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der Erfurter Dompfarrer und heutige Weihbischof Reinhard Hauke mit seinem Team innovative Projekte bzw. Ideen wie etwa die „Feier der Lebenswende“ für Jugendliche, die keiner Konfession angehören (also auch nicht gefirmt bzw. konfirmiert werden können), oder eine „Segensfeier zum Valentinstag für alle, die partnerschaftlich unterwegs sind.“18 „Das Ziel dieser Feierformen“, die als „präkatechumenal“ eingestuft sind, besteht nach Hauke „darin, dass sie die Lebensbereiche erschließen, in denen Menschen heute leben, zugleich jedoch bei Kirchenfernen die Hürde der Institution sowie das Gefühl der Bevormundung (!) überwinden wollen (…) Dass dabei auch neue Beziehungen bewusster Entscheidung hin zum Christentum erwachsen können (und auch erwachsen sind), ist möglich und sogar erwünscht, wird aber niemals zur Bedingung gemacht.“19

      Wenn solche Initiativen Nachahmung fänden, wäre die Alternative der Überschrift (Abgrenzung oder Anpassung?) tatsächlich falsch gestellt, weil sich beides – auf verschiedenen Ebenen – als notwendig erweist: Eine Anpassung an die radikal veränderte Realität, in der sich die Kirchenzugehörigkeit vieler Christen extrem gelockert hat, weshalb innovative pastoral-liturgische Angebote (v.a. in den Städten) sinnvoll werden; aber andererseits auch die Abgrenzung auf dem zentralen Feld der Sakramentenpastoral, damit Taufe, Firmung, Eucharistie und sakramentale Eheschließung wieder den Stellenwert erhalten, der ihnen von ihrer Bedeutung her zukommt. Das Thema „Anpassung und/oder Abgrenzung?“ ist nicht neu, es war schon in den Gemeinden der ersten Jahrhunderte virulent. Die Geschichte des frühen Christentums ermutigt jedenfalls dazu, das Weltverhältnis der Kirche(n) auch heute wieder kreativ zu justieren.

      1 F. Dünzl, Fremd in dieser Welt? Das frühe Christentum zwischen Weltdistanz und Weltverantwortung. Freiburg i.Br. u.a. 2015.

      2 Ebd., 506.

      3 Vgl. D. Emeis, Zwischen Ausverkauf und Rigorismus. Zur Krise der Sakramentenpastoral. Freiburg i.Br. u.a. 41993; ebd., 120, Anm. 3 verweist Emeis auf frühere Beiträge zu diesem Thema.

      4 Vgl. etwa B. Leven, Relevanz und Identität, in: HerKorr 70/4 (2016), 4 f.; neuerdings wieder J. Röser, Die Werktagskirche, in: CiG 69/13 (2017), 135 f., hier: 136.

      5 Siehe https://www.facebook.com/kreuzkirche.muenster/posts/916981931710887 (Stand: 24.01.2017). Wiederholt und ausführlich erläutert hat Thomas Frings seine Erklärung in dem lesenswerten Buch: Aus, Amen – Ende? So kann ich nicht mehr Pfarrer sein. Freiburg i.Br. u.a. 2017.

      6 Vgl. z.B. H. Haslinger, Wider den Rückzug aus der Wirklichkeit, in: HerKorr 70/8 (2016), 48–51.

      7 Ebd. 51.

      8 Ebd. 50.

      9 Das Problem und die kirchlichen Reaktionen darauf beschreibt K. Piepenbrink, Christliche Identität und Assimilation in der Spätantike. Probleme des Christseins in der Reflexion der Zeitgenossen (Studien zur Alten Geschichte 3). Berlin 22009, 125–161.

      10 So die Auskunft von U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus. 1. Teilband (EKK I/1). Zürich u.a. 1985, 188.

      11 Das Hirtenwort der deutschen Bischöfe zum Papstschreiben Amoris laetitia findet sich unter http://de.radiovaticana.va/news/2017/02/01/hirtenwort_der_deutschen_bisch%C3%B6fe_-_voller_wort-laut/1289536 (Stand: 01.02.2017).

      12 Ebd.

      13 Vgl. V. Resing, Tappen im Dunkeln, in: HerKorr 71/3 (2017), 4 f., hier: 5.

      14 Siehe http://de.radiovaticana.va/news/2016/06/17/papst_viele_kirchliche_ehen_ung%C3%BCltig/1237927 (Stand: 10.03.2017).

      15 Vgl. T. Frings, Aus, Amen – Ende?, 145–170 [s. Anm. 5].

      16 Vgl. ebd., 154 [s. Anm. 5].

      17 Ebd., 83.

      18 Diese und weitere Beispiele sind beschrieben bei R. Hauke, Mitfeiern – miterleben – mitgestalten. Neue Perspektiven und Anregungen für die Seelsorge an Christen und Nichtchristen. Leipzig 2014.

      19 Ebd., 19.

       Bernd Liebendörfer | Böblingen

      geb. 1955, Dr. theol., Dekan der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Böblingen

       [email protected]

       Wer ist Christus für uns heute?

       Beispiele einer Theologie der Nachfolge aus der Evangelischen Kirche

      Nachfolge ist bis heute ein fesselnder Begriff. Nachfolge Christi leben, das klingt faszinierend und spricht auch heute einfache Gemeindeglieder ebenso an wie theologisch qualifizierte Menschen in Wissenschaft und Kirche. Offen liegt auf der Hand, dass sich Nachfolge heute anders gestalten muss als zur Zeit der Jünger(innen) Jesu. Es geht für uns nicht mehr darum, die Netze am See Genezareth zurückzulassen, Beruf und Familie aufzugeben und mit Jesus durch Galiläa oder Judäa zu ziehen. Allerdings können wir ihn auch auf der Wanderung oder am Ende des Tages nicht mehr befragen, wie es den Jünger(inne)n damals möglich war. Nachfolge heute muss anders aussehen. Unvorstellbar, dass alle Christen zu Wanderprediger(inne)n werden müssen, um Nachfolge zu leben.

      Diese Erkenntnis ist zunächst nicht neu. Josef Thorer hat unlängst in dieser Zeitschrift darauf aufmerksam gemacht, dass es bereits für Ignatius von Loyola klar zu erkennen war, „dass es nicht (mehr) möglich ist, Jesus äußerlich vollständig nachzuahmen.“1 Das verschärft die Frage nur, wie denn Nachfolge Christi heute verstanden werden kann oder verstanden werden muss. Die Vorstellungen dazu, was denn Nachfolge sei, gehen in Theologie und Kirche weit auseinander. Das macht eine Beschäftigung mit dem Thema umso dringlicher. Das verdeutlicht schnell eine nähere Betrachtung einzelner Autor(inn)en. Im letzten Jahrhundert hat Dietrich Bonhoeffer mit seinem Buch Nachfolge ein Werk zum Thema vorgelegt, an dem man heute noch nicht vorbeikommt, wenn man über Nachfolge reden will. Bei einer Untersuchung, wie Bonhoeffers Nachfolge in Theologie und Kirche aufgenommen worden ist, fallen zwei prominente Theologen auf, der Professor für Systematik Karl Barth und der Bischof von Berlin-Brandenburg Albrecht Schönherr.2 Das Nachfolge-Verständnis dieser drei herausragenden Persönlichkeiten soll im Folgenden in den Blick genommen werden.

       Dietrich Bonhoeffer

      Dietrich Bonhoeffer befasste sich mit dem Thema Nachfolge schon 1934 in seiner Londoner Zeit. Von dort kam er ein Jahr später nach Deutschland zurück, um das Predigerseminar der Bekennenden Kirche zu leiten und junge Pfarrer für den Dienst auszubilden. Die Vorlesungen über Nachfolge waren das besondere Charakteristikum seines Predigerseminars in Finkenwalde. 1937 wurde sein Buch Nachfolge veröffentlicht.3

      Bonhoeffer schrieb in der Zeit des Dritten Reiches. Das hat seine Gedanken und seine Ausdrucksweise sicherlich radikaler gemacht. In der Zeit, als Adolf Hitler als der „Führer“ den „blinden Gehorsam“ für sich forderte, forderte Bonhoeffer im Gegenzug den „einfältigen Gehorsam“ allein gegenüber Christus. Diese zeitgeschichtliche Prägung von Bonhoeffers Nachfolge darf nicht übersehen werden. Doch ist sein Werk keineswegs nur eine Antwort auf den Nationalsozialismus. Solch eine Vorstellung würde zu kurz greifen.

      Zwar lassen sich Bonhoeffers Ausführungen nicht aus dem zeitgeschichtlichen Kontext lösen. Dennoch lässt sich mehr erkennen. Ein wichtiger Beweggrund war für Bonhoeffer seine Sorge um die Kirche und damit meinte er primär die evangelische Kirche. Diese Sorge hat schon früh und vor dem Dritten Reich begonnen. Bonhoeffer sah die Kirche als sehr gefährdet an. Laut Bonhoeffer lag das v.a. daran, dass die Kirche nur die Gnade Gottes verkündete und nicht darauf aufmerksam

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