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Laudato si‘ eingehend dargelegt hat.28

      Ebenso wichtig wie die Einfachheit sind Franziskus die Freude und die Barmherzigkeit. Bereits seine Programmschrift Evangelii gaudium, mit der er eine neue Etappe der Evangelisierung anstoßen möchte, steht unter dem Vorzeichen der Freude.29 Unter der Überschrift „Die Freude des Evangeliums“ schlägt das Eröffnungskapitel einen positiven Grundakkord an. Danach soll jeder Christ von jener tiefen Freude geprägt sein, die die Begegnung mit Jesus schenkt und die ihn dazu drängt, andere daran partizipieren zu lassen.

      Das Motiv der Freude durchzieht die päpstlichen Ansprachen und Verlautbarungen wie ein roter Faden. Nicht nur in seinen Ansprachen auf Reisen, bei den Generalaudienzen am Mittwoch oder den Frühmessen in Santa Marta kommt er darauf zu sprechen. Bezeichnenderweise findet sich das Wort „Freude“ über Evangelii gaudium hinaus bereits im Titel von drei weiteren wichtigen päpstlichen Verlautbarungen:

      – Mit Datum vom 19. März 2016 wurde das Apostolische Schreiben Amoris laetitia über die Freude der Liebe in der Familie veröffentlicht. Dem Schreiben vorangegangen war die 14. Ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode, die sich mit der Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute befasste.

      – Genau zwei Jahre später, ebenfalls am Josefstag des Jahres 2018, hat Papst Franziskus das Apostolische Schreiben Jubilate et exsultate über den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute herausgebracht. Der Titel „Freut euch und jubelt“ ist den Seligpreisungen der Bergpredigt (Mt 5,12) entnommen. Das vierte Kapitel führt Merkmale der Heiligkeit auf, zu denen – so eine Überschrift – auch „Freude und Sinn für Humor“30 gehören.

      – Die Apostolische Konstitution Veritatis gaudium, „Die Freude der Wahrheit“, vom 27. Dezember 2017 befasst sich mit den kirchlichen Universitäten und Fakultäten. Auch dieses Dokument setzt bei der Freude an, die der Auferstandene schenkt; es sei die tiefste Sendung der Kirche, diese Freude „ohne Unterlass und mit immer neuer Leidenschaft zu bezeugen und zu verkünden“31, auch im akademischen Kontext.

      Schließlich zur Barmherzigkeit: Thematisch steht sie im Mittelpunkt des jetzigen Pontifikats. Darauf weist der Wahlspruch Miserando atque eligendo, „aus Barmherzigkeit erwählt“, hin.32 Immer wieder verdeutlicht der jetzige Papst, wie sehr ihm die Barmherzigkeit am Herzen liegt: etwa durch seine erste größere Reise, die ihn nach Lampedusa führte, um auf das Schicksal von Ertrunkenen im Mittelmeer aufmerksam zu machen, oder das kirchenrechtliche Schreiben Mitis Iudex Dominus Iesus, „Der milde Richter Herr Jesus“, vom 15. August 2015 zur Erleichterung von Ehenichtigkeitsverfahren. Bisheriger Höhepunkt seines Pontifikats war das Jahr der Barmherzigkeit vom 8. Dezember 2015 bis zum 20. November 2016. Die Verkündigungsbulle Misericordiae vultus, „Das Antlitz der Barmherzigkeit“, liefert eine kompakte Theologie der Barmherzigkeit, ist sie doch „der letzte und endgültige Akt, mit dem Gott uns entgegentritt“33 und der „Tragebalken, der das Leben der Kirche stützt“34.

      Der Nucleus einer Berufung

      Der Grund, weshalb für Papst Franziskus die Barmherzigkeit, die Freude und die Einfachheit zentral sind, findet sich in seiner Biographie.35 Das Schlüsseldatum ist der 21. September 1954. An diesem Dienstag will sich der damals 17-jährige Jorge Mario Bergoglio eigentlich mit Kameraden seiner Heimatstadt Buenos Aires treffen, um mit ihnen einen schönen Tag zu verbringen. Vorher hat er jedoch, wie sonst manchmal auch, seiner Pfarrkirche San José de Flores einen Besuch abgestattet. Als er die Kirche betritt, zieht es ihn förmlich in den Beichtstuhl, in dem gerade ein älterer Priester sitzt. Dort macht er eine Beichterfahrung, die sein ganzes Leben verändern wird und die ihn auch dazu veranlasst, Priester werden zu wollen: „In dieser Beichte ist etwas Seltsames passiert. Ich weiß nicht, was es war, aber es hat mein Leben verändert. Ich würde sagen: Es hat mich getroffen, als ich offen und ungeschützt war (…). Es war die Überraschung, das maßlose Erstaunen über eine wirkliche Begegnung. Ich merkte, dass ich erwartet wurde. Das ist die religiöse Erfahrung, das Erstaunen darüber, jemandem zu begegnen, der dich erwartet.“36 Er fügt noch an, dass ihn nicht allein das „Erstaunen über die Begegnung“ zutiefst angerührt hat, sondern ebenso die barmherzige Weise, wie ihn Gott damals ansprach.

      Dieses Widerfahrnis, das mit einer ungeahnten inneren Freude einhergegangen ist, spiegelt sich im Wahlspruch des jetzigen Papstes. Denn der 21. September – und somit auch jener denkwürdige Tag des Jahres 1954 – ist das Fest des hl. Matthäus und damit jenes Zöllners, den Jesus unerwartet in seine Nachfolge berufen hat (vgl. Mt 9,9). Die Feier der Tagzeitenliturgie sieht für diesen Tag in der Lesehore einen Abschnitt aus einer Predigt des Beda Venerabilis vor, in der es heißt: „Jesus sah einen Mann namens Matthäus am Zoll sitzen und sagte zu ihm: ‚Folge mir nach!‘ Er sah ihn nicht so sehr mit dem Blick seiner leiblichen Augen, als vielmehr mit dem inneren Blick seines Erbarmens. Er sah den Zöllner, und weil er ihn mit dem Blick des Erbarmens und der Erwählung (im Lateinischen steht hier miserando atque eligendo) anschaute, sprach er zu ihm: ‚Folge mir nach!‘“37 Wenn der Papst seinen Leitspruch diesem Text entnommen hat, dann drückt er damit aus, sich in dem biblischen Zöllner Matthäus wiederzufinden, den Jesus aus reiner Barmherzigkeit und Liebe in seine besondere Nachfolge und damit zu einem Leben nach den evangelischen Räten berufen hat.

      Unterschiedliche Wege – eine Mitte

      Auch wenn Papst Franziskus die Trias von „Freude, Barmherzigkeit und Einfachheit“ nicht explizit erwähnt, sind die drei Aspekte für ihn und seine Spiritualität nicht weniger wichtig als für Frère Roger, der der Trias in der Regel von Taizé von Anfang an den gebührenden Platz eingeräumt hat. Beide waren recht jung, der eine 17 und der andere etwa 23 Jahre alt, als sie zu einer ähnlichen Gewissheit dessen gelangt sind, was den christlichen Glauben im Kern ausmacht. Beiden wurde diese Gewissheit mittels einer Glaubenserfahrung geschenkt, die sich – so scheint es zumindest von außen – beim jetzigen Papst schlagartig ereignet und beim Prior von Taizé eher als innerer Prozess vollzogen hat. Beide Protagonisten gehören unterschiedlichen Konfessionen an. Gleichwohl verbindet sie eine mit einer tiefen inneren Freude verbundene Erfahrung der Barmherzigkeit und Liebe Gottes, die sie dazu ermächtigt und verpflichtet, ihr Christsein in einem einfachen und von Güte getragenen Lebensstil zu verwirklichen. Damit signalisieren sie über die Konfessionsgrenzen hinweg, dass es auf dem Weg der Nachfolge Jesu Christi und in seinem Geist eine tiefere kirchliche Einheit hier und jetzt bereits geben kann.

      1 Die Regel von Taizé 1952–1953, in: Frère Roger, Die Grundlagen der Communauté von Taizé. Gott will, dass wir glücklich sind (Gesammelte Schriften von Frère Roger, Bd. 1). Freiburg – Basel – Wien 2016, 73–97, bes. 80.

      2 Ebd., 77. Der Gefahr einer solchen Beschränkung ist er sich sehr wohl bewusst: „Du könntest deine Freiheit zum Vorwand nehmen, um deinen eigenen Impulsen zu folgen.“ Ebd.

      3 Ebd., 84.

      4 Ebd. In der zweiten Anweisung des Exerzitienbuches sagt Ignatius von Loyola: „Nicht das Vielwissen sättigt und befriedigt die Seele, sondern das Verspüren und Verkosten der Dinge von innen her.“ Ders., Geistliche Übungen. Übertragung u. Erklärung v. A. Haas. Freiburg – Basel – Wien 1983, 15.

      5 Die Regel von Taizé 1952–1953, 85 [s. Anm. 1].

      6 Vgl. zu Folgendem ebd., 86–90.

      7 Auf diesem Hintergrund sind auch die Ausführungen zur Ehelosigkeit zu verstehen, die zu einer tiefen inneren Freude führen soll. Frère Roger ist sich der Schwere dieser Lebensform bewusst; sie verlangt „unendliche Geduld“. Letztlich ist es Christus selbst, der „die Leidenschaften zu einer ungeteilten Liebe zum Nächsten verwandeln kann“. Ebd., 90.

      8 Vgl. Einführung. Die Quellen von Taizé 2001, in: Frère Roger, Grundlagen, 7 f. [s. Anm. 1].

      9 Vgl. Die Quellen von Taizé 2001, 27 f. [s. Anm. 1].

      10 Ebd., 42.

      11 Dies steht unter der Überschrift „Ein Leben in Einfachheit“. Ebd.,17. Vgl. hierzu auch ebd., 19 f.

      12 Ebd., 44.

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