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und hinterlässt dabei unablässig Spuren in der Lebensgeschichte. Die theopoietische Seelsorge pendelt deshalb immer zwischen zwei grundlegenden Haltungen: Sie ist abwechselnd „kontemplativ“ und „deiktisch“.3 Kontemplativ ist sie im Sinne des achtsamen und sorgsamen Hinschauens auf die Präsenz und das Mühen Gottes. Gemeinsam schauen die Gesprächspartner(innen) nach Spuren von Gottes Wirken in der Lebensgeschichte. Gemeinsam suchen sie Gottes Gegenwart und versuchen, seine Selbstoffenbarung von anderen Wirkungen zu unterscheiden. In dieser kontemplativen Phase „steigt“ der/die Seelsorger(in) so unvoreingenommen wie möglich in die Lebenserzählung „hinein“ und sucht sie zusammen mit Hilfe des Gesprächspartners bzw. der Gesprächspartnerin zu erkunden. Zusammen wenden sie sich Gottes Gegenwart und Wirken im konkreten Erleben und Handeln zu. Der/Die Seelsorger(in) verzichtet in diesem ersten Schritt auf jegliche Deutungen oder Bewertungen. Es geht ganz und nur darum, den/die Gesprächspartner(in) aus seiner/ihrer eigenen Erzählung heraus zu verstehen. Dieses „kontemplative“ Handeln des Seelsorgers bzw. der Seelsorgerin ist Bedingung dafür, von „Seelsorge“ sprechen zu können – im Unterschied zu anderen Formen der Lebensbegleitung. Gott muss in diesem ersten Schritt nicht ausdrücklich benannt werden. Seelsorge wird nicht durch religiöse Vokabeln zur Seelsorge. Entscheidend ist die Haltung, die auf Gottes Arbeiten hinspürt.

      Damit ist Seelsorge schon wirklich Seelsorge, aber sie schöpft noch nicht alles aus, was Seelsorge kann. Je nach Situation – die Theolog(inn)en nennen das Kairos –, je nachdem, ob der/die Gesprächspartner(in) offen genug ist und ob der/die Seelsorger(in) einen Zugang findet, erfolgt ein zweiter Schritt mit einer anderen, ergänzenden Haltung: Der/Die theopoietische Seelsorger(in) beginnt den Gott der biblischen Tradition nun mit Worten zu nennen. Er/Sie zeigt auf Gott in seinen Wirkungen und gibt Gott im erzählten alltäglichen Geschehen Stimme und Wort. Dies geschieht „hinweisend“: Gott wird aus einer vorsichtigen Distanz heraus gezeigt, quasi vom Rand her.

      Deiktisches Handeln in der Seelsorge „wächst“ immer aus dem Gespräch heraus. Es versucht, verstehbar in Worte zu fassen, was zuvor betrachtet, wertgeschätzt und erkannt wurde: dass Gott arbeitet – in dieser speziellen Situation für diesen Menschen. Der/Die Seelsorger(in) macht sich dabei mit der eigenen spirituellen Erfahrung und religiösen Prägung sichtbar und „zeigt“ auf das hin, was er/sie in seinem(ihrem) Deutesystem „Selbstoffenbarung Gottes“ nennt. Solches seelsorgerliche Handeln ist dabei jedes Mal Experiment – ein Experiment unter Risiko. Denn jedes dieser Gott-Worte gilt nur für diese Situation und nur, soweit der/die Gesprächspartner(in) mitgehen kann. Das deiktische Nennen Gottes ist nicht in einem alltagssprachlichen Sinn „Verkündigung“. Deiktisch zu sprechen bleibt Seelsorge. Es ist ein weiteres religionskreatives Geschehen: Im Moment entsteht aus dem Gespräch heraus ein profilierter Glaubens-Vorschlag. Dabei kommt es einerseits unbedingt darauf an, formelhaft-theologische Redeweise zu vermeiden und unter gar keinen Umständen „fertige“ religiöse Deutungen auf die Erlebnisse „aufzukleben“. Andererseits ist die deiktische Rede dem biblischchristlichen Gott und damit Tradition und Theologie verpflichtet. Diese Spannung zu halten, ist eine spezifische seelsorgerische Kunst.

      Die Chance liegt in der neuen Verknüpfung: Der/Die theopoietische Seelsorger(in) spricht hier und jetzt das existentielle Wort Gottes aus, indem er/sie die in der Lebensgeschichte beobachteten Wirkungen der Arbeit Gottes benennt. Eine solche Seelsorge handelt in einem übertragenen Sinne „sakramental“, entstehen Sakramente doch aus der Kombination eines materiellen Zeichens mit dem deutenden Wort Gottes (z.B. Hostie und Einsetzungsworte). Ähnlich fügt eine theopoietische Seelsorge in ihrem deiktischen Handeln der erfahrenen Wirkung Gottes in der Lebensgeschichte das deutende Wort Gottes hinzu.

       Gottes Wort ist mehr!

      In der theopoietischen Seelsorge sind die Seelsorger(innen) nicht die „Fachleute für Gott“, die aus der Fülle der eigenen Gottesgewissheit und der Beherrschung eines tradierten religiösen Zeichenkodex Anderen etwas geben. Sie sind auch nicht Geburtshelfer(innen), die hervorzubringen helfen, was schon ganz im Anderen angelegt ist. Theopoietische Seelsorger(innen) arbeiten in der Weise der Collage: Sie fügen kreativ das „fremde“, Gott-zeigende Element dem erzählten Leben ihres Gesprächspartners bzw. ihrer Gesprächspartnerin hinzu. Wie in einer Collage kann aus der Wechselwirkung von Lebenserzählung, neuem Verstehen und Deutung ein anderer Sinn entstehen. Dieser ist einmalig, unverfügbar. Indem sie auf eine Lebenserzählung trifft, macht die Erzählung des Evangeliums Sinn – oder auch nicht.

      Probehalber einer Lebenserzählung in einer seelsorgerlichen Collage ein Element des Wortes Gottes hinzuzufügen, ist jedoch nie eine einfache Bestätigung oder lediglich „interessante“ Erweiterung des erzählten Selbstbildes. Das wäre zu wenig. Das Wort Gottes ist mehr. Es entwickelt aus sich heraus eine Kraft, die zu einem heilen, heil werdenden, letztlich heilig werdenden Leben drängt. Diese Bewegung in einem Leben anzustoßen, ist die besondere Gnade der Seelsorge. Theopoietische Seelsorger(innen) brauchen dafür, gerade wenn sie mit religiös sprachlosen Menschen im Gespräch sind, eine breit fundierte Kenntnis der Wort-Offenbarung in der Heiligen Schrift und Wissen über die geistlichen und theologischen Traditionen der Kirche. Aus dieser Kenntnis und ihrer eigenen glaubenden Erfahrung schöpfen sie das „Material“, um die Lebenserzählung ihres Gesprächspartners bzw. ihrer Gesprächspartnerin mit Glaubenselementen in Kontakt zu bringen. Sie benötigen dazu mehr als gute theologische Kenntnis über Gott. Sie brauchen persönliche Erfahrung mit seiner wirksamen Gegenwart und eine lebendige Gottesbeziehung. Ihr eigenes geistliches Leben, ihr eigenes Erleben Gottes ist eine wesentliche Ressource für eine menschen- und gottfreundliche Seelsorge.

      1 Ignatius von Loyola, Die Exerzitien. Übertragen von H. U. von Balthasar. Einsiedeln 81983, 236. Künftig abgekürzt EB.

      2 H. Denzinger / A. Schönmetzer, Enchiridion Symbolorum (editio XXXIV). Freiburg i. Br. 1965, 58.

      3 Das aus dem Griechischen gebildete Wort „deiktisch“ = „zeigend“, abgeleitet von „Deiktis“ = Zeigefinger, soil diesen tastenden Versuch beschreiben, Gott zu benennen.

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