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zu zögern in seinem Lauf, stürzt es sich über Steilhänge in die Tiefe. Es ist mutig.

      Seine Oberfläche ist glatt und ebenmäßig, aber es kann verborgene Tiefen bilden. Es ist weise.

      Felsen, die ihm im Lauf entgegenstehen, umfließt es. Es ist verträglich.

      Aber seine Kraft ist Tag und Nacht am Werk, Hindernisse zu beseitigen. Es ist ausdauernd.

      Wie viele Windungen es auch auf sich nehmen muss, niemals verliert es die Richtung zu seinem ewigen Ziel, dem Meer, aus dem Auge. Es ist zielbewusst.

      Und sooft es auch verunreinigt wird, bemüht es sich doch unablässig, wieder rein zu werden. Es hat die Kraft, sich immer wieder zu erneuern.

      Das alles, sagte der Weise, ist es, warum ich auf das Wasser schaue. Es lehrt mich das rechte Leben (zitiert aus: Glauben leben 7/8 [1997], 234).

      Wie der Weise im Schauen auf das Wasser, will dieses Buch unsere Aggressionen und Beziehungen anschauen und ihnen nachsinnen. Ich würde mich freuen, wenn Sie nach der Lektüre des Buches in Ihren eigenen Aggressionen mehr die lebensfördernden und beziehungsstiftenden Kräfte entdecken und sie in Ihrem Leben entsprechend einsetzen könnten.

       Karl Frielingsdorf SJ

      Aggression und Beziehung – was ist das?

1.Was ist Aggression?

      Das Wort Aggression stößt bei vielen Menschen zunächst auf Ablehnung und Widerwillen.

      Die wachsende Gewalt im öffentlichen und privaten Leben, die Religionskriege und die Völkermorde in aller Welt verbinden die Begriffe Aggression und Aggressivität mit Gewalttätigkeit und Brutalität und lassen diese in einem schlechten Licht erscheinen.

      In diesem Kapitel wollen wir zunächst auf die eigentliche Bedeutung des Wortes „Aggression“ zurückgehen. Vom lateinischen Wort „aggredi“ = „ad-gredi“ stammend, bedeutet Aggression: „herangehen“, auf jemand „zugehen“, „sich einem anderen nähern“, „in Beziehung treten“.

      Wir verstehen Aggression als ein emotional initiiertes, aktives Verhalten, das gerichtet oder ungerichtet sein kann. „Als naturale Antriebskraft gehört Aggression zur Grundausstattung des Menschen. Sie bedarf zwar der Steuerung, ist aber zugleich für seine humane Entfaltung unentbehrlich“ (Korff, 232 f.). So wären die menschlichen Handlungsantriebe ohne die Aggressionen nicht zu verwirklichen. Allerdings müssen die Aggressionen auch in den emotionalen Zusammenhang des menschlichen Lebens integriert werden, weil sie sonst destruktiv wirken. Durch die rationale Überprüfung der aggressiven Antriebsimpulse auf das Ziel, z. B. die Beziehung, hin, können die Aggressionen konstruktiv und lebensfördernd eingesetzt werden. Das kann durch Regeln geschehen, nach denen Auseinandersetzungen geführt werden oder Beziehungslernen geschieht.

      Von der ursprünglichen Wortbedeutung her ist nicht von vornherein klar, mit welchen Gefühlen, Motivationen und mit welchem Ziel Aggressionen als aktives „Auf-einander-Zugehen“ verbunden sind; ob es sich dabei um eine positive Begegnung oder um einen zerstörerischen Angriff handelt. Die so verstandene Aggression kann z. B. mit Gefühlen wie Ärger, Angst, Wut und auch mit Gefühlen wie Freude, Sympathie oder Liebe verbunden sein.

      Ein Beispiel: Angenommen, Sie stehen in einer Schlange vor einem Bankschalter. Plötzlich erhalten Sie von hinten einen Schlag auf die rechte Schulter. Auf dieses „Herangehen“, auf diese Aggression können Sie unterschiedlich reagieren. Wenn Sie den Schlag als einen Überfall erleben, reagieren Sie wahrscheinlich mit Schrecken, Angst und Panik. Erfahren Sie den Schlag als freundschaftlichen Klaps auf die Schulter und entdecken einen guten Bekannten hinter sich, den Sie lange nicht gesehen haben, stellt sich Freude und Sympathie ein. Empfinden Sie den Schlag als eine Ungeschicklichkeit und Unachtsamkeit, erleben Sie zunächst vielleicht Ärger und dann nach der Entschuldigung des anderen Wohlwollen und Verständnis. Interpretieren Sie den Schlag auf die Schulter als Unverfrorenheit und Frechheit, werden wahrscheinlich Ärger, Wut und Empörung hochkommen. Erleben Sie den Schlag als kumpelhafte Anbiederung, werden Sie vielleicht Ablehnung, Ekel und Ärger spüren. So kann dasselbe aggressive Verhalten sehr unterschiedliche Reaktionen auslösen, je nachdem wie dieser Schlag auf die Schulter empfunden und gedeutet wird.

      Über den Ursprung der Aggressionen gibt es verschiedene, oft kontroverse Theorien. Alle enthalten wichtige Aspekte, die zum Ganzen einer Aggressionstheorie beitragen können. Bevor ich aber auf diese bisher bekannten unterschiedlichen Aggressionstheorien eingehe, möchte ich auf die neuesten Ergebnisse der pränatalen und perinatalen Psychologie hinweisen, die in den letzten Jahrzehnten zu einem Paradigmenwechsel geführt haben. Sie besagen, dass das Kind von der Zeugung an und vor allem in der pränatalen Zeit ein fühlendes soziales Wesen ist, das in der frühen Lebenszeit Erfahrungen macht, die seine spätere psychosoziale Entwicklung beeinflussen und im künftigen Leben Blockaden, Vermeidungen und Re-Inszenierungen auslösen können (Hildebrandt, 2015,12). Für emotionale Erfahrungen, also auch für Aggressionen, gilt: Entscheidend für den Einfluss eines Erlebnisses auf unsere psychosoziale Entwicklung ist die Möglichkeit eines Abgleichs mit einer Art Erfahrungs-Pool. Natürlich hat ein Mensch in der pränatalen und perinatalen Phase viel weniger Vergleichsmöglichkeiten in seinem Erfahrungs-Pool als ein Erwachsener, um Irritationen oder Krisen und Aggressionen einzuordnen. Hildebrandt bringt ein Beispiel: Bei der rauchenden Schwangeren geht es keineswegs nur um Gift und Gase, es geht um die erschütternde Erfahrung, dass sich das schützende und nährende System Plazenta plötzlich in ein bedrohliches, Erstickung bringendes Organ verwandelt. Damit soll nicht gesagt sein, dass Kinder rauchender Mütter prinzipiell einen seelischen Knacks hätten. Dennoch wird die Erfahrung abgespeichert und somit lebenslang Einfluss haben, und sei es nur in Form eigener Sucht. Dabei gilt der Grundsatz: Je früher das Erleben, desto geringer ist der Vergleichs-Pool, desto tiefer der Eindruck der Spur im Lebensweg. Die moderne Hirnforschung weist darauf hin, dass ganz frühe intrauterine Erfahrungen als besonders gravierend angesehen werden, weil sie wie eine Grund-Matrize, eine Art Ur-Erfahrung das Leben beeinflussen wie die Tonart einer Sinfonie. Natürlich gibt es dort immer mal wieder strahlendes Dur, aber die Grundtonart ist möglicherweise bitteres Moll (Hildebrandt, 2015,12 ff.).

      Obwohl diese Ergebnisse der Hirnforschung in den nun folgenden Aggressionstheorien kaum berücksichtigt sind, können sie uns wichtige Hinweise über den Ursprung der Aggressionen geben.

      Es gibt zwei Grundtheorien über die Entstehung und Auswirkung der Aggressionen. Die psychobiologische Richtung (Lorenz, Portmann sowie Freud und die Psychoanalyse) sehen die Aggressionen als angeborene und endogene Faktoren an. Dieses psychodynamische Modell nimmt den Energiebegriff der klassischen Physik auf, der besagt, dass man keine Energie einfach verschwinden lassen kann. Sie bleibt und sucht sich einen Ort. Ist dieser Ort gefüllt und kann er keine weiteren aggressiven Energien mehr aufnehmen, dann bedarf die aggressive Triebenergie eines Ventils. Die Lösung in diesem „Dampfkesselmodell“ liegt darin, dass die aggressiven Energien frühzeitig, bevor es zum „Überdruck“ mit Explosionsgefahr kommt, hinausgelassen werden auf ein anderes „Objekt“ hin, so dass sie z. B. im Sport ausgelebt werden können (Sublimierung).

      Die lerntheoretische Schule gibt den Bezug auf den endogenen Trieb auf und schaut auf die äußeren Bedingungen und die Rolle des Lernens und der Erfahrung bei der Entwicklung aggressiven Verhaltens. „In der Sicht der sozialen Lerntheorie ist der Mensch weder von inneren Kräften getrieben noch hilflos von Umwelteinflüssen bedrängt. Psychologisches Funktionieren lässt sich am besten verstehen als dauernde reziproke Interaktion zwischen Verhalten und seinen kontrollierenden Bedingungen“ (Bandura, 43 f.). Auf dem Weg der Verhaltensformung ist es möglich, mit Hilfe entsprechender Belohnungs- und Bestrafungsstrategien auf dem Hintergrund von bestimmten Verhaltensmodellen einen wünschenswerten Umgang mit Aggressionen zu erlernen.

      Die Frustrations-Aggressions-Hypothese (Dollard, Miller, Sears) sieht die Aggression als eine Konsequenz von Frustration. Für sie ist Aggression eigentlich reaktiv, d. h., „sie ist eine Folge der Verhinderung unmittelbarer Trieberfüllung“. Als solche ließe sich „Aggression dann auch durch Überwindung aller Frustration schaffenden äußeren Ursachen überwinden“ (Korff, 232).

      W.

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