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Dort stand neben der liturgischen und religiösen Erziehung der Jugend109 angesichts der Personalsituation in der Jugendseelsorge auch das Anliegen im Vordergrund, verstärkt Jugendhelfer zu schulen und somit mehr Laien zu aktivieren.110 Die Umsetzung dieser ersten konzeptionellen Anregungen wurde durch die katastrophalen wirtschaftlichen Verhältnisse erschwert. Sobald solche Helferschulungen den Pfarroder Dekanatsrahmen überschritten, behinderte die desolate Infrastruktur der Nachkriegszeit eine Umsetzung. Nur wenige der Jugendlichen erfuhren von den stattfindenden Helferschulungen und noch weniger konnten den Reiseaufwand bewerkstelligen. Daher waren bei vielen Schulungen der Anfangszeit Klagen über die geringen Teilnehmerzahlen zu hören. Das in solchen Kursen vermittelte Handwerkszeug war vor allem auf eine die religiöse Erziehung betreffende Helferarbeit in den Jugendgruppen ausgerichtet. Dazu zählten die moralische Erziehung der Jugend, die Vermittlung von religiösem Wissen und das Erlernen liturgischer Grundkenntnisse. Auch wenn auf den überregionalen Treffen der Jugendseelsorge schon früh erste zentrale konzeptuelle Ansätze entwickelt worden waren, behielt sich nicht nur Magdeburg vor, diese regional zu interpretieren. Das führte dazu, dass von einer einheitlichen Umsetzung einer zentralen Jugendseelsorge in der SBZ wie auch später in der DDR nicht gesprochen werden kann.111 Dazu waren die Partikularinteressen der leitenden Seelsorger in den einzelnen Ordinariatsbezirken und die der Ordinarien doch zu stark ausgeprägt. Davon abgesehen waren die ersten Treffen der Jugendseelsorger noch nicht zu vergleichen mit der Organisation der späteren Sitzungen. Sie lebten noch viel mehr vom Charisma112 der anwesenden Seelsorger als von etwaigen Konzeptionen.113

      4 Der Beginn der eigenständigen Jugendseelsorge im Kommissariat Magdeburg

      Die wichtigsten Aufgaben der Jugendseelsorge bestanden in der Nachkriegszeit nicht im Suchen nach neuen Ansätzen für die Glaubensvermittlung. Alle Energien waren bereits mit der Aufgabe gebunden, sich nach dem Krieg neu zu orientieren. Die anzugehenden Fragen lauteten: Wie groß ist die Anzahl der katholischen Jugendlichen in der grundsätzlich veränderten Situation im Bereich des Kommissariates Magdeburg? Wie und wo ist es möglich, diese Jugend anzusprechen und vor allem den Vertriebenen eine neue Heimat zu geben? Wer ist in der Lage und willens dieses zu tun? Die Herausforderung der Jugendseelsorge im Kommissariat Magdeburg wie auch für alle anderen geteilten Bistümer bestand darin, eine neue Struktur und Organisation in die Arbeit der Jugendseelsorge zu bringen. Außer der strukturellen Neuorientierung im Bereich des Magdeburger Kommissariates waren die katholischen Verantwortungsträger gezwungen, sich mit den neu entstehenden politischen Verhältnissen auseinanderzusetzen und auszuloten, welcher Spielraum für die katholische Jugendseelsorge möglich war.

       4.1 Handlungsspielräume für die katholische Kirche im Kommissariat Magdeburg

      Erschwerend zu den allgemeinen Schwierigkeiten, die für den gesamten Bereich der katholischen Kirche in der SBZ galten, ergab sich für das Kommissariat Magdeburg nach dem Krieg eine Situation wie auch für die Bereiche von Erfurt, Görlitz und Schwerin: Man war durch die Kriegsfolgen von seinem Bistum politisch aber nicht kirchenrechtlich getrennt.114 Mit dem Abzug der Amerikaner und der Besetzung des Gebietes durch die sowjetische Armee wurde das Gebiet des östlichen Paderborner Kirchensprengels, das spätere Kommissariat Magdeburg, vom Erzbistum politisch abgeschnitten. Infolgedessen wurde der Austausch zwischen Magdeburg und Paderborn stark beeinträchtigt. Daneben gab es aber auch noch die gravierenden Einschnitte durch die zerstörte Infrastruktur innerhalb des Kommissariates Magdeburg. Wegen der gesprengten Elbebrücken gab es nur eingeschränkte Verkehrsverbindungen zwischen den Dekanaten links und rechts der Elbe. Dadurch war gerade der Ostteil des Kommissariates durch die Kriegsfolgen für längere Zeit in doppelter Weise in der religiösen Betreuung beeinträchtigt.115

      Solange sich noch keine sozialistische Zentralregierung im Bereich der SBZ gebildet hatte und die Provinzen nicht von SED-Funktionären geleitet wurden, bestanden zunächst vielfältige Formen der gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen staatlichen und kirchlichen Stellen, so auch in Sachsen-Anhalt.116 In den ersten Nachkriegsjahren, in denen die preußische Provinz Sachsen vom kirchenfreundlichen Ministerpräsidenten E. Hübener117 (LDP) und die Abteilung Kirchenwesen von H. Kunisch (CDU) geleitet wurden, galt es für die katholische Kirche noch viele Handlungsspielräume auszuschöpfen oder zu gestalten.118 E. Hübener und H. Kunisch setzten sich immer wieder dafür ein, dass das Recht der katholischen Kirche auf religiöse Erbauungs- und Unterweisungsarbeit an den Jugendlichen nicht angetastet und auch nicht auf den rein rituellen Bereich beschränkt wurde.119 Nach dem Rücktritt von E. Hübener im Oktober 1949 und der Flucht H. Kunischs vor der einsetzenden Säuberungswelle im Bereich der Landesregierung in den „Westen“ im Februar 1950 wurde das Klima zwischen den kirchlichen und staatlichen Stellen viel angespannter. Ließ die Verfassung der Provinz Sachsen-Anhalt den „Religionsgesellschaften“ noch weitgehend die Rechte aus der Zeit der Weimarer Republik,120 wurden diese Zugeständnisse gegenüber den Kirchen mit der Zentralstruktur der entstehenden DDR und der Auflösung der Länderstrukturen ab 1952 wieder aufgehoben. Die praktischen Konsequenzen, die sich aus dem politischen Handlungsspielraum für die Jugendseelsorge im Ostteil des Paderborner Erzbistums ergaben, waren von Anfang an stark einschränkend. Nur wenige Priester im Kommissariat gaben sich der Illusion hin, an die Situation von vor 1933 anknüpfen zu können.121 Nach den bereits frühzeitig gemachten Erfahrungen sahen sie ihre Tätigkeit vor allem auf die Katechese und die Sakramentenspendung, auf den Bereich der „ordentlichen Seelsorge“ eingeengt.122 Trotz aller Einschränkungen versuchte man auch im Kommissariat Magdeburg, die bescheidenen Möglichkeiten so lange als möglich auf dem Verhandlungswege zu verbessern. W. Weskamm123 und H. Aufderbeck waren die maßgeblichen Gesprächpartner für die staatlichen Stellen. Sie versuchten, die wenigen Handlungsspielräume für die Entfaltung der Jugendseelsorge in der Nachkriegszeit zu nutzen.

       4.1.1 Vom schulischen zum außerschulischen Religionsunterricht

      Das zeitweilige Ringen um die Wiederherstellung der Weimarer Verhältnisse im Bereich der SBZ wie auch im Kommissariat Magdeburg wurde vor allem auf der kirchenpolitischen Ebene ausgetragen. Dabei stand zunächst das eingeforderte Recht, katholischen Religionsunterricht an staatlichen Schulen durchführen zu können und katholische Schulen wieder zuzulassen im Zentrum des Bemühens der Ordinarien.124 Wie schon in der Zeit der Weimarer Republik wurde der schulische Religionsunterricht neben der Sakramentenkatechese als wesentlicher Ort der religiösen Sozialisation angesehen. Beide Elemente stellten die Grundlage der Jugenderziehung/Jugendseelsorge dar. Unter den Bedingungen der SBZ aber blieb das Bemühen um die Wiederzulassung der Bekenntnisschulen erfolglos bzw. wurde angesichts der politischen Verhältnisse schon bald zu einem Rückzugsgefecht, in dem es nur noch darum ging, den zugestandenen Religionsunterricht an den Schulen durchführen zu können. Nachdem keine gesetzliche Verankerung der Konfessionsschule ausgehandelt werden konnte, versuchte man nun, wenigstens die Durchführung des Religionsunterrichtes zu sichern.

      Zunächst war die katholische Kirche vielerorts auf die Räumlichkeiten der evangelischen Kirche oder die der staatlichen Einrichtungen angewiesen.125 Anders wäre der Religionsunterricht rein technisch nicht durchführbar gewesen. Erst in den späten fünfziger Jahren war die Infrastruktur der katholischen Kirche derart ausgebaut, dass ausreichend kircheneigene Räume zur Verfügung standen, um den Religionsunterricht auch außerhalb der Schule durchführen zu können.126 Prinzipiell wurde die Möglichkeit zugesichert, den Religionsunterricht in der Schule durchzuführen, entsprechend der Verordnung über den Religionsunterricht vom 1. Oktober 1945 durch den Präsidenten der Provinz Sachsen127 und den Durchführungsbestimmungen zur Verordnung über die religiöse Unterweisung der schulpflichtigen Jugend128 sowie den zugehörigen späteren Ausführungsbestimmungen. Dennoch war die Durchführung des Religionsunterrichtes im öffentlichen Bereich schon bald gefährdet, da die Katecheten und Seelsorger bei der Ausübung des Religionsunterrichtes an den Schulen mit Behinderungen verschiedenster Art konfrontiert wurden.129 Um sich dagegen zur Wehr zu setzen,

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