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gestaltete Canisius „seinen“ Tauler jedoch ganz nach eigenem Ermessen, indem er Predigten kürzte oder veränderte. Darüber hinaus fügte er seiner Taulerausgabe weitere 25 als taulerisch ausgegebene Predigten bei, sowie 27 Briefe und 10 Texte. Die meisten dieser unter Taulers Namen herausgebebenen Texte stammen jedoch von Meister Eckhart, Heinrich Seuse und Jan Ruusbroec.237 In den Niederlanden brachte 1547 M. Anthonis van Hemert einen eigenen Taulerdruck heraus, der 1563, zweimal 1607, 1623, 1634 und 1707 nachgedruckt wurde.238 Der Kartäuser Laurentius Sirius übersetzte 1548 den „Kölner Tauler“ ins Lateinische. Dieser Taulerdruck enthält 153 angebliche Taulerpredigten, 30 Tauler zugeschriebene Briefe und einige Traktate.239 Durch diese Übersetzung fanden Taulers Predigten auch in England, Frankreich, Italien und Spanien Verbreitung.240 Der lateinische Tauler-Corpus wurde schließlich wieder ins Deutsche rückübertragen: 1621 von Daniel Sudermann und 1660 von dem Karmeliten Carolus a St. Anastasio.241

      Taulers Nachwirken auch über den deutschen Sprachraum hinaus war groß. Deshalb wurden die Predigten Taulers vom ersten Druck (1498) bis ins 20. Jahrhundert ständig neu aufgelegt. Viele Taulerdrucke nach 1548 enthielten jedoch bloß eine Auswahl von Predigten, die in unterschiedlicher Qualität übersetzt wurden.242

      Für Taulers Predigten bestehen zwei Tradierungen: eine alemannischelsässische (Ausgangsort Straßburg) und eine alte niederrheinische (Ausgangsort Köln).243 Da sich in einigen Predigten der alemannischen Fassung niederrheinische Relikte nachweisen lassen244, vermutet man, dass die in Köln verfassten Predigten die ursprünglicheren sein können.245 Diese beiden Tradierungen sind grundlegend für die heute noch in der Forschung benutzten Taulereditionen Vetters (1910) und Corins (1924, 1929).

       II. Zur Textgrundlage und Übersetzung

      Vor allem dem deutschen Dominikaner Heinrich Seuse Denifle (1844 – 1905) ist es zu verdanken, dass viele der unechten Schriften aus dem Werk Taulers ausgeschieden werden konnten. Auf Denifles Erkenntnisse kann die Forschung über Tauler und die „deutsche Mystik“ bis heute aufbauen.246 Heute wissen wir: Von Tauler sind fast nur Predigten überliefert. Darüber hinaus gibt es nur noch einen originalen Brief Taulers an Margareta Ebner und Elsbeth Scheppach, der Priorin des Klosters Medingen bei Dillingen, den er einem Geschenkpaket beigelegt hat.247

      In der Taulerausgabe von Ferdinand Vetter finden wir die meisten der als echt anerkannten Texte: 81 Predigten.248 Dabei weist Predigt V 79 (H 84) eine deutliche Abhängigkeit von Jan Ruusbroecs „Boec van den vier becoringhen“ auf und muss als unecht angesehen werden249, auch wird die Echtheit von Text V 59 (H 82), ein öffentliches Schuldbekenntnis, angezweifelt.250 Schließlich ist immer noch umstritten, ob die Predigt Von den drien geburten V 1 (H1) von Tauler stammt.251 „Eines jedoch ist sicher und durch die Taulerdrucke auch dokumentiert: Die Predigt Von den drien geburten ist seit den Grossen Taulersammlungen und der Inkunabel von 1498 stets als eine Predigt von Tauler rezipiert worden.“252 Diese Sachverhalte werden wir in dieser Arbeit berücksichtigen müssen, wobei diese Texte inhaltlich keinen nennenswerten Einfluss auf unsere Taulerdeutung haben. Einzig Predigt V 1 kann als wirkungsvolle Hilfe zur Deutung von Taulers Theologie herangezogen werden. Sie steht zu Taulers Denken in keinerlei Widerspruch.

      Die zweibändige Ausgabe von Adolphe Léon Corin enthält neben den in der Forschung als echt anerkannten Predigten auch Tauler zugeschriebene Texte.253 Der Vorteil der Corin-Edition liegt laut Pleuser darin, „dass sie einen älteren, besseren und sorgfältiger edierten Text bietet.“254 In unserer Arbeit, die sich als theologisch und nicht philologisch versteht, orientieren wir uns dennoch an der Vetter-Ausgabe, da diese mit 81 Predigten (ergänzt durch die zwei Predigten bei Helander) eine breitere Textgrundlage bietet. Allerdings soll Corin zur Übersetzung und Deutung von Textstellen mit herangezogen werden.

      Eine Übersetzung der Predigten Taulers als Gesamtausgabe ins Neuhochdeutsche liegt von Walter Lehmann und Georg Hofmann vor.255 Etienne Hugueny, Gabriel Théry und Adolphe L. Corin haben Tauler ins Französische übersetzt.256 Seit 1977 und 1985 gibt es auch eine Gesamtausgabe in italienischer und englischer Sprache.257

      In dieser Arbeit werden die mittelhochdeutschen Texte vom Verfasser selbst ins Hochdeutsche übersetzt. Dabei werden die Übersetzungen von Georg Hofmann, dessen Predigtnummerierung neben der von Vetter mit aufgeführt wird, und Louise Gnädingers zu Rate gezogen.258

      224 Vetter 1910 (Abkürzung: V), Corin I u. II 1924 und 1929 (Abkürzung: C I und II).

      225 Eine kritische Taulerausgabe ist laut Ruh 1996, 486 „das wichtigste Desideratum der Taulerforschung.“ Vgl. Weigand 2004, 114 – 155.

      226 Vgl. Mayer 1999, 197 – 278.

      227 Weigand 2004, 115.

      228 Mayer 1999, 3.

      229 Vgl. Mösch 2006, 202; Ruh 1996, 487; Gnädinger 1993, 109 – 116. Mayer 1989, 365 – 390, bes. 365f., 386f., konnte zudem auf 10 neue Handschriften aufmerksam machen. Dabei handelt es sich um 28 Foliobände, die der Bibliothek der Laienbrüder in Rebdorf gehörten. Zur Predigtanordnung der frühen Taulerhandschriften: Siehe Weigand 2004, 114 – 155.

      230 Die vollständige Präsentation der Handschriften: Siehe Mayer 1999, 197 – 278 (Anhang 1); Hofmann 1961, 439 – 460; Helander 1923, 86 – 116.

      231 Vgl. Hoenen 1994, 396ff.

      232 Vgl. Weigand 2004, 146; Ruh 1996, 487.

      233 Vgl. Mösch 2006, 204.

      234 Vgl. Denifle 1879. Denifle hat ebenso nachgewiesen, dass „Das Buch von geistlicher Armut, bisher bekannt als Johann Taulers Nachfolgung des armen Lebens Christi“ nicht von Tauler stammt: Vgl. Denifle 1877. Zum Verdienst Denifles in der Taulerforschung: Siehe Walz 1961, 8 – 18. Zu den Pseudo-Tauleriana: Siehe Gnädinger 1993, 421 – 431. Zur Überlieferung der Pseudo-Taulertexte vgl. Mayer 1999, 279 – 287. Zu den „Gottesfreunden“ Siehe den dritten Teil, siebtes Kapitel sowie Rapp 1994, 55 – 62, Haas 1987, 268 – 271, 299 – 303, Chiquot 1937 (DSp I), col. 493 – 500.

      235 Vgl. Mösch 2006, 204; Gnädinger 1993, 413f.; Helander 1923, 20ff. Helander bemerkt zu Tauler und Luther: „Man muss klar unterscheiden, dass das, was wir unter Tauler verstehen, durchaus nicht mit Luthers Tauler identisch war. Denn teils gehörte Luthers Auffassung, dass die Theologia Deutsch von Tauler sei, teils aber nahm er als sicher an, dass die ganze Baseler Auflage aus dem Jahr 1521 Taulerschriften enthalte, was ja keineswegs der Fall war.“ Zu den Randbemerkungen: Vgl. u.a. Martin Luther, Werke, Bd. 9, Weimar 1893, 95 – 104; Ficker 1936, 46 – 64.

      236 Vgl. Mösch 2006, 205, Mayer 1999, 10, Gnädinger 1993, 418. Zu den Handschriften im Kölner Dominikanerinnenkloster St. Gertrud: Siehe Prieur 1983.

      237 Vgl. Gnädinger 1993, 418f.

      238 Zur niederländischen Taulerüberlieferung: Siehe Hofmann 1961, 475; Axters 1961, 348 – 370; Lieftinck 1936. Zu Taulers Wirken in den Niederlanden: Siehe Hoenen 1994, 396 – 426. Ruh 1996, 48822 betont „ihre bedeutende Eigenständigkeit, aber das Verhältnis zur Kölner Tradition ist ungeklärt geblieben.“ Die ersten mittelniederländischen Handschriften stammen aus den Jahren 1442, 1446, 1454 und 1458 (Vgl. Hoenen 1994, 402f.).

      239 Vgl. Gnädinger 1993, 419.

      240 Vgl. Fischer 1931, 10f.: Die Suriusübersetzung erschien 1556 in Venedig, 1557 und 1558 in Lyon, 1623 in Paris, Mecerata, ohne Jahr und 1697. Vgl. auch Colledge 1961, 341 – 347 (England); Walz 1961, 371 – 395 (Italien); Winklhofer 1961, 396 – 407 (Spanien und die spanische Mystik). Zum möglichen Einfluss auf die spanische und portugiesische Mystik und den spanischen Mystiker Johannes vom Kreuz: Siehe Navarro de Adriaensens 1962, Ricard 1963, 219 – 233; Orcibal 1963, 235 – 279.

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