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machen können.

      Für die moderne Wissenschaft wird das Grab Jesu am Ostermorgen schwerlich leer gewesen sein. Aber auch die Wissenschaft kennt Irregularitäten. Ob das Licht als Welle oder als Teilchenstrom gedeutet wird, in jedem Fall gibt es Phänomene, die gegenüber der jeweiligen Deutung irregulär sind. Quanten, kleinen Materieteilchen, ist keine genaue Raum-Zeit-Stelle zuzuordnen. Der Urknall selbst ist eine Irregularität, nur seine Auswirkungen sind wissenschaftlicher Forschung zugänglich, nicht aber er selbst. Hinzu kommt, dass Wissenschaft nur allgemeine Aussagen machen kann: Der Einzelfall kann von der allgemeinen Gesetzmäßigkeit abweichen.

      In seiner Pfingstpredigt (Apg 2,29–32) insinuiert Petrus die Leerheit des Grabes Jesu: David habe prophezeit, dass einer seiner Nachkommen, im Gegensatz zu ihm selbst, nicht der Unterwelt preisgegeben und sein Leib die Verwesung nicht schauen werde (Ps 16,10). Dieser Nachkomme sei Jesus, und sie, die Apostel, seien Zeugen dafür. Daraus folgt, dass Jesu Leib die Verwesung nicht schaut, sein Grab also leer ist, auch wenn das ausdrücklich nicht gesagt wird.

      Wäre das Grab nicht leer gewesen, hätte es mit der Verkündigung der Auferstehung schwer werden können. Denn der Hebräer unterscheidet traditionell nicht zwischen Leib und Seele. Eine Auferstehung von den Toten ist für ihn mit der Belebung seines irdischen Leibes verbunden. Noch im nach 160 v. Chr. geschriebenen 2. Buch der Makkabäer (2 Makk 7) finden wir einen Niederschlag dieser Überzeugung. Ein Gefolterter hofft, zu ewigem Leben auferweckt zu werden, und zwar mit unversehrtem irdischem Leib. Wäre Gegnern der Auferstehungsverkündigung der Nachweis gelungen, dass der Leichnam Jesu im Grab liegt, hätte die Botschaft dann Glauben finden können? Von den daraus sich ergebenden Kontroversen findet sich jedoch in der Überlieferung keine Spur.

      Andererseits hat natürlich auch in Israel hellenistisches Gedankengut Einzug gehalten, das Auferstehung ohne Wiederherstellung des irdischen Leibes denken konnte. So erhofft Ijob bereits im spätestens 200 v. Chr. vorliegenden gleichnamigen Buch (19,25–27) die Schau Gottes außerhalb eines irdischen Leibes: Ohne meine Haut, die so zerfetzte, und ohne mein Fleisch werde ich Gott schauen. Und im zwischen 80 und 30 v. Chr. erschienenen Buch der Weisheit wird von den Seelen der Gerechten gesprochen, die in Gottes Hand sind und [die] keine Qualberühren [kann]. Sie sind in Friedenihre Hoffnung ist voll Unsterblichkeit (Weish 3,1–4). Diese Texte können ein Leben nach dem Tod ohne den irdischen Leib denken. Und auch Jesus geht unter Zustimmung eines pharisäischen Schriftgelehrten (Mk 12,28) davon aus, dass die von den Toten Auferstandenen wie Engel im Himmel sind (Mk 12,25) und nicht mehr benötigen, was einmal ihr irdischer Leib war. Darf man nach über 300 Jahren hellenistischer Beeinflussung annehmen, dass für die meisten Zeitgenossen Jesu die Frage des leeren Grabes nicht mehr relevant war? Schon gar nicht angesichts der Verkündigung einer Auferstehung, deren Ton ja nicht auf dem persönlichen Fortleben Jesu liegt, sondern darauf, dass dieser Jesus aus Nazareth der Herr und Messias (Apg 2,36) ist, [den ihr] durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht (Apg 2,23) habt, dass er der Sohn Gottes ist, der Kunde gebracht hat vom „Vater“, der Gottheit, deren Namen kein Zeitgenosse Jesu wagte auszusprechen.

      Das ist ungefähr der Stand der Diskussion. Die Frage ist nicht zu entscheiden, für mich selber und meinen Glauben ist sie nicht relevant, ein historisch leeres Grab wäre kein Gewinn. Doch hat die Botschaft vom „leeren Grab“ eine Bedeutung immer gehabt: Sie lässt aufmerken und fordert zur Auseinandersetzung heraus.

      9 Weitere Belege aus der Mitte des 1. Jahrhunderts sind: Gal 1,1; 1 Kor 6,14; 15,12.15.20; 2 Kor 4,14; Röm 4,24.

      10 Bei Johannes und Matthäus sind Maria Magdalena (Joh 20,11–18) bzw. diese und eine „andere Maria“ (Mt 28,9f) die ersten, denen der Auferstandene erscheint.

      11 Gnilka, EKK II/2, S. 340.

      12 Ebd.

      13 Ex 20,18–20; Jes 6,5; Lk 1,12.29.

      14 Rudolf Otto, Das Heilige.

      15 GÜ 175.

      16 „Quidquid recipitur per modum recipientis recipitur.“ Summa theologica I q. 12 a. 4.

      17 Siehe zum Thema der Konstruktion einer Eigenwelt auch das Kapitel „Idiopolis“ in meinem Buch „Der spirituelle Weg“.

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