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Der Tote in der Hochzeitstorte. Thomas Brezina
Читать онлайн.Название Der Tote in der Hochzeitstorte
Год выпуска 0
isbn 9783990014431
Автор произведения Thomas Brezina
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Was soll das denn heißen?«
Als Lotta den Kopf hob, fiel Axel die Veränderung auf. Ihr Haar, das sie bisher zu kleinen Zöpfchen geflochten getragen hatte, war offen und gekraust.
»Schicke Frisur«, sagte er.
»Ich hasse Zöpfe!«
»Seit wann? Gestern haben sie dir noch gefallen.«
»Ich hasse Lilo.«
»Stopp!« Axel trat neben Lotta. »Das reicht. In diesem Haus wird nicht gehasst.«
»Mir egal.«
Axel ließ sich auf Lottas Bettkante sinken, um ihr in die Augen sehen zu können. »Lass mich raten: Lilo hat darauf bestanden, dass du deine Hausaufgaben schreibst. Oder sie hat dir den dritten Pudding aus dem Kühlschrank verweigert. Oder sie hat geschimpft, weil du mit matschigen Schuhen ins Haus gelaufen bist. Also, was war es diesmal?«
Lotta starrte ihn finster an. »Alles drei.«
Auch wenn Axel nicht so gut kombinieren konnte wie Lilo, war die Schlussfolgerung nicht schwierig. »Du bist wütend und hast dir deshalb die Zöpfchen aufgemacht, damit du nicht wie Lilo aussiehst.«
»Ich hasse dich auch«, brummte Lotta.
»Weil ich dich durchschaut habe?«
Er bekam keine Antwort.
»Es ist sehr ärgerlich, wenn Erwachsene ausnahmsweise recht haben, nicht wahr?«
»Ich hasse …«
»Nein, du hasst heute nicht mehr und auch sonst nicht mehr«, fiel ihr Axel ins Wort. »Lotta, reg dich ab. Schreib deine Hausaufgaben, damit deine Lehrerin uns nicht jeden zweiten Tag anruft, weil du sie wieder nicht gebracht hast. Zu viel Pudding macht dick und Lilo ist keine Putzfrau. Daher bleiben die Schuhe, wenn du deine Schlamm-Expedition gemacht hast, in der Garage stehen.«
Von Lotta kam nur ein unverständliches Grummeln.
»Ist Lilo noch einmal weggefahren?«
Axel konnte sich selbst die Antwort auf diese Frage geben. Ihr Geländewagen stand vor dem Haus. Für einen Spaziergang war es zu spät und zu kalt. Also musste Lilo im Haus sein.
»He, Lotta, wo ist Lilo? «
»Sie spinnt heute.«
Normalerweise verlor Axel nur selten die Nerven, aber heute war ein Tag, an dem ihn Lotta wieder einmal aus der Ruhe brachte.
»Das reicht jetzt. So redest du nicht über Lilo! Sie ist wie eine Mutter für dich, wenn nicht noch besser. Sie hatte mit allem recht und ich hätte es genauso gemacht. Wenn du mir keine Antworten geben willst, dann bleib allein in deinem Zimmer. Sobald du mit den Hausaufgaben fertig bist, zeichnest du für Lilo eine Karte zur Entschuldigung.«
Lotta war eine begeisterte und gute Zeichnerin. Axel wollte von ihr eine liebevolle Geste in Lilos Richtung sehen und hielt das für besser als jede Strafe.
Ohne weitere Worte verließ er das Zimmer. Er konnte Lottas Blick im Rücken spüren, kümmerte sich aber nicht darum. Mit Nachdruck schloss er die Zimmertür.
»Lilo? Schatz? Wo bist du?«, rief er den Flur hinunter.
Die Tür zum gemeinsamen Schlafzimmer wurde geöffnet und Lilo trat heraus. »Rufst du schon lange?«
»Eine halbe Stunde«, scherzte Axel.
Lilo lächelte schwach. »Ich habe dich nicht gehört, ich war im Badezimmer.«
»Hast du dich verwöhnt und ein warmes Bad genommen? Erholung von Lottas Frühpubertät?«
»Nein. So schlimm ist das nicht.«
Axel trat zu ihr und wollte sie auf den Mund küssen, aber Lilo drehte den Kopf zur Seite. Sein Kuss ging halb auf ihre Nase. Ein wenig irritiert neigte er sich zurück und sah sie prüfend an. »Stimmt etwas nicht zwischen uns?«
Axel musste an den Sommer des vergangenen Jahres denken. Ihre Beziehung wäre damals beinahe auseinandergegangen. Auch wenn sie sich schließlich wiedergefunden hatten und in Kitzbühel zusammengezogen waren, kämpften sowohl Axel als auch Lilo noch immer mit einer kleinen Unsicherheit bezüglich ihrer Gemeinsamkeiten.
»Nein, nein, alles zu hundert Prozent in Ordnung«, versicherte ihm Lilo. Sie hob entschuldigend die Hand und verschwand wieder im Schlafzimmer. Axel folgte ihr langsam. Er streckte den Kopf durch die Tür, konnte sie aber nicht sehen.
»Lilo?«
»Komme schon.« Sie trat aus dem Bad und kam auf ihn zu. Der frische Geruch von Pfefferminze schlug Axel entgegen und sie küsste ihn. Lilo musste schnell mit Mundwasser gegurgelt haben.
»Mein Team wird immer besser«, begann Axel zu erzählen. »Ich kann die Special Games kaum erwarten.« Nebeneinander gingen sie hinunter in die gemütliche Wohnküche.
»Freut mich sehr für dich.« Lilo öffnete den Kühlschrank und nahm eine flache Backform heraus. »Waren heute alle beim Training?«
»Es fehlt praktisch nie jemand. Sie freuen sich die ganze Woche darauf.« Axel war der Stolz anzumerken. Auf einem Regal an der Wand standen Fotos von Lilo, Lotta und ihm, die die drei auf Urlaub in Teneriffa, beim Skifahren, auf einer Bergtour und auf ihrer Städtereise nach London zeigten. Daneben gab es ein großes Foto von Axel und seinem Team, aufgenommen am Tag, als sie die Landesmeisterschaft im Special Football gewonnen hatten.
Das Team bestand aus Jungen und Mädchen, die alle eine Behinderung hatten. Es gab Kinder mit Downsyndrom, körperlichen Behinderungen, Sehschwächen und Gehörlosigkeit. Axel mochte sie alle und keine andere Tätigkeit in seinem Leben hatte ihn bisher so sehr erfüllt wie das Training mit dieser Gruppe.
Seit die vier Freunde, die in Kindertagen Knickerbocker-Bande genannt wurden, einen riesigen Internetbetrug aufgedeckt hatten, waren sie alle wohlhabend. Ihre Belohnung lag in Millionenhöhe. Keiner der vier hätte noch arbeiten müssen, aber trotzdem taten es alle.
»Ich bin so froh, keine reichen Leute mehr dafür loben zu müssen, dass sie drei Kniebeugen schaffen, nur damit sie sich nach dem Training beruhigt den Bauch vollstopfen und eine halbe Flasche Wein trinken können«, sagte Axel. Er war Personal Trainer gewesen, verwendete seine Kenntnisse nun aber nur noch für sein Spezial-Team und zwei Seniorengruppen in Altenheimen, die für Axels wöchentliche Trainingseinheiten sehr dankbar waren.
Lilo lächelte Axel liebevoll an. »Die größte Freude für mich ist, zu sehen, wie sehr du in deiner Arbeit aufgehst.«
Das traf zu. Axel hob die Alufolie von der Backform ab. »Fischpastete«, erklärte Lilo.
»Hmmm.« Axel leckte sich die Lippen. »Lotta wird aber weniger begeistert sein.«
»Sie bekommt zwei Mini-Pizzas.« Lilo öffnete das Backrohr, wo die Pizzas schon auf dem Blech lagen. Die Fischpastete kam in das zweite Rohr daneben.
Axel schenkte Mineralwasser ein. Für Lilo gab er ein paar Tropfen Rosensirup ins Glas, für sich selbst nahm er Minzblätter und Gurkenstückchen. Sie prosteten einander zu.
Nachdem er getrunken hatte, legte Axel den Kopf schief. Einfühlungsvermögen war keine seiner Stärken. An diesem Abend aber entging ihm nicht, wie verändert Lilo erschien. Er konnte nur nicht genau festmachen, woran es lag.
»Ist mit dir wirklich alles in Ordnung?«, fragte er nach.
Lilo nickte. »Ich habe heute eine Entscheidung getroffen und hoffe, du bist einverstanden.«
»Kein größeres Haus. Dieses hier reicht uns völlig.« Axel deutete um sich. Die Wohnküche allein hatte die Ausmaße einer Junggesellenwohnung.
Lilo und Axel hatten das Haus kurz nach der Fertigstellung günstig erwerben können. Es lag auf einem Berghang, von dem sie einen prachtvollen Blick über die Dächer von Kitzbühel hatten.
»Wir heiraten am 21. November!«, platzte Lilo heraus.
»November?«