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gut, dass der Mensch allein bleibt“ (Gen 2,18). Und darum „verlässt der Mann die Gemeinschaft mit Vater und Mutter, und er bindet sich an seine Frau und sie werden ein Fleisch“ (Gen 2,24).

      Hier ist in einem Mythos begründet, was wir im täglichen Leben erfahren: Aggressionen und Beziehung gehören zusammen. Die Aggression ist die Lebensenergie, die zum anderen strebt, um mit ihm zusammen zu sein. Als inneres Streben, als Sehnsucht, als Lebenskraft sucht sie die Liebe zum anderen Menschen als Lebenserfüllung. Auf diese Weise ermöglichen Aggressionen Beziehungen in ihrer Vielfalt.

5.Geistesgeschichtliche Wurzeln für das abwertende Verständnis von Aggressionen und Gefühlen

      Der kurze geistesgeschichtliche Überblick möchte zum besseren Verständnis einige Hintergründe aufzeigen, die u. a. zur heutigen Abwertung der Gefühle und insbesondere der Aggressionen geführt haben. Dabei taucht der Begriff Aggression nur selten direkt auf. Die aggressiven Antriebskräfte werden den Affekten zugeschrieben und mit den Begriffen Wut, Zorn, Ärger, Groll, Triebe, Leidenschaft oder Hass meist einseitig negativ beschrieben. Es sind gewisse durchgehende Trends in der Geringschätzung der Leiblichkeit und der Gefühle festzustellen: von Platon über die stoischen Tugend- und Lasterkataloge, die von Paulus und einigen Kirchenvätern aufgegriffen wurden, bis hin zur Aufklärung und in unsere Zeit.

5.1.Das ganzheitliche biblische Menschenbild

      Das biblische Menschenbild ist ganzheitlich angelegt und geht von einer Leib-Seele-Einheit aus. Dabei spielen Gefühle und Beziehungen eine wichtige Rolle. Sowohl im Alten Testament als auch im Neuen Testament wird ein Beziehungsrahmen deutlich, „in dem der Mensch aus der Gottesbeziehung sein Selbstverständnis gewinnt und seine mitmenschlichen Beziehungen, seine Beziehungen zur Welt und zum Leben gestaltet“ (Außerleitner, 410 ff.). Das personale Gottesverhältnis wird vor allem in Beziehungsmetaphern ausgesprochen, die Vertrauen und Furcht, Intimität und Ehrfurcht, Nähe und Distanz ausdrücken. Die mitmenschlichen Beziehungen sind ebenso wie das Selbstverständnis des Menschen in der Gottesliebe verwurzelt und empfangen aus ihr die Qualität der Nächsten- und Selbstliebe. So ist das ganze Leben des Menschen im Alten Testament von einer religiösen Beziehungsdynamik geprägt, die durch die wechselnde Intensität der Gemeinschaft mit Gott bestimmt wird. Der Tod bildet die Grenze der leiblichen Existenz des Menschen.

      Das Neue Testament greift die ganzheitliche Sicht des Menschen als Leib-Geist-Lebewesen auf (Mt 6,22 ff.; Lk 11,34 ff.; 12,22 f.). Durch die Gemeinschaft mit Christus, dem menschgewordenen Gott, wird der Mensch in die Dynamik der trinitarischen Liebe mit hineingenommen: Es entsteht eine neue Qualität der Schöpfung durch die Beziehung der „Gotteskindschaft“. Auch hier werden die Gottesbeziehung und die mitmenschlichen Beziehungen in den Evangelien lebensfördernd und beziehungsstiftend gesehen, besonders deutlich in den Metaphern vom Leib Christi oder vom Weinstock und von den Rebzweigen.

      Diese Verbindung der gott-menschlichen Beziehungen drückt sich auch in den Grundhaltungen des Christen und in seinem mitmenschlichen und sozialen Verhalten aus. Letztlich wird diese Umwandlung durch den „heiligen“, den beziehungsstiftenden und ganzmachenden Geist initiiert, der „gerade keine Dichotomie von Welt und Gott, Materie und Geist, sondern die Verleiblichung des göttlichen Heils in der menschlichen Gesellschaft“ bewirkt (Außerleitner,412).

      Allerdings zeigen sich bereits in den paulinischen Briefen erste hellenistische Einflüsse der Leibfeindlichkeit. Der Leib wird als Ort der Sünde gesehen. Gefühle aller Art, insbesondere Ärger, Hass, Wut und Zorn, werden an einigen Stellen pauschal mit einem sündigen Verhalten gleichgesetzt (Eph 4,31 f.; Kol 3,8 ff.; Gal 5,19 ff.). In diesen Texten drückt sich eine dualistische Tendenz aus, die Gefühlen wie Zorn, Ärger und Wut die Sanftmut, Liebe und Freundlichkeit als das Ideal christlicher Vollkommenheit gegenüberstellt. Über allem stand das Motto: die Kontrolle behalten, sich beherrschen. Dies war seit der Zeit des frühen Christentums ein wichtiges Ziel christlicher Lebensführung. „Die Kontrolle zu verlieren heißt, dem Leib mit seinen Begierden einen Raum zu geben, wo eigentlich der Verstand, die Seele mit ihren dem Göttlichen nahekommenden Qualitäten bestimmend sein sollten“ (Klessmann, 16).

      Mit diesem Verständnis von Aggressionen geht eine einseitige Abwertung einher: Die lebensfördernden und beziehungsstiftenden Seiten der aggressiven Lebenskräfte werden kaum berücksichtigt und gleichzeitig die negativen Aspekte von Sanftmut, Freundlichkeit und Friedfertigkeit ausgeblendet, die zur Harmonisierung und Vermeidung von Auseinandersetzungen und Konflikten führen können.

      Und doch konnte man nicht übersehen, dass im Alten Testament häufig vom Zorn Gottes die Rede ist und dass die Propheten sich voll von aggressiven Lebensenergien wie Zorn, Ärger und Eifer leidenschaftlich mit den Feinden Gottes auseinandersetzten. Auch Jesus zeigte ebenso wie Paulus Zorn und Ärger und reagierte aggressiv in der Auseinandersetzung mit den Pharisäern (z. B. Lk 11,37 ff.) und Schriftgelehrten. Dasselbe gilt für den Umgang Jesu mit seinen Jüngern, wenn er z. B. zu Petrus sagt: „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen“ (Mk 8,33). Ein weiteres Beispiel ist die Vertreibung der Händler aus dem Tempel (Mk 11,15 ff.). Wie ist diese Aggressivität Jesu mit dem christlichen Vollkommenheitsideal zu vereinbaren? Die Lösung lautete damals: Gegen die Feinde des Glaubens und der Gemeinde sind Ärger und Aggressionen erlaubt, nur intern, untereinander sollen sie ausgeschlossen sein (Klessmann, 17).

5.2.Dualistische Tendenzen

      In der Auseinandersetzung mit seiner Endlichkeit und seinem begrenzten Leben war der Mensch schon immer versucht, die Lösung für seine Lebensprobleme in der Dichotomie von Seele und Leib zu sehen. Um von den leiblichen Belastungen (Mühsal, Krankheit, Schmerz, Tod) befreit zu werden, hielten sich viele Philosophen (u. a. Plato, Aristoteles, Plotin) an das dualistische Prinzip der Trennung von Leib und Seele: Geist und Seele zu sein und den Leib nur zu haben. Das führte zu einer Geringschätzung des Leibes bis hin zur Leibfeindlichkeit.

      Das platonische Seinsschema und stoische Einflüsse haben bis in unser Jahrhundert hinein das ganzheitlich-biblische Selbstverständnis des Menschen immer wieder überlagert (Außerleitner, 413). Die prä-existente, unsterbliche Geist-Seele muss durch Läuterung aus dem Gefängnis des Leibes befreit werden, um zu ihrem „göttlichen Ursprung“ zurückzugelangen.

      Das platonische Stufenschema widerspricht in wesentlichen Punkten dem biblischen Verständnis von der Selbstwerdung des Menschen: z. B. in der Abwertung der Materie und des Leiblichen gegenüber einem positiven, ganzheitlichen Schöpfungsverständnis der Bibel. Es unterscheidet sich im Leib-Seele-Dualismus von der biblischen Leib-Seele-Einheit, die das Leibliche und damit auch die aggressiven Lebensenergien und die Sexualität wertschätzt. Die absolute Transzendenz Gottes widerspricht der biblischen Offenbarung von der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus ebenso wie die Lehre von der Göttlichkeit der Seele der biblischen Lehre von der geschaffenen Gottebenbildlichkeit. So wertet Platon in seinem Stufenschema (Reinigung – Erkenntnis – Einigung) das Leibliche, das Materielle und damit auch das Emotionale und Geschlechtliche ab. Gefühle allgemein und die leibhaften Triebe sind minderwertig.

      Die hellenistisch gebildeten Kirchenväter (Origines, Gregor von Nyssa und Dionysius im griechischen Raum, Ambrosius, Augustinus und Gregor der Große im lateinischen Raum) haben sich mit dem platonischen Stufenschema auseinandergesetzt und immer wieder versucht, das platonische Gedankengut mit dem biblischen Verständnis in Einklang zu bringen. Dabei haben die Einzelnen in ihren Theorien zur Selbstwerdung des Menschen und seines Weges zu Gott unterschiedlich platonisches Gedankengut übernommen. Ihre Kritik am platonischen Denken „richtete sich vor allem gegen die Möglichkeit der direkten Gotteserkenntnis, des Tugendfortschritts aus eigener Leistung, gegen die Göttlichkeit der Seele und gegen die Möglichkeit ihrer substanzhaften Vereinigung mit Gott … Diese Kritik wurde jedoch selten ganz konsequent durchgezogen. Der Grundsatz: ‚Der Logos wurde Mensch, damit wir göttlich werden‘ (Clemens und Athanasius von Alexandrien, Origines) zeigt zu deutlich, welche Attraktion die platonistischen Motive Gotteserkenntnis, Göttlichkeit der Seele, Vereinigung mit Gott auf die Kirchenväter ausübten“ (Außerleitner, 136 f.).

      Die dualistische Tendenz spiegelt sich auch in den von der Stoa übernommenen Tugend- und Lasterkatalogen wider, wo die leiblichen Triebe und die Affekte

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