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in die Meditation sowohl in kirchlichen Kontexten angeboten werden wie auch in Frauenbildungshäusern, die sich im feministischen Spektrum beheimaten. Die teilnehmenden Frauen wählen unter den verschiedenen Angeboten aus und das Kriterium für die Wahl ist das, was passt, was momentan anspricht.

      Frauen feiern Liturgien, begehen Rituale, weil sie erkannt haben, dass diese in ihren Nöten und Sorgen, ihren Freuden und Hoffnungen ein Segen sind. In diesen Situationen greifen Rituale. Sie helfen den Menschen, die durch sie hindurchgehen, wieder mit sich und der Umwelt in eine Balance zu kommen. In ihren Liturgien und Ritualen erschließen sich Frauen einen Raum, in dem sie ihre Anliegen zum Ausdruck bringen können. Damit überschreiten sie die bestehende Ordnung institutionalisierter Religion und sie wagen viel, weil sie Unerhörtes zum Ausdruck bringen. Sie gehen das Risiko ein, ausgegrenzt, ausgeschlossen und diszipliniert zu werden. Oder aber ihr Tun und Handeln wird abgetan, nicht ernst genommen. Und damit stehen sie in der Spannung von Macht und Ohnmacht (vgl. Sander 2001). Die Macht kommt in ihren Erfahrungen zum Ausdruck, die als befreiend erlebt werden. Die Ohnmacht wird in ihrer Position der Institution gegenüber greifbar.

      In dieser Arbeit sollen unterschiedliche Orte und Positionen von Frauen in den Blick genommen und analysiert werden. Zugleich soll ein Ausweg, ein kreativer Umgang mit der Macht und Ohnmacht vorgeschlagen werden. Konstitutiv für den Vorschlag ist es, die Bedeutung der randständigen Orte der Frauenliturgien aufzudecken und zugleich das Verhältnis von Rand und Mitte, Innen und Außen nicht über den gegenseitigen Ausschluss zu bestimmen, sondern diese in eine jeweils neu herzustellende Balance zu bringen. Die Balancen sind dann möglich, wenn die Stärken ausbalanciert werden. Eine Konzentration auf die Schwächen führt ins Ungleichgewicht. Das Ressentiment, die schielende Seele, wie Nietzsche es genannt hat, kann keine Basis für eine Balance sein (Nietzsche 1999, 270 ff.). Ein vom Ressentiment geprägtes Handeln schielt auf die Schwächen der anderen, um die eigenen Stärken zu finden. Ein solches Handeln bohrt kundig nach den Schwächen bei den anderen, um sich selbst groß und vor allem besser zu fühlen (vgl. Sander 2003, 14). Ein solches Handeln definiert sich über Fremddenunziation (vgl. Bucher 2004b, 21).

      Ein Blick in das Neue Testament zeigt, dass auch Jesus um die Versuchungen des Ressentiments weiß. Er benennt die schielende Seele in einem Gleichnis (vgl. Sander 2003, 14): „Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet: ‚Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal die Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.‘ (Lk 18,10–12) Hier zeigt sich, dass die Stärke des einen von der Schwäche des anderen abhängt. Die Schwächen der anderen gibt es tatsächlich, aber eine schielende Seele macht deutlich, dass sie selber über keine wirklichen Stärken verfügt. Wächst der andere über seine Schwächen hinaus, dann zeigt sich die eigene Schwäche erst richtig. Der Zöllner betet im Gleichnis: ‚Gott, sei mir armem Sünder gnädig!‘ (Lk 18,13) und wächst damit über sich hinaus. Wenn die Kirche oder die Frauen auf den jeweils anderen schielen, dann blüht ihnen das, womit Jesus sein Gleichnis beschließt: ‚Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wir erhöht werden.‘ (Lk 18,14)“

      Auch in der Beziehung zwischen Kirche und Frauen lockt das Ressentiment. Frauen nähren es dadurch, dass sie vielfach ihre Verbindung mit dem Ursprung ihres Glaubens und der Tradition verloren haben. Sie sind nicht mehr in der Lage oder bereit, sich in produktiver Art und Weise auf diesen Ort zu beziehen. In Bezug auf die Kirche ist festzustellen, dass sie ihre Sprachfähigkeit in der Gegenwart mehr und mehr zu verlieren scheint, und manchmal hat es den Anschein, dass sie gar nicht versteht, was die Bedürfnisse der Frauen sind. Sowohl von den Frauen wie auch von der Kirche her lässt sich deutlich das Problem der Zweiheit und der Differenz identifizieren. Dieses Problem zeigt sich gerade auch in der Lösungsstrategie, die für Frauen und die Kirche in der Regel darin besteht, den jeweils anderen Pol mit seinen Schwächen, aber ohne seine Stärken zu sehen, wie auch in dem Mechanismus, ihn auszuschließen (vgl. Sander 2005c, 6).

      In der vorliegenden Arbeit kommen Frauen zu Wort, die an unterschiedlichen Orten an Frauenliturgien und Frauenritualgruppen teilnehmen. Ihre Aussagen werden gerade auch darauf hin untersucht, von welchen Zweiheiten sie sprechen und wie sie mit diesen umgehen, ob sie das jeweils Andere ausschließen oder die beiden Aspekte ausbalancieren und wie ihnen das gelingt. Für die Frauen wie für die Kirche geht es dabei um die Anerkennung der Differenz und damit letztlich auch um die jeweilige Pluralitätstauglichkeit, die in einer fortwährenden Bewegung der Balance zu finden ist und damit erst tragfähige Schritte in die Zukunft möglich macht.

      1.1.4 Geschichte der Frauenliturgiebewegung.

      Überblick über Entstehung und zentrale Inhalte

      Mit der Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils hat sich die katholische Kirche eine Basis gegeben, um mit den Pluralitäten in ihrem Innern wie der Gesellschaft umzugehen. Dies wird nicht zuletzt im neuen Pastoralbegriff dieses Konzils zum Ausdruck gebracht. „Pastoral ist auf dem II. Vatikanum ein Gesamtbegriff für das evangeliumsgemäße Handeln der Kirche in der Gegenwart“ (Bucher 2004b, 35 f.). Es handelt sich dabei „um pastorale Solidarität, die der Glauben in den Problemen und Visionen der Menschen von heute einnehmen kann und in der er eine Autorität unter ihnen gewinnt“ (Sander 2005b, 610). Dazu bedarf es einer deutlichen Ortsbestimmung. Die Kirche soll „sich in den Zeichen der Zeit und damit unter den Menschen, oder genauer: in Liebe und Achtung der Menschen und deshalb mitten in ihren Nöten und Erwartungen, positionieren. Das ist der Vorgang der Pastoral. Sie hebt die Kirche nicht ab von der Zeit, sondern gibt ihr inmitten der Probleme und Entwicklungen der Zeit einen Ort“ (ebd., 701).

      Betrachtet man jedoch die Realität, dann muss festgestellt werden, dass es an deren Umsetzung in der Praxis vielerorts mangelt bzw. die Realisierung nur unzureichend versucht wurde. In der Regel waren es Versuche und Unternehmungen der gemeindlichen Reform (vgl. Wess 1996). „Die gemeindetheologische Modernisierung der Nachkonzilszeit wollte freigeben (‚mündiger Christ‘) und gleichzeitig wieder in der ‚Pfarrfamilie‘ eingemeinden. Sie wollte Priester und Laien in ein neues gleichstufiges Verhältnis bringen – bei undiskutierbarem Leitungsmonopol des priesterlichen Gemeindeleiters. Sie wollte eine Freiwilligengemeinschaft sein, die aber auf ein spezifisches Territorium bezogen sein sollte, sie wollte für alle da sein, war es aber doch für immer weniger […]. Die Gemeindetheologie 1970 formulierte ein spezifisches innerkirchliches sozialtechnologisches Projekt. Sie versprach Vergemeinschaftung jenseits der Repression einer unverlassbaren Schicksalsgemeinschaft und doch diesseits der unheimlichen und ungebändigten Freiheit des Einzelnen“ (Bucher 2010, 314–316). Aber auch diese Versuche haben nicht verhindern können, dass kirchliche Sozialformen wie die Pfarrgemeinde unter Druck geraten sind und die Kirche ihr Monopol als „Anbieterin“ von geistlicher Begleitung und Ritual verloren hat. Ein nüchterner und analytischer Blick zeigt, dass sich die Kirche heute mehr denn je in die Konkurrenz mit anderen Religionen, mit Sufi-Meister/-innen, Göttinnenreligionen und weisheitlichen Lehren gestellt sieht.8

      Die Pluralität der Mitglieder des Volkes Gottes anzuerkennen und sie als Orte der Theologie zu begreifen, ist noch immer ungewöhnlich und fällt schwer. Denn das bedeutet für das pastorale Handeln: „Wir müssen permanent versuchen, Sinn und Bedeutung des Evangeliums auch aus der Perspektive der anderen zu entdecken. Es genügt nicht, die alten Formeln des Glaubens nur zu wiederholen, selbst wenn sie für uns tatsächlich etwas bedeuten – was allerdings weder selbstverständlich noch ein für alle Mal gesichert ist. Ohne diese Fähigkeit zum Perspektivenwechsel ist in Zukunft und auch heute schon keine Pastoral mehr möglich. […] Der Kontrast zwischen diesen vielen Welten und unserer (durchaus vielleicht gerne bewohnten) kirchlichen Welt braucht nicht versteckt zu werden: Es gilt, ihn vielmehr kreativ werden zu lassen. […] Das aber ist die Aufgabe der Kirche und aller Pastoral: Kirche wird das Volk Gottes, wenn sie in Wort und Tat das Evangelium vom Leben der Menschen her eröffnet und das Leben vom Evangelium her begreift“ (Bucher 2004b, 40).

      Für die Kirche in ihrem Verhältnis zu Frauen würde eine Umsetzung dieses zentralen Gedankens bedeuten, dass die, die sich im Innen der Kirche engagieren, nicht

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