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Schatz wandte sich gerade zum Gehen, als Zeller sie nach einem weniger belagerten Ausgang fragte. Sie führte die beiden zum seitlichen Mitarbeitereingang und ließ sie hinaus.

      »Hier soll das Auto vom Richter gestanden haben. Ganz schön clever. Da denkt man doch, es gehört einem, der hier arbeitet«, meinte der Hauptkommissar zu seiner Kollegin.

      Sie kamen ohne große Schwierigkeiten an ihren Dienstwagen und fuhren zurück in die Stadt. Zeller rief im Büro an und fragte nach der privaten Adresse von Schuhmacher. Sie war nicht weit weg von hier, zentral gelegen, unterhalb der Königsstraße. Als sie dort eintrafen, sahen sie bereits zwei Autos der K8 vor dem Haus parken. Die sind wirklich auf Zack, dachte sich Zeller, da wird nichts auf die lange Bank geschoben. Ulli Brenner hatte ihre Truppe gut im Griff.

      Kaum waren sie an der Wohnungstür angelangt, flogen ihnen zwei weiße Overalls entgegen. Zum dritten Mal an diesem Tag quälten sie sich hinein.

      »Ich fasse es nicht, Paul. Schon wieder du. Anscheinend verfolgst du mich«, begrüßte ihn Ulli scherzhaft. Natürlich hatte sie ihn längst erwartet.

      Zeller lachte. »Das hättest du wohl gern. Aber leider muss ich dich enttäuschen, du bist nicht der Grund, warum ich hier bin.« Er sah sich um. »Auf den ersten Blick eine ganz normale Wohnung. Ich hätte eigentlich erwartet, dass Schuhmacher anders gelebt hat. Wesentlich mondäner, mit einem alten, aus dunklem Mahagoniholz und bequemen Sesseln bestehenden Herrenzimmer, wo er abends gerne eine Zigarre rauchte und ein Glas Whisky dazu trank. Der Richter bekleidete seinen Posten schließlich schon seit etlichen Jahren. Ob er hier illustre Gäste empfangen hat? Kann ich mir nicht vorstellen. Na, immerhin verfügt die Wohnung über einen Balkon.«

      »Wusstest du nicht, dass er geschieden war? Wie es heißt, hat er dabei sein Haus in Zimmern ob Rottweil und nicht gerade wenig Geld verloren. Seine ehemalige Angetraute hat ihn ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Sie lebt jetzt auf Gran Canaria und lässt es sich gut gehen. Das hat ihn total aus der Bahn geworfen. Noch dazu musste er seine zwei Kinder unterstützen, die beide studieren.« Ulli kannte sich blendend aus. Immer wenn Zeller Hintergrundinformationen zu stadtbekannten Leuten benötigte, fragte er zuerst die Leiterin der Kriminaltechnik. Erst wenn sie nichts wusste, und das war äußerst selten der Fall, versuchte er, andere Quellen anzuzapfen.

      »Sucht nach Fremdspuren. Vielleicht war der Richter gestern Abend nicht allein. Sein Auto jedenfalls hatte er am Turm stehen gelassen. Außerdem hatte es einen handfesten Streit bei seinem Vortrag gegeben. Von hier aus ist es nicht sonderlich weit bis zum Hofgerichtsstuhl, wo man ihn gefunden hat. Die Strecke könnte ein Mann alleine schaffen, ohne für den Transport der Leiche ein Auto nehmen zu müssen«, überlegte Zeller laut.

      »Es ist immer wieder schön, wenn du uns sagst, wie wir unsere Arbeit zu machen haben. Was würden wir nur ohne dich anstellen, Paul«, parierte Ulli die Gedankenspiele des Kommissars.

      »Ich meine ja nur«, knurrte der zurück und es war nicht zu übersehen, dass er der Frotzelei überdrüssig wurde. Er schaute noch etwas unschlüssig in der Wohnung umher und sagte dann zu Elli Jones: »Kommen Sie, wir gehen woanders hin. Hier sind wir unerwünscht. Der Tag war bisher schon hart genug, da wird uns eine kleine Pause guttun.«

      Sie spazierten von der Wohnung des Richters aus zuerst auf die Königsstraße. Zeller hatte die Hände in den Taschen seines Mantels vergraben. Den schwarzen Borsalino aus Biberhaar hatte er tief ins Gesicht gezogen. Unmittelbar nach dem Café »Herz« blieb er ohne Ankündigung stehen und überquerte die Straße. Ein entgegenkommendes Auto musste abrupt bremsen. Der Fahrer zeigte dem Kommissar den Vogel und schimpfte wie ein Rohrspatz in seinem Fahrzeug. Zeller winkte ab und lief rasch weiter, so schnell, dass Jones Probleme bekam, mit ihm Schritt zu halten. Kaum auf der anderen Seite angelangt, sah die junge Polizistin das Park-Hotel, offenbar der Grund für die gefährliche Straßenüberquerung ihres Kollegen.

      Zeller stürmte in das Gebäude und direkt zur Rezeption. Jones folgte ihm.

      »Sind alle Ihre Gäste noch im Haus oder haben heute schon welche ausgecheckt?«, fragte der Kommissar, ohne sich lange mit Begrüßungsfloskeln aufzuhalten.

      »Wer will das wissen?«, erkundigte sich die schwarzhaarige Frau hinter der niedrigen Theke anstelle einer Antwort. Auf einem weißen Schildchen am Revers ihrer roten Jacke stand »Martina Donatu«.

      Zeller zeigte ihr seinen Ausweis und stellte sich vor.

      Die Frau schaute in ihren PC. »Nein. Sie haben anscheinend Glück, es sind alle noch da. Ein Pärchen will morgen abreisen, zwei einzelne Herren bleiben bis Mittwoch. Sie sind zu dieser Zeit unterwegs. Keiner von ihnen ist im Augenblick im Hotel. Hier, sehen Sie, alle Gäste haben Ihre Schlüssel bei mir hinterlegt.« Sie zeigte mit einer ausholenden Geste zum Schlüsselregal hinter sich. Tatsächlich waren alle Fächer komplett belegt.

      »Wer bewohnt die Zimmer mit den Fenstern zur Straße hinaus?«

      Frau Donatu überlegte. »Lassen Sie mich kurz nachschauen. Ach, den Herrn hier hatte ich ganz vergessen. Er kam gestern spätabends unangemeldet an und bestand darauf, dass ich ihm noch ein Zimmer zuweise. Es gibt viele Hotels in Rottweil, da musste es doch nicht unbedingt meines sein, oder was sagen Sie? Er hat mich richtig in Stress versetzt und ich musste einiges umplanen. Dazu bezahlte er die Übernachtung im Voraus, also durfte ich ihm auch noch eine Rechnung ausstellen. Anschließend nahm er den Schlüssel entgegen, stellte seine Tasche ab und verschwand wieder. Einfach so.«

      »Was ist ›spätabends‹ bei Ihnen?«

      »Nach 19 Uhr.«

      »Wissen Sie, wohin der Mann wollte?«, fragte Zeller gespannt.

      »Er ist gleich zum Testturm gefahren. Da gab es wohl einen Vortrag oder so was Ähnliches. Warum fragen Sie, Herr Kommissar?«

      »Haben Sie sein Auto gesehen?«

      »Nur kurz. Es war ein SUV oder ein Kleinbus. Ich kenne mich da nicht aus. Die Farbe war jedenfalls dunkel«, antwortete die Rezeptionistin.

      »Kann ich den Herrn sprechen?«

      Das sei leider nicht mehr möglich, erklärte sie nach einem Blick in ihren PC. Der Gast sei in den frühen Morgenstunden abgereist.

      Als Zeller wissen wollte, wann er denn nach dem Vortrag ins Hotel zurückgekehrt sei, konnte sie ihm keine Auskunft geben. Sie selbst habe ihn nicht mehr angetroffen und der Nachtportier, der ihm sicherlich weiterhelfen könne, erscheine erst heute gegen 22 Uhr wieder zum Dienst. Da könne Zeller gerne noch einmal wiederkommen und ihn selbst fragen.

      Der Kommissar verlangte die Daten des Gastes. Umständlich schrieb die Rezeptionistin diese auf einen Zettel und versprach, sich bei ihm zu melden, sobald die anderen Herrschaften von ihren Ausflügen zurückkehren würden. Zellers Karte steckte sie sich dafür extra auf die Tastatur ihres PC.

      Die beiden Kriminalbeamten verließen das Hotel. Zeller betrachtete den gerade mal 25 Meter entfernt liegenden Tatort von heute Morgen. Rechts daneben das Postamt, davor eine Bushaltestelle ohne einen wartenden Menschen. Am großräumig abgesperrten Ort des Verbrechens arbeiteten immer noch die Techniker aus Ullis Team. Mittlerweile dehnten sie die Suche auf die angrenzende Wiese aus, bis hin zur Post. Zwei andere überprüften die Parkplätze und den Bürgersteig der danebenliegenden Querstraße.

      Zeller widerstand der Versuchung, zu den Kollegen hinüberzugehen und nach den bisherigen Ergebnissen zu fragen. Seine Neugierde kam nicht immer gut an. Manchmal wirkte es so, als ob er ungeduldig sei oder, schlimmer noch, die Techniker bei ihrer Arbeit kontrollieren wolle. Stattdessen fragte er Jones, ob sie Lust hätte, einen Kaffee mit ihm zu trinken.

      Sie willigte ein. Dieser Tag war nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Da war ein Kaffee genau das Richtige.

      Nach ein paar Metern wechselten sie beim Kreisverkehr in die Stadionstraße und liefen weiter geradeaus, bis Zeller plötzlich scharf links in einen Hof einbog und direkt in den Bioladen »b2« stapfte. Im dortigen Bistro angekommen, bestellte er sich bei der Verkäuferin mit den knallroten Haaren einen doppelten Espresso.

      »Wie immer, Herr Kriminalhauptkommissar?«, fragte sie und lächelte ihn freundlich an.

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