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zu sichern,130 weiterhin, wann immer möglich, evangelische Nachbarschaftshilfe in Anspruch zu nehmen. Daneben begann sie, so zügig es die Nachkriegsverhältnisse zuließen, kircheneigene Räumlichkeiten für die Durchführung des Religionsunterrichtes in den Gemeinden zu errichten.131 Die Frage des Religionsunterrichtes in der Schule betraf die Frage des kirchlichen Selbstverständnisses und dessen Unabdingbarkeit für die religiöse Sozialisation.132

      Es gibt genügend Zeugnisse dafür, die zeigen, dass sich die Kirchenleitungen, nicht nur per Lippenbekenntnis, um die Zulassung der Bekenntnisschule bemühten.133 Auch Erzbischof Jaeger in Paderborn schaltete sich mit offiziellen Anfragen an die SMAD in das Ringen um die Wiederherstellung der Weimarer Verhältnisse in der Schulfrage ein.134 Dennoch wurde schon bald klar, dass sich alle Hoffnungen nicht erfüllen würden.135 Dass man sich wie bereits in der Zeit des Nationalsozialismus auf die Pfarrseelsorge zurückziehen und nun erneut die Hoffnung auf die Bekenntnisschule aufgeben musste, löste bei nicht wenigen Seelsorgern Resignation aus.136 Die Kirchenleitungen versuchten dennoch die auch die Bevölkerung für eine Zulassung des Religionsunterrichtes zu mobilisieren.137 Von der nur langsam verblassenden Hoffnung auf eine reibungslose Durchführung des katholischen Religionsunterricht an den staatlichen Schulen genährt, absorbierte das politische Ringen um den Religionsunterricht in der Nachkriegszeit derart viele Kräfte, dass scheinbar für eine umfassende pastorale Standortbestimmung in der Kinder- und Jugendseelsorge nicht genug Energie zur Verfügung stand.

      Das Ringen um den Religionsunterricht an der achtklassigen Volksschule war im engen Sinn kein Thema der Jugendseelsorge. Die Schulentlassung und die Aufnahme in die katholische Jugend verliefen meist parallel. Der weitaus größte Teil der Jugendlichen hatte die Schule mit 14 Jahren bereits verlassen. Erst mit der Einführung der zehnklassigen Polytechnischen Oberschule hätte es zu Berührungspunkten zwischen Jugendseelsorge und Religionsunterricht an der Schule kommen können, doch zu diesem späteren Zeitpunkt hatten die politischen Entwicklungen grundlegend andere Verhältnisse geschaffen. Der Religionsunterricht war zu diesem Zeitpunkt weitestgehend auf den Raum der Kirchengemeinde ausgewichen. Mit der Verbannung der Kirche aus der Schule ergab sich notgedrungen ein besonderes Schwergewicht für die Kinder- und Jugendseelsorge in der Pfarrei, woraus unter anderem die religiösen Kinderwochen und die Jugendfreizeiten entstanden sind.138

       4.1.2 Selbständig organisierte Pfarrjugendseelsorge

      Dem staatlichen Anspruch, mit der neugegründeten FDJ das einzig mögliche Angebot organisierter Jugendarbeit in der SBZ bereitgestellt zu haben, stand das Interesse der katholischen Kirche nach „eigenorganisierter“ Jugendseelsorge entgegen.139 Bereits früh entschieden sich die Verantwortlichen im Kommissariat in Absprache mit der kirchlichen Leitung in Paderborn, keine organisierte katholische Jugendarbeit aufzubauen und an der bewährten Pfarrjugendseelsorge festzuhalten.140 W. Weskamm und H. Aufderbeck prägten im Wesentlichen diese kirchenpolitische Linie in der Frage der Jugendseelsorge des Kommissariates Magdeburg und ließen sich davon weder durch den staatlichen Druck aus Berlin abbringen, noch ihre Linie durch die Dezentralisierungsbemühungen der SED aufweichen. Mit der strikten Ausrichtung auf die innerkirchliche Arbeit zog sich die katholische Kirche im Kommissariat frühzeitig aus dem politischen Bereich zurück und ersparte sich damit eine aufreibende Auseinandersetzung mit den sich neu etablierenden Verhältnissen. Damit richtete sich die Jugendseelsorge von Anfang an im Raum der Pfarrei ein, um nicht den Kampf mit der staatlich organisierten Jugendarbeit führen zu müssen. Darüber hinaus wollte sich die Kirchenleitung aber alle anderen Möglichkeiten, solange dies ohne Aufgabe der eigenen Positionen möglich war, offen halten. Vereinzelt blieben Verantwortliche der katholischen Kirche in verschiedenen Gremien und waren in zurückhaltender Art in den ersten beiden Nachkriegsjahren auch in der sich bildenden FDJ präsent.141 Bereits im ersten Werbungsgespräch um eine katholische Mitarbeit in der FDJ zwischen W. Weskamm und dem Leiter des Organisationsausschusses H. Gerats bezog W. Weskamm die klare Position, dass die Pfarrjugend keine Organisation sei, sondern dass sie im Rahmen der Pfarrseelsorge geschehe. Zudem sei sie streng religiös ausgerichtet. Er machte deutlich, dass die religiöse Jugend in der katholischen Kirche nicht im Sinne einer Organisation zu verstehen sei und somit nicht in der FDJ aufgehen könne.142

      Jugendseelsorge musste zwar nach dem Krieg neu organisiert werden, dabei aber nicht grundsätzlich neuartige Strukturen aufbauen. Bereits 1938 war im Erzbistum Paderborn mit der Einrichtung des Jugendseelsorgeamtes ein organisatorischer Rahmen geschaffen worden, auf den auch unter den Bedingungen der SBZ zurückgegriffen werden konnte.143 Für das Kommissariat Magdeburg bedurfte es nunmehr einer Ablösung von den Paderborner Strukturen und der Errichtung eines eigenen Jugendseelsorgeamtes. So wurde aus der Not der Beschränkung ein geschickter, überlebensnotwendiger Schachzug, den die FDJ nicht verhindern konnte.

      Was unter „organisiert“ und unter rein „kirchlich“ zu verstehen sei, wurde in den offiziellen Kontaktaufnahmen von katholischer Kirche und FDJ schon bald zur Streitfrage. Denn bei allen Versuchen, die Kirchen für sich zu gewinnen, wurde von staatlicher Seite aus unmissverständlich klargestellt, dass organisierte Jugendarbeit nur im Rahmen der FDJ erlaubt sei. Während die katholische Seite immer wieder betonte, dass sich die katholische Jugend nicht organisiere und sich ausschließlich zu rein religiösen Zusammenkünften träfe, versuchte die staatliche Seite der katholischen Kirche Grenzüberschreitungen nachzuweisen.144 In den offiziellen Besprechungen zwischen kirchlicher und staatlicher Seite wurde wiederholt auf die enge Interpretation von „rein kirchlichem Raum“ hingewiesen.145 Mitunter gab es in den ersten Jahren auch großzügige landeshoheitliche Interpretationen der religiösen Betätigung. Denn trotz des Organisationsverbotes erlaubte der Präsident der Provinz Sachsen, E. Hübener, ausdrücklich kirchliche Erbauungs- und Unterweisungsarbeit an Jugendlichen auch jenseits des schulpflichtigen Alters sogar in nichtkirchlichen Räumen, was aber den Behörden zu melden sei. Außerdem engte er diese Arbeit auch nicht auf den rein gottesdienstlichen Bereich ein.146

      In dem Maße, in dem katholische Kirche eigene jugendseelsorgliche Aktivitäten entfaltete, entzündeten sich an diesen Aktivitäten die Reibungspunkte zwischen sozialistischen und kirchlichen Stellen. Caritative Arbeit unter den Vertriebenen, Wanderungen, Wallfahrten, Laienspiele,147 sportliche Betätigungen oder Jugendfreizeiten im Rahmen der Pfarrseelsorge gaben genügend Anlass zur Diskussion darüber, was organisiert sei und was nicht. Ein jugendpastoraler Schwerpunkt von W. Weskamm zum Beispiel lag darin, die Jugendseelsorge in Richtung einer caritativen Jugendarbeit auszubauen. Es reiche nicht, wenn sich Jugendseelsorge auf erbauliche Heimabende beschränke.148 Die Früchte der Jugendseelsorge müssten auch in anderen Bereichen zu spüren sein.149 Damit war aber keineswegs eine organisierte Jugendarbeit gemeint, sondern die individuelle Befähigung, das gelebte Apostolat im Alltag auszudrücken. Damit entstanden direkte Reibungspunkte mit den staatlichen Interessen, wenn es z.B. um die Betreuung von Vertriebenen ging, bei der die katholische Jugend besser organisiert und damit viel tatkräftiger zu Werke ging als es die FDJ in der Lage war. Auch durch diesen organisatorischen Vorsprung150 wurde die katholische Jugend mehr und mehr ein Dorn in den Augen der FDJ.

      Im Zusammenhang mit den ersten öffentlichen Gottesdiensten, gemeinsamen Jugendfahrten oder den aufkommenden Wallfahrten nach Kriegsende traten die katholischen Jugendlichen auch wieder außerhalb der Pfarrei in Erscheinung. Diese Präsenz konnte für Außenstehende den Eindruck „organisierter Jugendarbeit“ erwecken. Wenn eine Gruppe von Jugendlichen in uniformer Kleidung, mit ausgerolltem Wimpel151 oder mit anderen kirchlichen Symbolen auftrat, und dadurch die wachsamen Augen der SMAD oder FDJ auf sich zog, erhärtete sich der Verdacht, die katholische Jugend sei doch „organisiert”.152 Eine Reihe von Beispielen belegen, wie in den ersten Monaten nach dem Krieg an alte bündische Traditionen angeknüpft wurde, die diesen Verdacht bestätigten. Selbst wenn solche Traditionen unter den neuen Gegebenheiten auf kurz oder lang nicht aufrechterhalten werden konnten. Schon unmittelbar nach dem Krieg wurden aus den Kellern die versteckten Symbole der bündischen Zeit geholt153 bzw. neue angefertigt.154 Uniforme Kleidung wie weißes Hemd und kurze schwarze Hosen und noch mehr das Austeilen von Silberkreuzen

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