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result will follow from any new combination […].“30

      Diese Überlegung führt Mill zur folgenden begrifflichen Unterscheidung: Kann eine Eigenschaft bzw. eine Wirkung, wie im Beispiel der chemischen Reaktion, nicht als ‚Summe‘ aller an ihrer Hervorbringung beteiligten Einzelfaktoren verstanden werden, so spricht Mill von einer heterogenen Eigenschaft bzw. Wirkung. Jene Gesetze, welche den empirisch feststellbaren Zusammenhang zwischen den Ausgangsfaktoren und ihrer gemeinsamen Wirkung beschreiben, werden heteropathische Gesetze genannt. Ist es jedoch umgekehrt, und die Gesamtwirkung ergibt sich – wie im Fall der Addition der Teilgewichte eines zusammengesetzten Körpers – als Summe der Einzelwirkungen, so nennt man sie homogen. Die dazugehörigen Gesetze heißen homopathische Gesetze. Sie können aus den Gesetzen über die Einzelwirkungen gefolgert werden. In der Unterscheidung zwischen homo- und heteropathischen Ursachen und Gesetzen liegt Mills Bedeutung für den britischen Emergentismus. Es sind dabei die heterogen wirkenden Ursachen, welche spezifisch ‚neue‘ Wirkungen hervorbringen. Dabei sind die Gesetze, die diese Wirkung ausdrücken, nicht aus den Teilgesetzen ableitbar.31

      Mills Beispiele beziehen sich in der Regel auf komplexe Systeme mit systemischen Eigenschaften – also solche Eigenschaften, die nur dem System als Ganzem und keinem seiner Einzelteile zukommen. Hierbei beschreibt er insbesondere das Verhalten von Lebewesen und die Eigenschaften chemischer Verbindungen.32 In Bezug auf heterogen zusammenwirkende Ursachen lassen sich mehrere Varianten unterscheiden:

      „[T]hat in some instances, at some particular points in the transition from separate to united action, the laws change, and an entirely new set of effects are either added to, or take the place of, those which arise from the separate agency of the same causes […].“33

      Somit können in einer ersten Variante die ‚neuen‘ Gesetze den Platz der vorherigen Gesetze einnehmen. Dies lässt sich – Mill zufolge – besonders gut am bereits zitierten Beispiel des Wassers zeigen. Hier verbinden sich die Elemente Wasserstoff und Sauerstoff, welche beide gasförmig sind, zu H2O. Dieses aber ist flüssig und nicht gasförmig. Und auch die Teilstoffe des Wassers sind nicht mehr gasförmig. In einer anderen Variante hingegen gelten die Gesetze, denen die Bestandteile eines komplexen Systems für sich genommen folgen, auch innerhalb des Systems. Dieses hat aber darüber hinaus zusätzliche, neue Eigenschaften, die keines seiner Bestandteile besitzt. Mill bezieht sich hierbei besonders auf solche komplexen Systeme wie Organismen, die im Unterschied zu ihren Bestandteilen heteropathische Eigenschaften aufweisen, wie, ‚lebendig‘ zu sein oder ‚atmen‘ zu können. Dennoch folgen die Bestandteile eines Organismus gleichzeitig homopathischen (z.B. mechanischen) Gesetzen.34

      3.1.2 Abgeleitete und letzte Gesetze

      Eine weitere Überlegung Mills ist für die geschichtliche Betrachtung des Emergenzbegriffs von Bedeutung: die Unterscheidung in letzte und abgeleitete Gesetze („[…] ultimate laws, and what may be termed derivative laws.“35).36 Ein Gesetz gilt für Mill dann als erklärt, wenn es auf andere Gesetze zurückgeführt werden kann. Seiner Ansicht nach lässt sich dies aber nur mittels drei Typen der Erklärung von Gesetzen vornehmen37:

      1. Indem man das Gesetz einer komplexen Wirkung auf die Gesetze der Partialursachen und ihr Zusammenwirken zurückführt. Dies bedeutet nichts anderes, als das Ganze als Summe der Einzelwirkungen seiner Teile zu betrachten.

      2. Durch Angabe eines Zwischenglieds, das die Verbindung zwischen dem zu erklärenden Gesetz und den verursachenden Gesetzen herstellt.

      3. Indem man das spezifische Gesetz, das erklärt werden soll, unter ein allgemeineres Gesetz subsumiert.

      In allen drei Fällen wird – Mill zufolge – das zu erklärende Gesetz in solchen Gesetzen aufgelöst, die allgemeiner sind als es selbst.38 In Bezug auf die Gesetzestypen (1) und (2) erscheint diese Behauptung zunächst nicht plausibel. Doch Mill führt an, wann für ihn ein Gesetz allgemeiner ist als ein anderes: So ist ein Gesetz, welches besagt, dass A von C gefolgt wird, weniger allgemein als – zum einen – ein Gesetz, welches besagt, dass A von B gefolgt wird und – zum anderen – ein Gesetz, welches besagt, dass B von C gefolgt wird. Dies begründet er damit, dass im ersten Fall A von B auch dann gefolgt würde, wenn B nicht von C gefolgt wird. Wenn B aber nicht von C gefolgt wird, kann A nicht (über B) von C gefolgt werden. Dies erklärt er in analoger Weise auch für den zweiten Fall (wo B von C gefolgt wird).39 Anders als man es üblicherweise erwarten würde, hält Mill somit nicht jenes Gesetz, in welchem A von C (über B) gefolgt wird, für allgemeiner, sondern jene, welche jeweils nur einen ‚Teil‘ davon (AB oder BC) beschreiben. Er verdeutlicht dies an einem konkreten Beispiel: Ein Gesetz mit dem Inhalt ‚der Kontakt mit einem Objekt verursacht eine Empfindung‘ (AC) ist für ihn weniger allgemein als das Gesetz ‚der Kontakt mit einem Objekt verursacht eine Erregung der Nervenbahnen‘ (AB). Denn das zweite Gesetz könne auch dann erfüllt sein, wenn zwar eine starke Erregung der Nervenbahnen, aber gleichwohl keine Empfindung hervorgerufen werde. Dies sei zum Beispiel dann der Fall, wenn man sich in einer Schlacht Verletzungen zuziehe, ohne dass man diese bewusst empfinde. Aber auch das Gesetz ‚eine Erregung der Nervenbahnen verursacht eine Empfindung‘ (BC) sei allgemeiner als das Gesetz ‚der Kontakt mit einem Objekt verursacht eine Empfindung‘ (AC). Denn die Empfindung könne auch dann hervorgerufen werden, wenn sie gar nicht durch den Kontakt mit einem Objekt verursacht werde, zum Beispiel bei Phantomschmerzen im Falle amputierter Gliedmaßen.40 Nach diesem Verständnis also können nach Mill Gesetze über die drei Typen von Erklärungen auf allgemeinere Gesetze zurückgeführt werden. Der Erfolg dabei ist für ihn jedoch von begrenztem Umfang, denn:

      „What is called explaining one law of nature by another, is but substituting one mystery for another; […] we can no more assign a why for the more extensive laws than for the partial ones.“41

      Dennoch betrachtet er diese Form von Erklärung als sinnvoll, denn jede Zurückführung eines Gesetzes auf ein allgemeineres Gesetz bringe die Wissenschaft einen Schritt weiter:

      „Every such operation brings us a step nearer towards […] comprehending the whole problem of the investigation of nature, viz. […] What are the fewest general propositions from which all the uniformities existing in nature could be deduced?“42

      Alle jene Gesetze, die nach den drei beschriebenen Typen von Erklärungen auf allgemeinere Gesetze zurückgeführt werden können, nennt Mill abgeleitete Gesetze (‚derivative laws‘). Letzte Gesetze (‚ultimate laws‘) hingegen heißen jene, für die keine weitere Erklärung mehr möglich ist.43

      Mill glaubt, dass es prinzipielle Grenzen für die Deduzierbarkeit bestimmter Gesetze gibt. Einige Gesetze sind daher notwendigerweise letzte Gesetze. Dies erläutert er an solchen Fällen, die phänomenale Qualitäten betreffen. Hierbei besteht für ihn eine prinzipielle Erklärungslücke zwischen dem physischen und dem psychischen Bereich, da sich auch durch Erweiterung des Wissens in den Naturwissenschaften nicht erklären lässt, wie und warum ein qualitativer Zustand aus physiologischen Prozessen hervorgeht:44

      „It is therefore useful to remark, that the ultimate Laws of Nature cannot possibly be less numerous than the distinguishable sensations or other feelings of our nature; – those, I mean, which are distinguishable from one another in quantity or degree. […] I do not mean that it might not possibly be shown that some other phenomenon, some chemical or mechanical action for example, invariably precedes, and is the cause of, every phenomenon of colour. But though this, if proved, would be an important extension of our knowledge of nature, it would not explain how or why a motion, or a chemical action, can produce a sensation of colour; and however diligent might be our scrutiny of the phenomena, whatever number of hidden links we might detect in the chain of causation terminating in the colour, the last link would still be a law of colour, not

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