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im Land selbst unter konspirativen Bedingungen auf den Empfang der Weihen vorbereitet. Die Weihen wurden weithin durch Bischöfe aus den Nachbarländern, insbesondere aus Polen und der damaligen DDR unter z.T. abenteuerlichen Umständen vollzogen. Ich selbst gehörte in meiner Amtszeit zu jenen Bischöfen, wobei ich diese Praxis von meinem Vorgänger, Bischof Hugo Aufderbeck, übernahm und bis zum Ende der kommunistischen Zeit 1989 weiterführte.

      Verdienstvoll an der vorliegenden Arbeit ist nicht nur das Sammeln und Zusammenstellen der einzelnen Weihen, sondern auch die Erforschung, Beschreibung und Einordnung dieser Weihen in der damaligen kirchlichen und gesellschaftlichen Situation. So hat Frau Vybíralová eine Vielzahl von erteilten Weihen aus diesen Jahren eruiert, wenn auch manchmal Unsicherheiten nicht ausgeräumt werden konnten. Das ist angesichts der damaligen Situation auch nicht verwunderlich. Besondere Würdigung muss freilich aus meiner Sicht das Bemühen der Autorin finden, auch mit den noch lebenden geheim geweihten Welt- und Ordensgeistlichen Kontakt aufzunehmen, deren Einschätzung ihres konkreten geistlich-kirchlichen Weges festzuhalten und ihr weiteres Wirken – zumindest kursorisch – zu skizzieren. So ergibt sich ein realistisches Gesamtbild der damaligen Praxis, die Ausbildung und Weihe von Priestern auf diesem Weg im Geheimen abzusichern. Dabei werden auch die Schwierigkeiten und Probleme, die diese Praxis mit sich brachten, nicht verschwiegen. Nach der „samtenen“ Revolution von 1989 war in manchen Fällen, in denen an der Gültigkeit einer Weihe aus verschiedensten Gründen Zweifel blieben, eine sorgsame kirchliche Überprüfung bzw. rechtliche Klärung erfolgter Weihehandlungen eine wichtige Hilfe für Betroffene, aber auch für die Ortskirchen.

      Der Verfasserin ist zu danken, dass sie trotz vielfältiger beruflicher und familiärer Verpflichtungen dieses schwierige Einzelthema aus der jüngeren Kirchengeschichte ihrer Heimat aufgegriffen und so sorgfältig und im Urteil abgewogen zu Ende geführt hat. Möge aus dem leidgeprüften Glaubensmut derer, über die sie in dieser Arbeit berichtet, der tschechischen Kirche der Gegenwart reicher Segen erwachsen!

      + Joachim Wanke

      Bischof emeritus von Erfurt

       Einleitung

      Es ist zur Regel geworden, dass sich Autoren, die sich mit dem Thema der verborgenen Kirche in der Tschechoslowakei beschäftigen, am Anfang ihrer Arbeit auch zu ihrer eventuellen persönlichen Beziehung zu diesem Teil der katholischen Kirche äußern. Für jeden nämlich, der sich in dieses Thema vertieft, wird es allmählich anstrengend, die notwendige Distanz zu halten. Ich bin wahrscheinlich einer der wenigen Autoren, die dieses Thema wählten, ohne vorher enge Kontakte mit Leuten zu haben, die vor dem Jahr 1989 in der Untergrundkirche aktiv waren. Ich wusste selbstverständlich von der Verfolgung der Kirche, von den legendären geheimen Ferien mit Salesianern usw., aber von meiner nahen Umgebung beteiligte sich keiner daran. Ich erinnere mich noch, dass ich im Jahr 1997 mit einer Gruppe durch Brünn fuhr und ein Priester uns eine dortige Kirche mit den Worten zeigte: „Hier wirkt als Katechetin eine Frau, die zum Priester geweiht wurde.“ Das klang natürlich seltsam und ich wandte dagegen ein: „Das geht doch in unserer Kirche nicht.“ Darauf reagierte dieser Priester nur: „Und trotzdem ist das passiert.“ Zehn Jahre später fuhr ich mit meinem Kommilitonen Sebastian nach Münster an die Uni, wo wir kanonisches Recht studierten. Wir plauderten unterwegs über viele Themen, auch über die geheimen Weihen und die Untergrundkirche in der ehemaligen Tschechoslowakei. Auf meine Erzählung reagierte er mit den Worten: „Das wäre doch ein Thema für die Lizentiatsarbeit.“ Aus hauptsächlich familiären Gründen vollendete ich meine Dissertation erst weitere zehn Jahre später und jetzt bekommen die Leser diese Studie in die Hand.

      Wie gesagt, am Anfang meiner Forschung über die Untergrundkirche in der Tschechoslowakei dachte ich mir, dass ich im Gegensatz zu anderen Autoren keine nähere Beziehung zu diesem Teil der Kirche habe und deswegen die besten Bedingungen für eine höchst objektive Arbeit erfülle. Bald darauf, schon in der Phase der ersten Einarbeitung in das Thema, wurde mir bewusst, wie sehr ich mich täusche – nämlich wie viele Menschen um mich herum mit der verborgenen Kirche verbunden waren. In meiner ursprünglichen Pfarrgemeinde (Mährisch Ostrau) wirkte in der ersten Hälfte der 1990er Jahre P. Pavel Vácha, der ein griechisch-katholischer verheirateter Priester ist und gleichzeitig als Biritualist die Messe in beiden Riten zelebrieren durfte. Als verheirateter Mann mit einer Familie war er ein oft aufgesuchter Beichtvater. Erst mehr als zehn Jahre später stellte ich mit großer Überraschung fest, dass er von Bischof Felix Davídek geheim zum Priester geweiht worden war. Aber noch zwei weitere, verstorbene Kleriker meiner Pfarrgemeinde wurden ebenfalls geheim geweiht: P. Josef Freml SDB von Bischof Štěpán Trochta und Diakon Jozef Sotoniak in Polen. Außer dieser Geistlichen wirken in dieser Pfarrgemeinde als ihre aktiven Mitglieder Kinder und Enkelkinder von zwei anderen geheim geweihten verheirateten griechisch-katholischen Priestern. Dies alles erfuhr ich erst viele Jahre später. Spätestens in dem Moment wurde mir selbstverständlich klar, dass meine ursprüngliche Überzeugung über meine eigene Objektivität sich in eine ständige Bemühung um Selbstreflexion und einen genügend kritischen Zugang zum Thema verwandeln musste.

      Am Anfang meiner Forschung über geheime Weihen in der Tschechoslowakei ahnte ich nicht, wie anspruchsvoll das Thema ist. Ich hatte keine deutliche Vorstellung über die Quellenlage. Mehrmals wurde ich gewarnt, dass ich zu den wichtigen Quellen überhaupt keinen Zugang bekomme und mir lieber ein anderes Thema wählen sollte. Die Warnung bestätigte sich teilweise – es gelang mir wirklich nicht, in Kontakt mit Repräsentanten der Gemeinschaft Koinótés zu treten, die vatikanischen Archive aus dem Pontifikat des Papstes Pius XII. wurden noch nicht geöffnet bzw. ich bekam keine Sondererlaubnis zur Forschung in diesen Archiven. Auf der anderen Seite verdiente die große Menge des Materials, das mir für meine Forschung zur Verfügung stand, eine viel ausführlichere Untersuchung, als mir letztendlich gelang. Das Thema meiner Forschung erwies sich als sehr breit, deswegen sollte der Titel eher lauten: Einige kirchenrechtliche Aspekte der geheimen Weihen. Es war unmöglich, sich mit allen kirchenrechtlichen Fragen bezüglich der geheimen Weihen auseinanderzusetzten. Das Thema musste ich der Quellenlage anpassen, ich arbeitete mit Akzent auf diejenigen Quellen, die mir zugänglich gemacht wurden.

      Bewusst beschäftige ich mich in dieser Studie nicht mit den Fragen, ob überhaupt der Aufbau einer kirchlichen Geheimstruktur und geheime Weihen sinnvoll waren. Das Überleben der Kirche in Ostasien 300 Jahre ohne Priester ist zwar ein theologisch interessantes Faktum, jedoch ohne große Relevanz für meine Arbeit. Ebenfalls beschäftige ich mich nicht mit den theologischen Fragen der Motivation einiger Mitglieder der Untergrundkirche zu ihrem Handeln und verweise lieber auf diesbezüglich eingehendere Literatur. Ich befasse mich nicht mit den in der verborgenen Kirche anwesenden großen theologischen Visionen. Ich suche eher nach konkreten Fakten und versuche, eine Rekonstruktion und Analyse der kirchenrechtlich wichtigen Momente wie Übergabe der geheimen Fakultäten oder Anzweiflung der in der Linie von Bischof Felix Davídek erteilten Weihen zu unternehmen.

      Die Fragen nach den geheimen Weihen werden auch heute noch von manchen Zeitgenossen und Zeugen als indiskret wahrgenommen. Ich wurde von mehreren geheim geweihten Klerikern mit meiner Bitte um ein Interview abgewiesen. Auch deswegen schätze ich alle meine Gesprächs- bzw. Korrespondenzpartner und bin ihnen sehr dankbar, dass sie zu einem Interview mit mir bereit waren. Zu der Wahrnehmung meiner Fragen als indiskret kommt auch die Tatsache, dass (nicht nur) ein Großteil der nachkonziliaren Untergrundkirche ihre spezifische, nämlich negative Sicht auf das Kirchenrecht hat. Das ist sicherlich mit der dominanten Stellung des Kirchenrechts vor dem Konzil („Kodex vor Bibel“), mit der Atmosphäre in der Kirche und in der Gesellschaft nach dem Konzil Ende der 1960er Jahre und letztendlich mit einer schlechten Erfahrung (Rechtspositivismus in der Kirche) einiger von ihnen verbunden.

      Die Begriffe „Untergrundkirche“, „verborgene Kirche“, „geheime Kirche“, „verborgene Gemeinschaft“ usw. verwende ich in den meisten Fällen synonym (ebenfalls wie „geheime Weihe“, „klandestine Weihe“, „Weihe im Verborgenen“ usw.). Ich bezeichne so alle Aktivitäten der verschiedenen Gruppen und Gemeinschaften innerhalb der einen katholischen Kirche in der Tschechoslowakei, die vor dem herumschnüffelnden Auge des kommunistischen Regimes verborgen bleiben sollten. Manche Autoren schlagen neue Begriffe wie z. B. „verborgenes Leben der Kirche“, „geheime kirchliche Strukturen“1 oder (kirchliche)

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