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Nacht mit der irrationalen Angst wach, dass das Dach weggerissen oder ihr Haus weggespült werden würde. Wie ich im fünften Kapitel ausführen werde, tritt oft eine Verstärkung der Angst ein, wenn die Furcht vor etwas (in Beth’s Fall die Furcht vor der Ehe oder davor, die falsche Wahl zu treffen) verstanden wird als das, was sie tatsächlich ist – eine Furcht vor nichts. Für Beth waren sowohl der Druck zu heiraten als auch die Furcht vor der Ehe teilweise ein oberflächlicher Widerhall des tieferen Kampfes, bei dem es um die Todesangst ging.

      Viele Kliniker haben die Gegenwart und die Transformation der Todesangst durch das ganze Spektrum klinischer Pathologie hindurch beschrieben. Das vierte Kapitel handelt davon in größerer Ausführlichkeit, und ich brauche es hier nur anzudeuten. R. Skoog berichtet, dass über siebzig Prozent der Patienten mit schwerer Zwangsneurose vor dem Ausbruch der Krankheit eine Todeserfahrung hatten, die ihre Sicherheit bedrohte. In dem Maß, in dem das Syndrom sich entwickelt, sind die Patienten zunehmend damit beschäftigt, ihre Welt zu kontrollieren und das Unerwartete oder Zufällige zu verhindern. Die Patienten vermeiden Unordnung und Unsauberkeit und entwickeln Rituale, um das Übel und die Gefahr abzuwenden.36 Erwin Strauss bemerkt, dass die Abscheu des zwanghaften Patienten vor Verfall, Krankheit, Krankheitserregern und Schmutz eng verknüpft mit der Furcht vor persönlicher Auslöschung ist.37 W. Schwidder beobachtet, dass diese zwanghaften Abwehrmechanismen beim Abfedern der Todesangst nicht vollständig wirksam waren. Bei einer Studie von über hundert zwanghaft phobischen Patienten stellte er fest, dass ein Drittel von ihnen Enge und Dunkelheit fürchteten, und ein etwas größerer Anteil hatte ausdrückliche Todesangst.38

      Herbert Lazarus und John Kostan betonen in einer ausführlichen Studie des Hyperventilationssyndroms (ein extrem häufiger Zustand: zwischen fünf und zehn Prozent aller Patienten, die einen Arzt aufsuchen, leiden an diesen Beschwerden) die darunter liegende Dynamik der Todesangst, die in eine Serie anderer Phobien transformiert wird. Die Unfähigkeit, die Todesangst genügend zu binden, führt zu der Hyperventilationspanik.39

      D. B. Friedman beschreibt einen zwanghaften Patienten, dessen Todesangst die Form des zwanghaften Gedankens annahm, dass er von jedem vergessen würde. Damit verknüpft war seine fixe Idee, dass er immer die aufregenden Sachen in der Welt um ihn herum verpasste: »Etwas wirklich Neues geschieht nur, wenn ich nicht da bin, vor meiner Zeit oder nach meiner Zeit, bevor ich geboren wurde oder nachdem ich tot bin.«40

      Die Todesangst wird bei dem hypochondrischen Patienten, der ständig mit der Sicherheit und dem Wohlbefinden seines oder ihres Körpers beschäftigt ist, nur spärlich verkleidet. Hypochondrische Krankheit bei einem Patienten beginnt häufig nach einer ernsten Erkrankung des Patienten oder von jemandem, der ihm oder ihr nahesteht. Früh im Verlauf dieser Krankheit, bemerkt V. Kral, gibt es eine direkt erfahrene Furcht vor dem Tod, die später in viele Körperorgane diffundiert.41

      Mehrere klinische Untersuchungen haben von der zentralen Rolle der Todesangst beim Depersonalisations-Syndrom berichtet.42 Martin Roth zum Beispiel fand heraus, dass Tod oder ernste Erkrankung das bestürzende Ereignis bei über fünfzig Prozent der Patienten war, die von einem Depersonalisations-Syndrom berichteten.43

      Diese neurotischen Syndrome haben einen gemeinsamen Zug: Obwohl sie unbequem sind und einen Patienten einengen, sind sie erfolgreich darin, ihn oder sie vor offener und erschreckender Todesangst zu beschützen.

      Todesangst: Empirische Forschung

      Während der letzten dreißig Jahre gab es einen kontinuierlichen, aber schwachen Strom empirischer Sozialforschung über den Tod. Praktisch jeder Forschungsbericht über den Tod beginnt mit einem Fanfarenruf für die Forschung und entweder einem Lamentieren oder einem verachtungsvollen Protest über das Fehlen sorgfältiger Untersuchung. Nachdem ich die Literatur durchgesehen habe, komme ich nicht umhin, eine ähnliche Beschwerde zu wiederholen. Auffällig ist der starke Kontrast zwischen spekulativer oder impressionistischen Literatur über den Tod einerseits und seiner methodischen Erforschung. Beispielsweise werden in einer Bibliografie über den Tod bis zum Jahre 1972 über 2.600 Bücher und Artikel aufgeführt; aber weniger als zwei Prozent sind empirische Forschungen, und nur eine Handvoll von ihnen hat direkte Bedeutung für die existenzielle Theorie und Therapie.

      Diejenige Forschung, die auch nur im entferntesten bedeutsam ist für meine gegenwärtige Fragestellung, versucht die folgenden Fragen zu untersuchen: die Häufigkeit von Todesangst, Studien über die Korrelation des Ausmaßes an Todesangst mit einer Anzahl von Variablen – demografische (Alter, Geschlecht, Familienstand, Beruf, Religion, Bildung und so weiter), persönliche Faktoren (MMPI Dimensionen – Minnesota Multiple Personality lnventory; allgemeine Angst oder Depressionsniveaus) und Lebenserfahrungen (früher Verlust, Heimunterbringung) – und die Beziehung zwischen Todesangst und Psychopathologie oder anderen psychologischen Erfahrungen, besonders Fantasien, Träumen und Albträumen.

      So weit, so gut. Wie jedoch Robert Kastenbaum und Ruth Aisenberg in ihrem wohldurchdachten Überblick feststellen, sind die Studien mit wenigen Ausnahmen entweder extrem begrenzt in ihrer Reichweite oder methodisch sehr fehlerhaft.44 Viele Studien untersuchen den Tod auf ungenaue Weise; beispielsweise versäumen sie es, zwischen der Furcht, die man vor seinem eigenen Tod, vor dem Tod eines anderen oder vor der Wirkung seines eigenen Todes auf die anderen hat, zu unterscheiden.

      Ein schwierigeres Problem ist jedoch, dass die meisten Studien bewusste Einstellungen zum Tod oder bewusste Erscheinungsformen der Angst gemessen haben. Und um das Problem noch schwieriger zu machen: Die Studien benutzen (mit wenigen Ausnahmen45) Instrumente, die schnell konstruiert wurden, »selbstgestrickte« Skalen, deren Reliabilität oder Validität nicht erhärtet wurden.

      Eine berufsbezogene Studie ist jedoch interessant. Medizinstudenten wurden untersucht, indem eine bewusste Todesangst-Skala und die »Autoritäts«- Skala (California Personality Inventory F scale) benutzt wurden. Eine negative Beziehung wurde zwischen der Todesangst und Autoritarismus festgestellt das heißt, je höher der Autoritarismus, desto niedriger die Todesangst und umgekehrt. Darüber hinaus hatten Medizinstudenten, die sich für die Psychiatrie entschieden, größere Todesangst (und waren weniger autoritär) als jene, die zur Chirurgie gingen.46 Vielleicht sind die Chirurgen gegen Todesangst besser gewappnet und Psychiater sich ihrer Todesangst mehr bewusst (vielleicht haben die grünschnäbeligen Psychiater auch mehr absolute Todesangst und kommen zum Berufsfeld für psychische Erkrankungen auf der Suche nach persönlicher Erleichterung).

      Verschiedene Projekte berichten davon, dass tief religiöse Personen weniger Todesangst haben.47 Studenten, die einen Elternteil verloren haben, haben höhere Todesangst.48 Die meisten Studien zeigen wenig Unterschiede in Bezug auf das Alter,49 obwohl es eine positive Beziehung zwischen den Sorgen um den Tod und die Nähe des Todes gibt.50 Eine Studie über die verbreitetsten Ängste von eintausend Studenten koedukativer Colleges weist darauf hin, dass die Ängste, die mit dem Tod in Beziehung stehen, extrem wichtig in dieser Population sind.51

      Verschiedene Projekte haben zwar demonstriert, aber nicht versucht zu erklären, dass Frauen ein höheres Bewusstsein der Todesangst haben als Männer.52

      Eine groß angelegte Studie (N = 825) berichtet von keinen Männer-Frauen-Unterschieden, aber eine genaue Prüfung der Daten zeigte, dass die Frauen weniger geneigt waren als die Männer, beunruhigende Fragen im Fragebogen zu beantworten; zum Beispiel wurde ein Item (»Stellst du dir lebhaft dich selbst vor, wie du stirbst oder wie du tot bist«) nur von 78 Prozent der Frauen und von 98 Prozent der Männer beantwortet.53

      Eine Betrachtung der bewussten Todesangst hat, auch wenn sie von einigem Interesse sein mag, wenig Bedeutung für das Verständnis der Persönlichkeitsstruktur und der Psychopathologie. Der Eckpfeiler dynamischer Psychologie ist genau der, dass starke Angst nicht bewusst bleibt: Sie wird verdrängt und »verarbeitet«. Einer der Hauptschritte im Umgang mit der Angstquelle besteht darin, sie abzuspalten oder den Affekt von dem Gegenstand zu isolieren. Deshalb kann man über den Tod mit nur geringem Unbehagen nachdenken und man kann verschobene Angst erleben mit geringem Zugang zu ihren wahren Quellen. Ein paar Studien, auf die ich gleich zurückkommen werde, waren sensibel für den

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