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praktizierte und durch ihre Arbeit dazu beitrug, die infolge des Krieges zunehmend säkularisierte Gesellschaft von neuem mit dem christlichen Glauben in Verbindung zu bringen und zu prägen. Menschen aus den verschiedensten Berufen und sozialen Schichten kamen in der Missionsgesellschaft zusammen, um im Dienst des Königtums Christi in der Gesellschaft zu wirken.

      Dieser Dienst schloss auch Gesellschaftskritik mit ein. In den gesellschaflichen Umbrüchen, die Österreich nach dem I. WK durchmachte, sprach sich Metzger für einen „christlichen Sozialismus“ aus, der sowohl kapitalismuskritische Züge trug als auch gegen die religionsfeindlichen Tendenzen eines klassenkämpferischen Kommunismus gerichtet war. Weil Christus nach der Überzeugung Metzgers über den Parteien stand, hielt er sich von parteipolitischem Engagement fern. Zugleich versuchte er, zwischen den konkurrierenden Parteien und der katholischen Kirche Brücken zu bauen – was ihm allerdings den massiven Widerstand von Vertretern der verfeindeten politischen Lager einbrachte.

      Metzgers Gesellschaftskritik offenbarte die politische Dimension der Christkönigsthematik. Katholische Spiritualität diente bei Metzger und dessen Missionsgesellschaft nicht nur der Selbstvergewisserung der eigenen Anhängerschaft, sondern tendierte zur Analyse und Behebung der Missstände in allen Bereichen der Gesellschaft, die nicht vom Königsweg der Nächstenliebe geprägt waren, wie sie in der Bergpredigt Jesu aufscheint. Metzger widerstand hierbei der Versuchung, die Rede vom Königtum Christi als polemisches Mittel gegen Andersdenkende zu missbrauchen. Wenn allein Christus König ist, kann sich niemand zum absoluten Herrscher über seine Mitmenschen stilisieren.

       Soziale und politische Implikationen der Christkönigsfrömmigkeit

      Metzgers „Missionsgesellschaft vom Weißen Kreuz“ und spätere Societas Christi Regis verwendete als Leitmotto einen Satz, der betonte, wer das Zentrum dieser Gemeinschaft bildete: „Christus muss König sein!“ (vgl. 1 Kor 15, 25). Metzger ließ sich bei seinem Engagement für die Königsherrschaft Christi von den Worten und Taten des Völkerapostels Paulus inspirieren, der für die Ausbreitung dieser Botschaft seine Missionsreisen unternommen hatte, und nannte sich ab 1919 innerhalb seiner Gemeinschaft „Bruder Paulus“.

      Metzgers Christkönigsverehrung tendierte niemals zu einer Erlangung politischer Macht – dies hätte auch die Herrschaft eines Königs konterkariert, der seine Macht gerade in der Machtlosigkeit am Kreuz ausübte. Wer diesem König nachfolgte, wollte selbst den Armen und Notleidenden beistehen und wurde für deren Nöte sensibilisiert.7 Daraus musste zwangsläufig auch eine politische Haltung erwachsen, die an der Behebung dieser Missstände interessiert war – motiviert durch die Vision von der Königsherrschaft Christi.

      Hier liegt auch der Schlüssel zu Metzgers Verständnis von Politik: Der Generalleiter der Christkönigsgesellschaft suchte den Kontakt zu den gesellschaftlichen Strömungen seiner Zeit. Dabei sollte jegliches sozial-caritative Engagement der missionarischen Verkündigung der Königsherrschaft Christi dienen. Diese Herrschaft ist bereits in der Gegenwart wirksam, ihre Vollendung durch Gott steht aber unter einem eschatologischen Vorbehalt. Im Dienst eines Königs, dessen Herrschaft nicht geteilt ist, suchte Metzger danach, dort zu vermitteln, wo Menschen durch materielle Not, soziale Ausgrenzung, konfessionelle Spaltungen oder politisch motivierte Unterdrückung zu leiden hatten. Der Glaube an den Christuskönig sollte alle Lebensbereiche durchdringen.

      Im Gefolge des Reichskonkordates von 1933 strebten die Nationalsozialisten hingegen danach, die Kirche aus der Gesellschaft zurückzudrängen und somit zu entpolitisieren. Metzgers Beharren auf einem Laienapostolat mit dem Ziel einer Rechristianisierung der Gesellschaft auch unter den Bedingungen des NS-Staates gewann in diesem Kontext eine dezidiert politische Bedeutung – und die darauf folgenden Repressionen durch die Machthaber zeigten, dass diese die Sprengkraft einer solchen Intention erkannt hatten. Die Hinrichtung nach dem Todesurteil durch Freislers Volksgerichtshof beendete Metzgers Leben und bedeutete zugleich eine Kapitulation der Staatsmacht vor dessen Engagement. Die intendierte Gleichschaltung war gescheitert. Metzgers Bekenntnis zur Königsherrschaft Christi ließ ihn gegen den nationalsozialistischen Totalitarismus standhalten. Der Christkönig blieb für Metzger „Herrscher seines Lebens“ bis zu seinem irdischen Ende. Dies verband ihn mit vielen Widerstandskämpfern des Dritten Reiches, die sich aus ihrer christlichen Grundhaltung heraus gegen die nationalsozialistische Diktatur wandten. Deren konfessionsübergreifendes Bekenntnis zu Christus ließ eine Ökumene entstehen, die den späteren Dialoggesprächen schon weit voraus war: „An die Stelle einer Engführung des Märtyrerbegriffs, die diesen Ehrentitel für die Glaubenszeugen des eigenen Bekenntnisses reservierte, trat eine Entkonfessionalisierung, die zu der Einsicht führte, dass die jeweiligen Märtyrer der katholischen, evangelischen und orthodoxen Kirchen Märtyrer der gesamten Christenheit sind. Mehr noch: In den gemeinsamen Märtyrern ist die ungeteilte Christenheit präsent und die Spaltung der Kirche im Ansatz überwunden.“8

      Die Christkönigsverehrung, die ab der Einführung des entsprechenden Hochfestes ihre lehramtliche Bestätigung und weltweite Verbreitung erfuhr, war nicht nur eine Frömmigkeitsform, die im rein liturgischen Kontext praktiziert worden ist. Sie führte bei vielen Christinnen und Christen zu einem dezidierten Christusbekenntnis. Die Christkönigsthematik inspirierte Max Josef Metzger in seinem theologischen Denken und wurde zur Leitidee in dessen kirchlich-gesellschaftlichem Wirken. Aus dem Bekenntnis zu Christus als König gewann Metzger die Kraft zum Einsatz für den Frieden in der Welt und für die Einheit der Kirche – bis zur letzten Konsequenz, der Hingabe seines eigenen Lebens.

       Wer sich einsetzt, setzt sich aus

      Gemäß eines Diktums des evangelischen Theologen Friedrich Schorlemmer (geb. 1944) gilt: „Wer sich einsetzt, setzt sich aus.“ Menschen wie Metzger, die sich auf der Grundlage ihres Christusglaubens politisch engagieren und exponieren, tragen dazu bei, dass sich der Glaube nicht auf den Kirchenraum beschränkt, sondern vielmehr Mystik und Politik in eine produktive Spannung gebracht werden. Metzger hat diese Spannungen in seinem eigenen Leben erfahren und ausgehalten. Besser als ein Schlusswort bringt ein Gedicht, das er noch in der Todeszelle verfasst hat, zur Sprache, wie er diese Erfahrung in seinem Leben fruchtbar gemacht hat – im Dienst einer Spiritualität, die Mystik und Politik verbindet:

      Ich muss gestehn, ich hab‘ sie nie gelernt,

      die Kunst, das Krumme – krumm zu lassen!

      Ich konnt‘ im ganzen Leben nicht erfassen,

      dass man bei Notstand höflich sich entfernt (…)

      Was war und bin ich doch ein armer Tor!

      Ich bin kein Arzt, musst‘ immer Kranken helfen;

      war unbezahlbar, entriss das Schaf den Wölfen;

      gen Unrecht trat als Anwalt ich hervor (…)

      Ob nun durch Unglück Weisheit ich gewann?

      Ich fürchte fast, es scheitert am Gewissen –

      ihm hab‘ ich allzeit Treue halten müssen:

      Wer sich dafür nicht wagt, der ist kein Mann!

      Geht euren Weg – ich seh‘ euch ohne Neid –

      ihr klugen Selbstversorger all, ihr Weisen!

      Ich geh‘ den meinen – mögt ihr Narr mich heißen:

      Mich tröstet meiner Seele Seligkeit.9

      K. Lehmann, Der Priester Max Josef Metzger. Gestapo-Haft und Todesurteil. Berlin 2016.

      1 Der vorliegende Beitrag basiert auf C. Heß, „Ohne Christus, ohne tiefstes Christentum ist Krieg“. Die Christkönigsthematik als Leitidee im kirchlich-gesellschaftlichen Engagement Max Josef Metzgers. Paderborn 2016.

      2 W. Baumeister, Max Joseph Metzger: ein Herold Christi des Königs. Meitingen 1951, 13 (Hervorhebung im Original).

      3 M. J. Metzger, Friede auf Erden. Ein Aufruf zur Völkerversöhnung. Graz 1918, 14 (Hervorhebung im Original).

      4 M. J. Metzger, Brief vom 19. August 1943 (B 37), in: K. Kienzler, Christuszeuge in einer zerrissenen Welt: Briefe und

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