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Naturnähe

      Das Dorf wird zunächst einmal geprägt durch seine Naturnähe. In Feld, Wald und Garten bietet das Dorf eine unmittelbare Chance der Erholung, Entspannung, Freizeitnutzung und körperlichen Betätigung. Dass der dörfliche Garten zu einem Kernbestand des dörflichen Lebens gehört, der von Jung und Alt gleichermaßen geschätzt wird, wird zunehmend auch von den verschiedenen Wissenschaften erkannt und erforscht. Die Naturnähe wird in Umfragen immer wieder als eine der wichtigsten Vorzüge des Landlebens herausgestellt. Nicht nur für die Bewohner des Landes ist die Naturnähe wichtig, sondern für den Staat insgesamt als Freizeit- und Ökologie-Ressource für alle.

      b) Ökonomischer Bestand

      Viele ländliche Regionen haben in den letzten zehn Jahren, was die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt angeht, eine über dem jeweiligen Landesdurchschnitt liegende Entwicklung genommen. Der ländliche Raum verfügt häufig über eine robustere Wirtschaftsstruktur, was auf die hier besonders vorherrschenden, flexibel agierenden mittelständischen Betriebe zurückgeführt wird. Auch die Arbeitslosenquote ist überwiegend niedriger als im Landes- bzw. Bundesdurchschnitt. In den Dörfern und Kleinstädten haben wir einen relativ hohen ökonomischen Standard bzw. Wohlstand, der aber nicht unbedingt aus allen Statistiken (wie z. B. Kaufkraft, Einkommen) ablesbar ist. So haben wir im ländlichen Raum eine sehr hohe Eigenheimquote (ca. 80 Prozent), die mehr als doppelt so hoch wie in den Großstädten liegt. Ein Plus der ländlichen Räume sind auch seine zuverlässigen und motivierten Arbeitskräfte, wie mir vor Jahren ein Arbeitsamtsdirektor einer ländlichen Region versicherte.

      Insgesamt hängt die wirtschaftliche Prosperität ländlicher Räume nicht mehr entscheidend von der Entwicklung des primären Sektors ab, also von der Land- und Forstwirtschaft, sondern in erster Linie von der gewerblichen Produktion, die vor allem im Mittelstand angesiedelt ist, der inzwischen auch auf der internationalen Bühne agiert. Dies gilt z. B. für große Teile Ostwestfalens oder des Sauerlandes. Neben den Betrieben mit ihren Arbeitsplätzen tragen auch informelles Wirtschaften und soziales Kapital wesentlich zum Wohlstand in den Dörfern bei. Dies haben drei Soziologinnen der Universität Bielefeld in dreijährigen Recherchen in zwei Dörfern der Warburger Börde recherchiert. Nachbarschaftshilfe, Haus- und Gartenarbeit sowie die vielfältigen Gemeinwohlleistungen der Vereine machen das Dorf ökonomisch und sozial attraktiv (siehe Abb. 1 auf der folgenden Seite).

      c) Dichte der sozialen Beziehungen, Bereitschaft zu bürgerschaftlichem Engagement

      Die hohe Dichte der sozialen Beziehungen im Dorf wird immer wieder recherchiert und zitiert. Das System der engen und vielfältigen sozialen Netze hat sogar Eingang gefunden in die modernen Dorfdefinitionen, nachdem das alte prägende Merkmal, die Dominanz der landwirtschaftlichen Funktionen, weggefallen ist.

      Neben der Dichte der sozialen Beziehungen ist die hohe Bereitschaft zu ehrenamtlichem bzw. bürgerschaftlichem Engagement besonders dorftypisch. Fast jeder erwachsene Dorfbewohner könnte eine paar ehrenamtliche Tätigkeiten aufzählen, die er oder seine Familie oder Nachbarschaft in seinem Heimatdorf leistet. Immer wieder zu Recht hervorgehoben werden die hohe Vereinsdichte auf dem Lande und die hohe Vereinszugehörigkeit pro Einwohner. Vereine und Ehrenämter tragen und prägen das Dorf.

       Abb. 1: Komplexe Ökonomie des Dorfes Körbecke (Quelle: Baier, A., Bennholdt-Thomsen, V. und B. Holzer: Ohne Menschen keine Wirtschaft. Oekom, München 2005. S. 200)

      d) Infrastrukturausstattung

      Trotz erheblicher Infrastrukturverluste in den zurückliegenden Jahrzehnten, z. B. in den Bereichen Schule, Post, Bürgermeisteramt, Polizeiposten, Gasthöfe und Dorfläden, ist die Infrastrukturausstattung generell auf einem hohen Stand. Dies gilt vor allem für die sogenannte technische Infrastruktur wie Wasser-, Abwasser- und Energieversorgung. Darüber hinaus weisen besonders die Sport- und Freizeiteinrichtungen wie Sport- und Spielplätze, Sporthallen, Tennisplätze und Sportheime sowie Kultureinrichtungen wie Begegnungsstätten, Dorfgemeinschaftshäuser, Heimatstuben, Feste und Brauchtumspflege einen hohen Standard auf. Auch das Angebot an weiterführenden Schulen sowie dem ÖPNV hat sich in den letzten Jahrzehnten verbessert (siehe Abb. 2 auf folgender Seite).

      e) Demographischer Aufbau

      Der demographische Aufbau unseres Staates ist schon länger keine Pyramide mehr, die unten durch Geburtenzuwächse immer breiter wird. Dies gilt auch für ländliche Regionen. Nur ist hier die nachwachsende Schicht immer noch deutlich breiter als in Großstädten. Wir haben auf dem Lande immer noch Geburtenüberschüsse, d. h. auch eine deutlich höhere Geburtenrate als in den Großstädten. Die Dichte der verwandt- und nachbarschaftlichen Beziehungen fördert nach Ansicht der Soziologen die Geburtenquote. Dass auch auf dem Lande die Geburtenraten seit Jahren zurückgehen, darf jedoch nicht verschwiegen werden. Der relativ hohe Bestand an Kindern und Jugendlichen im ländlichen Raum ist allerdings ein fragiles Gut: Nach ihrer in der Regel guten Berufs-, Schul- und Hochschulausbildung verlässt ein Großteil der Jugendlichen seine Heimat. Dieser Verlust an Humankapital, wie die Experten dies nennen, schwächt naturgemäß mittel- und langfristig unsere Dörfer und Kleinstädte.

       Abb. 2: Infrastrukturentwicklung in mittelgroßen Dörfern von 1950 bis heute (Gerhard Henkel 2012)

      f) Ländliche Lebensstile

      Trotz aller Angleichungsprozesse zwischen Stadt und Land in den zurückliegenden Jahrzehnten gibt es auch heute noch wesentliche Unterschiede zwischen dem Stadt- und dem Landleben. Das ist in den letzten Jahren durch verschiedene Studien belegt worden. Ländliche Lebensstile sind natur-, traditions- und handlungsorientiert. Das Arbeiten und Leben im Garten, das Spazierengehen, Wandern und Radfahren in Feld und Wald gehören zum Kernbestand ländlicher Lebensqualität. Dörfliche Lebensstile sind durch eine hohe Dichte sozialer Netze und Kontakte geprägt. Verwandtschafts- und Nachbarschaftshilfe, Engagement in Vereinen und Kirchen sowie Brauchtumspflege spielen im Zusammenleben eine wichtige Rolle und tragen sowohl zum Wohlstand als auch zur Identität in den Dörfern bei.

      Nach einem kürzlich publizierten Bericht in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ kommen auffällig viele Chefs der größten deutschen Unternehmen aus ländlichen Regionen. Als wesentliche Erklärung für dieses Phänomen werden die auf dem Dorf oder in der Kleinstadt erworbenen sozialen und emotionalen Kompetenzen sowie ein auf dem Lande noch vorhandenes „Arbeitsethos“ angeführt, die sich so in der unpersönlicheren und virtuelleren Großstadt nicht erlernen lassen.

      g) Zufriedenheit der Bewohner

      Ein hohes Plus des ländlichen Raumes ist nicht zuletzt die weit überdurchschnittliche Zufriedenheit seiner Bewohner mit ihrem Wohnumfeld. Sie liegt nach wiederholten Umfragen stets zwischen 80 und 90 Prozent und damit etwa doppelt so hoch wie in den Großstädten. Großstädter möchten übrigens zu 40 bis 45 Prozent lieber im Dorf als in der Großstadt leben. In einer kürzlich durchgeführten 1-live-Umfrage unter jungen Leuten, von der mir mein Sohn berichtete, wurde die Frage gestellt: „Was findet ihr besser: Leben in der Stadt oder Leben auf dem Dorf?“ Gut zwei Drittel der Antwortenden bevorzugten das Leben auf dem Lande. Eine Theorie aus den Wirtschaftswissenschaften besagt übrigens, dass Wirtschaft sich dort ansiedelt, wo Menschen sich wohl fühlen und ein Umfeld vorfinden, das ihnen erlaubt, produktiv zu sein.

      Eine andere interessante Facette der Zufriedenheit ist kürzlich in einer Studie der Universität Münster herausgearbeitet worden, und zwar die Sicherheit im Wohnumfeld, die von der Bevölkerung als wichtiger Vorteil des Landlebens angesehen wird.

      2.2 Schwächen unserer Dörfer und Kleinstädte

      a)

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