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schwierig sei: „Letztlich liegt wohl die Schwierigkeit, Spiritualität zu umschreiben oder zu definieren, gerade darin, dass damit eine das ganze Menschsein umfassende, die Tiefe der Existenz berührende Dimension angesprochen ist, die nicht in einen Satz zusammengefasst werden kann.“ (Weismayer 2004, S. 189) Mit dem Symbol der „Mitte“ schlägt er einen anschaulichen Versuch vor:

      Könnte man »Spiritualität« in einem sehr allgemeinen Sinn nicht als Suche des Menschen nach seiner Mitte verstehen – und damit auch als das Bemühen um das Leben aus der Mitte der Existenz? Die Suche der Mitte und der Versuch des Lebens aus der Mitte artikuliert und verleiblicht sich notwendig in konkreten Vollzügen, die man als »spirituell« bezeichnen kann, die aber für sich allein nicht die Spiritualität ausmachen. (ebd.)

      Rationalität und Kritikoffenheit sind für ihn wesentlich: „Christliche Spiritualität rechnet mit der Möglichkeit einer Fehleinschätzung. Nicht alles, was »spirituell« und fromm erscheint, verdient dieses Prädikat. Christliche Spiritualität muss bereit sein, sich mit einer kritischen Sonde untersuchen zu lassen, kritische Rationalität ist kein Gegensatz zu Spiritualität.“ (ebd., S. 192)

      Für Leo Karrer ist Spiritualität Umgang mit der und Beziehung zur Wirklichkeit:

      Anthropologisch ist mit Spiritualität jene Gesinnung oder die prozesshaft zu erwerbende Haltung gemeint, mit der sich Menschen der Wirklichkeit stellen, sie erleiden, ertragen oder gestalten. Es geht darum, den eigenen Lebensprozess als Beziehung zu gestalten, die das Verhalten zu sich selber, zur Mitwelt (Mit-Menschen) und zur gesellschaftlichen und kosmischen Umwelt trägt und prägt. (Karrer 2006, S. 385)

      Christliche Spiritualität ist ein gläubiger Umgang mit der Wirklichkeit:

      Im christlichen Sinn kann man Spiritualität als religiöse Gesinnung aus der Inspiration des jüdisch-christlichen Glaubens verstehen, in der sich Menschen zur Wirklichkeit verhalten. […] Christliche Spiritualität bedeutet, ein gestaltendes Verhältnis zu sich selber, zu den Mitmenschen und zur Umwelt zu suchen und zu wagen sowie in alledem zum Gott Jesu. (ebd.)

      Spiritualität ist nicht abgehoben oder weltfern, sondern sie „zeigt vielmehr im ganz gewöhnlichen Humus des Alltags, wovon sich die Seele nährt. […] Spiritualität ist so nicht einfach mit Weltanschauung zu verwechseln.“ (ebd.)

      Der geistliche Autor Willi Lambert gibt eine prägnante Umschreibung von Spiritualität im weiten Sinne:

      Jeder Mensch ist spirituell. Das Wort »Spiritualität« kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Atem – Wind – Geist. Spiritualität ist die Lebendigkeit des Menschen. Spiritualität ist die Antwort auf die Fragen: Wozu, wodurch und wie lebt ein Mensch? Spiritualität ist, wie jemand lebt; sie ist die Weise, wie das Lebensziel sich im Lebensstil ausdrückt. (Lambert 2004, S. 19) f.)

      Der Religionspsychologe und Philosoph William James lieferte bereits 1902 klassische psychologische Beschreibungen von Religiosität, die z. T. ähnlich weit wie ein weiter Spiritualitätsbegriff sind:

      Was also in diesem primären, umfassendsten und tiefsten Sinne wahr ist, könnte man als gottähnlich betrachten, und die Haltung eines Menschen gegenüber dem, was er als die höchste Wahrheit empfindet, könnte man entsprechend als seine Religion identifizieren. Eine solche Definition ließe sich durchaus verteidigen. Religion ist, was immer sie noch sein mag, die Gesamtreaktion eines Menschen auf das Leben. Warum sollte man daher nicht sagen, daß jede Gesamtreaktion auf das Leben eine Religion ist? (James 1902, S. 67)

      Er hielte jedoch einen derart weit gefassten Begriff für unzweckmäßig und den alltäglichen Sprachgebrauch überstrapazierend (vgl. ebd., S. 68). An anderer Stelle meint er, religiöses Leben sei in weitesten Begriffen zu charakterisieren als die „Überzeugung, daß es eine unsichtbare Ordnung gibt und daß unser höchstes Gut in einer harmonischen Anpassung an diese liegt.“ (ebd., S. 85)72

      Der Religionspsychologe und Theologe Herman Westerink sieht Spiritualität als ein breites Konzept des säkularen Zeitalters: „The secular age is the age of the religious after religion, of the sacred after tradition, of belief without belonging“ (Westerink 2012, S. 4). „Spiritualität“ beschreibe die Situation des Religiösen nach der Religion, bezeichne ein Feld (oder vielleicht mehrere Felder), die sowohl traditionelle Formen der Religiosität wie säkular-existentielle Weltanschauungen und Überzeugungen beinhalteten – kein Wunder, dass das Konzept diffus, breit und vage sei (vgl. ebd.). Er schlägt vor, als Grundtypen theistische und nicht-theistische Spiritualität zu unterscheiden und damit eine Reduktion der verschiedenen Dimensionen von Spiritualität auf einen einzigen Prozess (wie z. B. Selbsttranszendenz oder Sinnfindung) zu vermeiden (vgl. ebd., S. 13).

      Das Spektrum Lexikon der Psychologie erklärt die Begriffe folgendermaßen:

      Religion, ein symbolisches System von Glaubensaussagen, Einstellungen, Praktiken und Riten, das sinnstiftend die Fragen menschlichen Daseins zu begründen versucht und mit dessen Hilfe die Menschen zu einer transzendenten Welt und zueinander in Beziehung treten. Aus dieser Beziehung lassen sich normative Verhaltensweisen ableiten. (Spektrum Lexikon 2001a, S. 17)

      Spiritualität, auch: Frömmigkeit, eine vom Glauben getragene geistige Orientierung und Lebensform, die im Gegensatz zur vorherrschenden materialistisch-mechanistischen Weltsicht steht (Spektrum Lexikon 2001b, S. 220).73

      Der Religionspsychologe Jacob A. van Belzen versucht nicht, Spiritualität essentialistisch zu definieren, da sie viele verschiedene Formen kenne, er plädiert „für eine minimale Umschreibung: Spiritualität als Gestaltung der Bezogenheit auf Transzendenz.“ (Belzen 1997, Sp. 210) Diese Umschreibung sei bewusst bescheiden: „In ihr wird nicht postuliert, der Mensch sei von Natur aus spirituell, im Gegenteil: Nicht jeder wird Transzendenz annehmen wollen und sicher nicht jeder wird die Möglichkeit der Kultivierung selbiger Beziehung wahrnehmen wollen. […] In der vorgeschlagenen Umschreibung geht es genau um jene Fälle, in welchen sich von einer mehr oder weniger bewußten und gestalteten Beziehung sprechen läßt.“ (ebd.) Sie sei eine mögliche, aber keineswegs „die einzige Form sinnvollen Lebens“ (ebd., Sp. 211). Und als Teil menschlicher Subjektivität auch der Psychologie zugänglich:

      Spezifisch für den Menschen und als gänzlich menschlich läßt sich Spiritualität als mögliche Form sinnvollen Lebens ohne Zweifel durch die Humanwissenschaften betrachten. Wenn jemand auf eine bestimmte Art spirituell (geworden) ist, hat das mit seinem gesamten Mensch-Sein zu tun, also auch mit seiner Subjektivität, diesem bevorzugten Objekt der Psychologie. Wie alles Menschliche hat auch Spiritualität einen psychologischen Aspekt. (ebd.)74

      Kenneth I. Pargament und andere namhafte Religionspsychologen stehen funktionalen Definitionen von Religion oder Spiritualität kritisch gegenüber:75 Der substantielle Kern dürfe nicht verloren gehen, die besondere transzendente Qualität, sonst finde man sich in einer Nacht wieder, in der alle Katzen grau seien (vgl. Pargament 1999, S. 10) f.), Definitionen würden dann ungeeignet breit und nichtssagend (vgl. Zinnbauer et al. 1999, S. 904).76 Für den substantiellen Kern und gemeinsamen Nenner von Religiosität und Spiritualität verwenden Pargament und Peter C. Hill den Begriff das Heilige (the sacred) (vgl. Hill u. Pargament 2003, S. 65). Dieser Begriff werde inklusiv verwendet und bezeichne nicht nur direkt göttliche Vorstellungen, sondern alles, was mit dem Göttlichen in Verbindung sei oder gottähnliche Qualitäten wie Transzendenz, Immanenz, Grenzenlosigkeit oder äußerste Bedeutung habe (vgl. Pargament et al. 2013a, S. 14)77. Wahrnehmungen des Heiligen würden Gefühle wie Respekt und Verehrung wachrufen; deshalb seien z. B. selbst zentrale Weltanschauungen (strongly held ideologies) oder Lebensstile (highly elaborated lifestyles) nicht als Spiritualität zu bezeichnen, da sie nicht mit solchen Empfindungen verbunden seien (vgl. Hill et al. 2000, S. 64). Aus ihrem Definitionsvorschlag für Religion und Spiritualität (ebd., S. 66) ergebe sich als gemeinsamer Nenner die Suche nach dem Heiligen: „both spirituality and religion include the subjective feelings, thoughts, and behaviors that arise from a search for the sacred.“ (ebd., S. 68)78

      Das

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