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und geliebt wurde, glaubte er, derselbe wolle wegen der Unbill, die er ihm zugefügt hatte, das Kloster verlassen. Deshalb forschte er näher nach und fragte: „Wohin willst du denn gehen?” Libertinus antwortete: „Vater, es ist für das Kloster ein gerichtlicher Termin angesetzt, von dem ich nicht wegbleiben kann; da ich gestern versprochen habe, heute zu kommen, will ich jetzt hingehen.” Da erkannte der Abt vom Grunde des Herzens sein hartes und liebloses Verhalten sowie die Demut und Sanftmut des Libertinus, sprang vom Lager auf, umschlang seine Füße und bekannte, daß er gesündigt und gefehlt habe, indem er einem so großen und heiligen Mann eine so arge Kränkung anzutun wagte. Aber auch Libertinus fiel nieder und warf sich ihm zu Füßen mit der Beteuerung, nicht durch den Zorn des Abtes, sondern durch seine eigene Schuld sei ihm eine solche Behandlung widerfahren. Auf diese Weise wurde der Abt zu großer Sanftmut geführt, und die Demut des Jüngers ward so zur Meisterin des Lehrmeisters. Als er nun aufs Gericht ging, sahen viele bekannte und adelige Männer, die ihn sehr verehrten, mit Verwunderung sein geschwollenes und blauunterlaufenes Gesicht und erkundigten sich angelegentlich, was es denn damit für eine Bewandtnis habe. „Gestern abend”, sagte er ihnen, „stieß ich wegen meiner Sünden an einen Fußschemel und zog mir dieses zu.” So wahrte der Heilige in seinem Herzen die Ehre der Wahrheit sowohl als die Ehre seines Meisters, indem er einerseits des Abtes Fehler nicht verriet, anderseits keiner Unwahrhaftigkeit sich schuldig machte.

      Petrus. Hat wohl dieser ehrwürdige Libertinus, von dem du so viele Zeichen und Wunder erzählt hast, in der ausgedehnten Kongregation keine Nachahmer seiner Tugenden hinterlassen?

       III. Kapitel: Von dem Bruder Gärtner des nämlichen Klosters

      Gregorius. Felix7 mit dem Beinamen der Krumme, den du selbst gut kennst, und der noch vor kurzem Prior des dortigen Klosters war, hat mir viel Wunderbares von den Mönchen jenes Klosters erzählt. Es fällt mir manches davon ein, ich muß es aber übergehen, da ich zu etwas anderem zu kommen trachte. Doch eine Begebenheit, die er mir erzählte, darf ich nicht verschweigen.

      In jenem Kloster war ein heiligmäßiger Mönch Gärtner. Es kam aber regelmäßig ein Dieb, stieg über den Zaun und trug heimlich Gemüse davon. Da nun der Gärtner vieles pflanzte, was der Dieb weniger leicht hätte finden sollen, und er dennoch einen Teil davon zertreten, den andern gestohlen sah, ging er den ganzen Garten ab und fand endlich die Stelle, wo der Dieb immer hereinkam. Als er nun weiter im Garten auf und ab ging, fand er eine Schlange und sagte zu ihr: „Komm mit mir!” An der Stelle angelangt, wo der Dieb hereinkam, sagte er zur Schlange: „Im Namen Jesu befehle ich dir, daß du mir auf diese Stelle acht habest und keinen Dieb hereinkommen lassest!” Sogleich legte sich die Schlange der Länge nach quer über den Weg, während der Mönch in seine Zelle zurückkehrte. Als nun alle Brüder zur Mittagszeit ihre Ruhe hielten, kam wie gewöhnlich der Dieb und kletterte über den Zaun; als er seinen Fuß in den Garten setzen wollte, sah er plötzlich, daß eine langgestreckte Schlange ihm den Weg versperrte. Vor Schrecken fiel er rücklings herab und blieb mit seinem Schuh an einem Zaunpfahl hängen. So mußte er mit dem Kopfe nach abwärts hängen bleiben, bis der Gärtner wieder kam. Zur gewohnten Stunde kam dieser und sah den Dieb an dem Zaune hängen. Zur Schlange sprach er: „Gott sei Dank! Du hast deine Sache gut gemacht, jetzt gehe wieder!”, und sogleich entfernte sie sich. Alsdann trat er an den Dieb heran und sagte zu ihm: „Was ist das, Bruder? Gott hat dich mir in die Hände gegeben. Warum hast du es gewagt, der Mönche Arbeit so oft zu bestehlen?” Unterdessen machte er seinen Fuß vom Zaune, wo er hängen geblieben war, los und stellte ihn unverletzt auf den Boden. Mit den Worten: „Folge mir!” führte er ihn zur Gartentüre und gab ihm mit großer Güte und Freundlichkeit soviel Gemüse, als er hatte heimlich nehmen wollen, und sagte: „Gehe nun hin und stiehl in Zukunft nicht mehr. Solltest du etwas notwendig haben, so komme hier zu mir herein, und mit Freuden will ich dir geben, was du sonst nur unter einer Sünde und mit großer Mühe wegnehmen könntest.

      Petrus. Ich war bis jetzt, wie ich sehe, ganz ohne Grund, der Meinung, daß es in Italien keine Väter gegeben habe, die Wunderbares taten.

       IV. Kapitel: Von Equitius,8 Abt in der Provinz Valeria9

      Gregorius. Was ich jetzt erzähle, erfuhr ich von dem ehrwürdigen Fortunatus, Abt des Klosters Balneum Ciceronis,10 sowie aus dem Munde einiger anderer ehrwürdiger Männer.

      Im Gebiete der Provinz Valeria lebte ein heiligmäßiger Mann namens Equitius, der dort, wie es sein Leben verdiente, allgemeine Bewunderung genoß, und zu dem Fortunatus in freundschaftlichen Beziehungen stand. Equitius war wegen seiner großen Heiligkeit erklärlicherweise der Abt über viele Klöster der dortigen Provinz. Er wurde in seiner Jugend von sinnlichen Lockungen aufs heftigste angefochten, und gerade diese schweren Versuchungen führten ihn zu besonders eifriger Pflege des Gebetes. Als er nun unablässig Gott den Allmächtigen anflehte, er möge ihm in dieser Bedrängnis zu Hilfe kommen, hatte er einmal in der Nacht ein Gesicht, als ob ein Engel zu ihm träte und er verschnitten würde. In dieser Erscheinung zeigte es sich an, daß ihm jede sinnliche Regung benommen wurde. Von jener Zeit an war er so von allen Versuchungen frei, als ob er dem Leibe nach kein Geschlecht hätte. Im Vertrauen auf diese wunderbare Hilfe des allmächtigen Gottes unternahm er es, ähnlich wie er bisher Männer geleitet, so auch Frauen vorzustehen. Er unterließ es aber niemals, seine Jünger zu mahnen, daß sie nicht in dieser Sache wegen seines Beispiels zu leicht auf sich selbst vertrauen, und zu ihrem Falle sich eine Kraft zuschreiben sollten, die sie nicht empfangen hätten.

      In jener Zeit wurden hier in Rom die Zauberer gefänglich eingezogen. Damals flüchtete sich Basilius, ein Hauptmagier, in einem Mönchshabit in die Valeria. Er begab sich zum hochwürdigsten Bischof Castorius von Amiternum11 und bat ihn, er möge ihn dem Abt Equitius zuweisen und zur Aufnahme in sein Kloster empfehlen. Da begab sich nun der Bischof ins Kloster, brachte den Basilius als Mönch mit sich und ersuchte den Diener Gottes Equitius, diesen Mönch in sein Kloster aufnehmen zu wollen. Kaum hatte jedoch der heilige Mann ihm ins Antlitz gesehen, so sprach er: „Den du mir da empfiehlst, Vater, der ist, ich sehe es, kein Mönch, sondern ein Teufel.” Da entgegnete der Bischof: „Du suchst nur einen Vorwand, mir meine Bitte abschlagen zu können.” Darauf erwiderte der Diener Gottes: „Ich bezeichne ihn als das, als was ich ihn sehe. Doch damit du nicht meinst, ich wolle dir nicht gehorchen, erfülle ich deinen Wunsch.” Basilius wurde also ins Kloster aufgenommen. Nach einigen Tagen entfernte sich der Diener Gottes etwas weiter vom Kloster, um die Gläubigen zu himmlischen Begierden zu ermahnen. In seiner Abwesenheit verfiel in dem Frauenkloster, das unter seiner Leitung stand, eine der Frauen, die dem verweslichen Fleische nach schön aussah, in ein heftiges Fieber. Sie hatte große Beklemmungen und stieß mehr knirschend als rufend hervor: „Ich muß auf der Stelle sterben, wenn nicht der Mönch Basilius kommt und mich durch seine Heilkunst wieder gesund macht.” Keiner von den Mönchen jedoch durfte es wagen, in Abwesenheit des Heiligen das Frauenkloster zu betreten, am wenigsten jener Neueingetretene, dessen Lebenswandel die Kongregation noch nicht kannte. Man sandte eilends einen Boten ab und ließ dem Diener Gottes Equitius sagen, daß jene Klosterfrau an einem ungemein heftigen Fieber erkrankte und daß sie sehnlichst nach einem Besuche des Mönches Basilius verlange. Als der Heilige dies hörte, lächelte er abweisend und sagte: „Habe ich nicht gesagt, daß dieser ein Teufel ist und kein Mönch? Gehet und jaget ihn aus dem Kloster! Wegen der Dienerin Gottes aber, die durch ein heftiges Fieber beängstiget wird, beunruhigt euch nicht weiter, denn sie wird von dieser Stunde an kein Fieber mehr haben und nicht mehr nach Basilius verlangen.” Der Mönch kehrte zurück und erfuhr, daß die gottgeweihte Jungfrau zur selben Stunde gesund wurde, zu welcher es der Diener Gottes Equitius in weiter Ferne gesagt hatte. Bei diesem Wunder folgte der Heilige dem Beispiele des göttlichen Meisters, der zum Sohne des königlichen Beamten gebeten wurde und ihn durch das Wort allein gesund machte,12 so daß der Vater bei seiner Rückkehr erfuhr, daß sein Sohn zu der gleichen Stunde dem Leben wiedergegeben worden war, zu welcher er dies aus dem Munde der ewigen Wahrheit vernommen hatte. Die Mönche kamen aber alle sogleich dem Befehle des Abtes nach und verstießen den Basilius aus der Klosterbehausung. Nach seiner Vertreibung aus dem Kloster erzählte er, er habe oft die Zelle des Equitius in die Lüfte erhoben, ohne jemandem darin ein Leid antun zu können. Nicht lange darnach wurde er hier in Rom, als das christliche

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