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eine neue Behandlungsmethode, aber keine akute Warnung oder Meldung. Sie konnte sich auch täuschen, aber irgendwie wurde Poppi das Gefühl nicht los, Lilo hatte ihr etwas verschwiegen. Es musste einen Grund für die plötzliche Hochzeit geben. Aber welcher könnte das sein? Hatte Lilo auf einmal die Angst überkommen, Axel könnte sie verlassen?

      Nein, das war nicht möglich. Nach Lilos Erzählungen in den letzten Gesprächen wirkte ihre Beziehung sehr solide und harmonisch.

      Vielleicht war es einfach nur Lilos Dickkopf, dachte Poppi. Wenn sie sich etwas einbildete, musste es geschehen. So war das immer schon gewesen. Als Erwachsene war es bei Lilo nur noch schlimmer geworden.

      DIE E-MAIL

      Von: Dominik Kascha

      An: Lilo Schroll, Axel Klingmeier, Poppi Reder

      Betreff: Hochzeit

      Hallo ihr drei,

      hier meldet sich Nummer vier.

      Die frohe Kunde der bevorstehenden Hochzeit ist bis nach Kanada gedrungen. Was für eine Überraschung. Allerdings halte ich Lilos Idee für nachvollziehbar. Besser jetzt, als dann im Frühling nächsten Jahres womöglich wieder nicht.

      Der Termin trifft sich wunderbar mit meiner Drehpause. Es ist mir eine Ehre, Axels Trauzeuge zu sein und ich würde niemals auf diese Auszeichnung verzichten.

      Es rührt mich sehr, wenn ich überlege, wie lange es gedauert hat, bis Lilo und Axel endlich erkannt haben, was viele andere immer schon gewusst hatten. Doch wie heißt es so schön: Gut Ding braucht Weile.

      Es ist schon wieder so viel Zeit vergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Die Rolle im neuen James Bond habe ich damals nicht bekommen, aber der Caspar Jones in Fools Unlimited ist mir ohnehin lieber. Es wurde schon eine zweite und eine dritte Staffel in Auftrag gegeben. Das bedeutet, ich werde die nächsten beiden Jahre in Toronto verbringen.

      Viel hat sich in meinem Leben getan. Ich wollte euch manchmal darüber bei unseren Skype-Treffen erzählen, aber nie erschien mir der Moment richtig.

      Darum freue ich mich so sehr auf das Wiedersehen. Meine Neuigkeiten möchte ich euch mitteilen, wenn wir einander von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen. Vorweg: Eine Hochzeit ist auch für mich in greifbare Nähe gerückt und Nachwuchs gibt es auch.

      Außerdem wird es Zeit, dass ich …

      Dominik nahm die Hände von der Tastatur des Laptops, lehnte sich im Sessel zurück und blickte zur Decke.

      Es wurde an die Tür seines Trailers geklopft.

      »Ja, was gibt’s?«, fragte er.

      »In zehn Minuten Szene 010947«, rief die Set-Runnerin von draußen. Ihre Aufgabe war es, die verschiedenen Schauspielerinnen und Schauspieler rechtzeitig ins Studio zu bekommen, was mit dem Hüten eines Sackes voller Flöhe zu vergleichen war.

      »Komme gleich!«, rief Dominik. Er überflog die E-Mail und verzog das Gesicht. Axel würde seine Ausdrucksweise wieder als »kariertes Quatschen« bezeichnen. Außerdem würden Dominiks Andeutungen bestimmt zahlreiche Anrufe und E-Mails der neugierigen Poppi zur Folge haben. Wollte er jetzt schon mehr verraten?

      Pflichtbewusst griff Dominik nach seinem iPad, öffnete es und tippte auf das Manuskript, das er in einer speziellen App für Serienschauspieler gespeichert hatte. Er gab die Szenennummer ein und sofort erschien sein Text für die Szene. Er hatte ziemlich viel Dialogtext, den er besser noch einmal durchsah.

      Zuerst wollte er die E-Mail speichern, später ein wenig überarbeiten und dann absenden. Er entschied sich schließlich aber anders und drückte auf »Löschen«. Seine Freunde mussten sich gedulden. Sie würden alles zeitgerecht erfahren. Beim Gedanken an das Gespräch bekam Dominik leichtes Herzklopfen.

      Unsinn, sagte er leise zu sich selbst. Es gab keinen Grund, nervös zu sein.

      EINE IDEE

      Veronika Wunderer saß in dem engen Büro hinter der Rezeption und starrte auf den Bildschirm des Computers.

      Beim Googeln der Schlagworte »besondere Hochzeit« hatte sie ein paar Hunderttausend Einträge gefunden. Sie würde sich später am Abend auf Pinterest alle Boards ansehen, die sich mit diesem Thema beschäftigten. Im Augenblick las sie Erlebnisberichte von jungen Paaren: Was ihnen an ihrer Hochzeit besonders gefallen hatte und was sie sich anders gewünscht hätten.

      Wenn sie damit fertig war, würde sie sich auf Youtube Videos von Hochzeitsplanern vornehmen und zur Auflockerung ein paar Videos mit den peinlichsten Hochzeitspannen ansehen.

      Veronika streckte sich und sah zum Fenster hinaus. Erst vier Uhr und die Sonne versank schon hinter der Bergkette. Oben auf dem Kamm glänzten die Reste des ersten Schnees, der vor drei Wochen gefallen war.

      Auf der Anzeige der Wetterstation, die auf ihrem Schreibtisch stand, konnte sie alle Werte lesen, die von den verschiedenen Messstationen rundum gefunkt wurden.

      Temperatur: fünf Grad Celsius auf dem höchsten Gipfel.

      Veronika hätte sich null Grad gewünscht und Schneefall. Drei schneearme Winter hatten das Hotel an den Rand des Ruins gebracht. Dazu war im März Corona gekommen und der Skandal um die Infektionen in der Après-Ski-Bar in Ischgl. Sie hatten nicht nur die Saison um einige Wochen früher als geplant beenden müssen, bisher waren für diesen Winter nicht einmal ein Drittel der üblichen Buchungen eingetroffen.

      Aber Veronika hatte eine Idee. Wenn ihr Vorhaben gelang, würde sie dem Hotel zu allen Jahreszeiten Gäste bringen, nicht nur Skifahrer im Winter und ein paar Wanderer im Sommer.

      Die Bürotür wurde aufgerissen und ihr Vater stapfte herein. Er würdigte sie keines Blickes, sondern steuerte ein Regal an der Wand an, das vom Boden bis zur Decke mit Aktenordnern vollgestopft war.

      »Schönen Tag, dir auch, Vater«, grüßte Veronika mit sarkastischem Unterton.

      Herr Wunderer drehte nicht einmal den Kopf zu ihr, sondern ließ den Zeigefinger auf den Ordnern von einem Schild zum nächsten gleiten.

      »Suchst du etwas?«, fragte Veronika höflich. Sie musste sich sehr beherrschen, nicht loszubrüllen.

      »Du hast keine Ahnung, wie üblich«, knurrte ihr Vater. Er war klein und gedrungen und selbst mit ausgestreckten Armen reichten seine Hände nicht bis zu den obersten Regalen. Veronika sah ihm zu, wie er versuchte, sich auf die Zehen zu stellen. Sein Übergewicht und die Steifheit in seinen Gelenken, die viel Alkohol und fettes Essen hervorgebracht hatten, machten sich bemerkbar.

      Knurrend zog Herr Wunderer einen Stuhl heran, um ihn als Trittleiter zu verwenden. Seine Beine waren zu kurz und unbeweglich, um hinaufzusteigen.

      »Soll ich dir helfen?«, bot Veronika an.

      »Den violetten Ordner aus dem vorletzten Fach. Den zweiten von rechts.« Er deutete ihr, sich zu beeilen, hatte sie aber noch immer nicht angesehen.

      »Was ist drinnen?« Veronika ging zu ihm und angelte ihn herunter. Sie war fast zwei Köpfe größer als ihr Vater und außerdem gut trainiert.

      Herr Wunderer entriss ihr den Ordner. »Ich habe gerade ein gutes Geschäft gemacht. Ohne meine Geschäfte könnten wir schon zusperren, aber zum Glück habe ich vorgesorgt, damit wir uns wenigstens Brot leisten können, wenn es schon für die Butter nicht mehr reicht.«

      Veronika betrachtete den Ordner im Arm ihres Vaters prüfend. Sie hatte ihn natürlich dort oben stehen gesehen, aber nie einen Blick hineingeworfen. Der alte Aktenschrank war ein Relikt aus der Zeit, als ihre Eltern das Hotel allein und auf ihre Art geführt hatten. Halbherzig hatten sie die Geschäfte vor zwei Jahren an Veronika übergeben, genau in der Zeit, als die Krise in der ganzen Region beonnen hatte. Es wunderte Veronika nicht, dass die Eltern ihr die Schuld dafür gaben.

      »Kann ich erfahren, welches ›Geschäft‹ du gemacht hast?« Sie deutete auf den Computer. »Wenn es sich um Zimmerbuchungen handelt, müsste ich sie in das Reservierungsprogramm eingeben. Wenn

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