehungsgeschichte ein narzisstisches Leiden entwickelt hat: Er kann den Schmerz der Beziehung zwischen dem Paar nicht wahrnehmen, nur seine Partnerin fühlt ihn. Die Tatsache, dass sie leidet (z. B. unter einer tief empfundenen Einsamkeit und Traurigkeit), muss nicht bedeuten, dass sie es ist, die behandelt werden sollte, um ihre Probleme bewältigen zu können (etwa mit Antidepressiva). Ihre Schwierigkeiten sind vielmehr ein gesundes Zeichen dafür, dass die Beziehung Unterstützung braucht. In diesem Fall sollte eine Therapie dem Mann helfen, den Schmerz ihrer Beziehung zu spüren. Dies wird wahrscheinlich dazu führen, dass Verletzungen aus alten Beziehungen zutage treten, die er hütet, ohne sie zu berühren.

      Auch Kinder sind oft nicht in der Lage, ihr psychisches Leiden wahrzunehmen und auszudrücken, wenn die Beziehungen leiden, von denen sie ein Teil sind. Sie können nicht sagen: »Ich leide.« Stattdessen manifestieren sich physische Störungen oder Lernschwierigkeiten in der Schule, Hyperaktivität oder Aggressionen gegenüber ihren Kameraden. Wenn jedoch jemand, der wahrnehmen kann, was an der Kontaktgrenze passiert, mit dem Kind (oder der Familie) in Kontakt kommt, wird er/sie das Leiden empfinden, das die Beziehung belastet. Psychopathologie kann als subjektiver Schmerz wahrgenommen werden, z. B. wenn Angst oder Melancholie uns erfassen. Sie kann jedoch auch ein Leiden sein, das nur von anderen wahrgenommen wird – wenn die Pathologie (das Leiden) eben darin besteht, dass ein Individuum Schmerz nicht wahrnehmen kann (wie bei gewalttätigen Menschen). Es ist paradox, doch in diesem Fall zielt die Unterstützung darauf ab, der Person dabei zu helfen, Schmerz zu spüren. Sich des Leidens einer Beziehung bewusst zu werden ist ein Heilmittel an sich.

      Der Perspektivwechsel zugunsten einer im Wesentlichen beziehungsbasierten Sicht der Psychopathologie wirft ein neues Licht auf den Schmerz und auf die Beziehung zwischen Schmerz und Leid. Wenn der Schmerz in einer Beziehung nicht ausreichend Unterstützung bekommt, wird er unbewusst und dadurch selbstzerstörerisch. Er wird zum Leid.

      2. Der/die »Dritte« als Komponente von Beziehung

      Um psychopathologisches Erleben zu verstehen, reicht es nicht, allein das Individuum oder die duale Beziehung als Bezugsgröße zu betrachten. Eine Beziehung besteht nie nur aus zwei Menschen – es spielen immer auch externe Einflüsse hinein (Spagnuolo Lobb / Salonia 1986; Fivaz-Depeursinge / Corboz-Warnery 1999; Irigaray 2002; Salonia 2005b; Spagnuolo-Lobb 2008b). Unsere Feldtheorie impliziert bereits das Vorhandensein eines Hintergrunds, der der Figur Bedeutung verleiht: In verschiedenen Situationen können unterschiedliche Figuren aus dem Hintergrund hervortreten, die die jeweilige Beziehung verankern und ihr Bedeutung verleihen. Wir können diese Figuren, deren Funktion darin besteht, die Beziehung im größeren Feld zu verankern, als Dritte bezeichnen.

      So fungiert die SupervisorIn in der klinischen Arbeit als wichtige Dritte. In einer Supervisionsgruppe berichtet uns eine Kollegin, wie schwierig ihre Arbeit mit einem Patienten mit einem narzisstischen Leiden ist: Sie fühlt sich oft unfähig und erniedrigt, sie ist »nie genug für ihn«. In solchen Momenten hilft es ihr, an die Unterstützung durch die SupervisorIn und die Gruppe zu denken. Dadurch kann sie sich erden und sich in Erinnerung rufen, dass ihre Gefühle zum Feld gehören und keine »absoluten Definitionen« ihrer selbst sind. Auf diese Weise kann sie atmen und beim Patienten bleiben.

      Hier kommt der Gruppe die Rolle des Dritten zu: Sie verleiht der therapeutischen Beziehung Hintergrund und Bedeutung. Ein anderer Kollege beschreibt seine Gefühle zu seiner Patientin: Er wollte schon seit mindestens zwei Monaten über diese Therapie sprechen, doch er schämt sich wegen dieser Beziehung. Er glaubt, dass er dabei ist, sich in seine Patientin zu verlieben. Er ist sich der Risiken bewusst und genießt diese Gefühle gleichzeitig: Er möchte ihr helfen und sie retten und irgendwie ist er der Meinung, dass die Gruppe ihre Bedürfnisse nicht richtig versteht. Diese Eröffnung fördert viele wichtige Aspekte über die Patientin, den Therapeuten und die Gruppe zutage und bietet

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