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Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs. Christian Lutz
Читать онлайн.Название Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs
Год выпуска 0
isbn 9783429063719
Автор произведения Christian Lutz
Жанр Документальная литература
Серия Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge
Издательство Bookwire
Das bedeutet: Der Diskurs mit anderen Wissenschaften ist notwendig, um theologische Inhalte in den wissenschaftlichen Diskurs einzubringen und nicht anderen Wissenschaften gegenüber in Sprachlosigkeit zu verharren. Andere Wissenschaften können dazu beitragen, den rituellen Vollzug und den Kontext der Firmung besser zu verstehen und sie im Hinblick auf die pastorale Praxis besser zu situieren. Dabei muss in einer interdisziplinären Perspektive erstens die Forschungslogik anderer wissenschaftlicher Arbeiten dargestellt werden. Zweitens müssen Ergebnisse anderer Wissenschaften aus dem Blickwinkel der Theologie gegebenenfalls neu interpretiert werden, um das Spektrum an Handlungsmöglichkeiten zu erweitern und so weitere Optionen für die pastorale Praxis zu eröffnen. Und drittens werden die Ergebnisse anderer Wissenschaften als Orte einer möglichen Wahrnehmbarkeit der Offenbarung zu überprüfen sein, was potentiell zu einem besseren Verständnis der Firmung dient. Es gibt verschiedene Perspektiven, die für eine pastoraltheologische, interdisziplinäre Auseinandersetzung mit der Firmung wichtig erscheinen wie interkulturelle, ikonographische, religionspsychologische oder sprachwissenschaftliche Fächer. In der Arbeit werden hierfür Ritualwissenschaften und empirische Sozialwissenschaften gewählt, weil somit die Lebenspraxis und Handlungsformen der Firmanden untersucht werden können.
Die Ritualwissenschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie selbst interdisziplinär angelegt sind40. Dadurch sind Wissenschaftler, die sich mit Ritualen beschäftigen, an den Verständigungsprozess mit anderen Wissenschaften gewohnt und darauf bedacht, von Wissenschaftlern aus anderen Fachgebieten rezipiert werden zu können. In den Anfängen der Ritualwissenschaft wurde die Frage nach Ritualen eng mit der Frage nach Religion oder Gottesdienst verbunden41 und in den letzten Jahrzehnten auf symbolische Handlungen allgemein ausgeweitet. Rituale werden nun verstanden als „lebensweltliche Scharniere, die durch ihren ethischen und ästhetischen Gehalt eine unhintergehbare Sicherheit in den Zeiten der Unübersichtlichkeit gewähren sollen“42. Die verschiedenen Theorien bieten eine Bandbreite an Optionen für eine umfangreiche Diskussion, auch in der Theologie. So plädiert der emeritierte Professor für Exegese des Alten Testaments an der Universität Paderborn, Bernhard Lang, für einen Paradigmenwechsel, da die Ritualtheorie neue Themen, neue Fragestellungen und neue Antworten in die Theologie einbringen kann43. Der Erfurter Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann hat die Potentiale der Ritualwissenschaften für die Liturgiewissenschaft herausgestellt, sie „können nur zum Schaden der Liturgiewissenschaft ignoriert werden“44, allerdings „nicht auf Kosten der theologischen Linie des Faches“45. Im Bereich der systematischen Theologie haben Florian Uhl und Clemens Sedmak Rituale mittels der Perspektive des Symbols fruchtbar gemacht46.
Für eine pastoraltheologische Rezeption von Ritualtheorien erscheint es sinnvoll, sowohl ältere Darstellungen zu wählen, die ein umfangreiches theoretisches Fundament zum Verständnis eines Rituals bieten, als auch neuere Ansätze zu untersuchen, die der Ausweitung des Verständnisses von Ritualen Rechnung tragen. Aus dem Bereich der klassisch gewordenen Ritualtheorien sind dies die Ausführungen Victor Turners, Clifford Geertz’ und Mary Douglas’. Victor Turners berühmtes Werk hebt die kreative Kraft der Rituale hervor. Während Clifford Geertz in der Tradition Max Webers47 die integrative Valenz der Rituale auf die Gesellschaft darstellt, arbeitet Mary Douglas in der Tradition Émile Durkheims48 die integrative Valenz der Gesellschaft auf die Ritualteilnehmer heraus. Aus dem Bereich der Veröffentlichungen jüngeren Datums werden die Darstellungen von Catherine Bell und Ronald Grimes gewählt. Hierbei werden die integrative Valenz der Rituale für den Lebenskontext der Ritualteilnehmer und die transformative Valenz von Ritualen in den Mittelpunkt gestellt.
Anders als die Ritualwissenschaften kann in der Pastoraltheologie auf eine lange Rezeptionsgeschichte empirischer, sozialwissenschaftlicher Arbeiten und Arbeitsweisen geblickt werden. Es wurde sogar die Forderung erhoben, die Praktische Theologie müsse selbst empirisch werden und durch eine empirische Methodologie erweitert werden. Johannes A. van der Ven hat dies als „Intradisziplinarität“49 gekennzeichnet. Die vorliegende Arbeit versteht sich interdisziplinär, indem sie empirische Arbeiten heranzieht und analysiert, um einen längeren Zeitraum zu überblicken und nicht nur zu punktuellen Einsichten zu kommen. Für eine interdisziplinäre pastoraltheologische Auseinandersetzung mit Ergebnissen sozialwissenschaftlicher Arbeiten werden sowohl Religionssoziologien ausgewählt, die das Thema Transzendenz / Religiosität auf umfassende Weise behandeln, als auch einzelne empirische Umfragen.
Bei den empirischen Umfragen wurde darauf geachtet, Arbeiten aus dem akademischen Bereich zu wählen sowie Studien, die im direkten Auftrag der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland erstellt wurden. Damit soll auch die Meinung des Pädagogen Heiner Barz, der an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf lehrt, überprüft werden, Studien im Auftrag der Kirche oder theologischer Fakultäten betrieben Schönrederei50. Die empirischen Studien theologischer Fakultäten von Hans-Georg Ziebertz und Andreas Prokopf, die Untersuchung der Religiosität Jugendlicher der Pädagogen Heinz Streib und Carsten Gennerich und die soziologischen Studien von Christoph Bochinger, Martin Engelbrecht und Winfried Gebhardt decken den Zeitraum der Jahre 2003 - 2011 ab. Die Studien Milieus-praktisch und Wie ticken Jugendliche? aus den Jahren 2008 und 2012 sind von kirchlichen Einrichtungen in Auftrag gegeben worden. Gemeinsamkeiten zeigen sich in diesen Studien in der Typologisierung der Religiosität Jugendlicher, in der Bedeutung subjektiver persönlicher Erfahrung und der Ablehnung eines antropomorphen Gottesbildes. Deshalb werden zur weiteren Auseinandersetzung mit jugendlicher Religiosität soziologische Entwürfe gewählt, die das Thema der Transzendenzerfahrung in den Mittelpunkt stellen sowie Arbeiten, die sich mit dem Phänomen persönlicher Religiosität beschäftigen. Als Folie zur Darstellung der Religiosität Jugendlicher werden Darstellungen der Religiosität der Kindheit untersucht, was die Dynamik des Entwicklungsprozesses von der Kindheit ins Jugendalter deutlich macht.
Zur Verknüpfung der einzelnen wissenschaftlichen Beiträge dient ein Raster von Kriterien zum Fokussieren und zur Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Disziplinen. Dieses heuristische Raster enthält sachthemen, die sowohl theologische als auch anthropologische Bedeutung haben und mit deren Hilfe sowohl ritualtheoretische als auch empirische Arbeiten befragt werden. Die Kriterien werden aus der Analyse der Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils hergeleitet und anhand theologischer, ritualtheoretischer und empirischer Beiträge überprüft. Dadurch werden die Einsichten der verschiedenen wissenschaftlichen Beiträge für das schlusskapitel gebündelt. Es handelt sich dabei um die folgenden 8 Kriterien: Biographie, Gemeinschaft, Gottesbild, Gabe und Aufgabe, Glaubensleben, Kommunikation, Passageritual und Alter. Grundsätzlich geht es dabei um Fragen, in theologischen, ritualtheoretischen und empirischen Beiträgen dargestellt und diskutiert werden können:
Tabelle 1: Erklärung der Kriterien
Das Kriterium… | .thematisiert Aussagen zu. |
Biographie | …der individuellen, persönlichen Entwicklung eines Menschen. |
Gemeinschaft | …der Gemeinschaft von Glaubenden oder der Gesellschaft, innerhalb derer ein Ritual durchgeführt wird. |
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