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Wir tun aber wohl gut daran, nicht den Maßstab der heutigen Kritik anzulegen, sondern uns in die damalige aufgeregte zu Außerordentlichem geneigte Zeit zurückzuversetzen. Gregor ging ja auch nicht ohne prüfenden Sinn vor; so schickte er den Priester Amantius von Tivoli in ein Krankenhaus, um zu erproben, ob er wirklich die Gabe der Krankenheilung besitze, und erkundigte sich darauf bei Bischof Floridus, der dabei war, und beim Diener, der die Kranken pflegte.7 Es läßt sich nicht feststellen, ob und welche Irrtümer im einzelnen Falle bei der Wahrnehmung und bei der Weiterverbreitung des Vorgangs unterliefen. Gregor selbst glaubte an die Wunder und an charismatische Gaben; er hat den freudigen, festen Glauben wie die Männer der ersten Glaubenszeit. Seine Einstellung dazu erkennen wir deutlich aus seinen eigenen Worten: „Das ist Himmelszier, das sind die Gaben des Hl. Geistes, die sich in mannigfachen Wunderkräften kundtun, wie sie in unerforschlicher Weise verteilt sind, wie sie Paulus aufzählt: dem einen wird durch den Geist die Rede der Weisheit gegeben, dem andern die Rede der Wissenschaft nach demselben Geiste, einem andern Glaube in demselben Geiste, einem andern die Gnade zu Heilungen in demselben Geiste, einem andern Wirken von Wunderkräften, einem andern Weissagung, einem andern Unterscheidung der Geister, einem andern Sprachengaben, einem andern Auslegung von Reden.” (1 Kor 12, 8-10)8 „Laßt uns, wenn wir im Glauben versucht werden, die Wunder derer betrachten, die uns den Glauben gebracht haben, und wir werden im Glauben befestiget werden; denn ihre Wunder sind unsere Schutzwehr.”9 Die Wunder an den Märtyrergräbern sind Gregor ein Beweis für die Glorie, in der sich die Seelen der Märtyrer befinden.10 Die wunderbaren Heilungen und Totenerweckungen haben die leidende Menschheit zum Glauben gebracht.11 Den Wogen der Kirchenverfolgungen hat Gott heilige Männer entgegengestellt, durch deren Wunder der Wogenanprall wie durch feste Tore abgewehrt werden sollte.12 Die Wunderkräfte sind von Gott nur zur Festigung im Glauben und zum Heil für andere verliehen. Darum schreibt Gregor an Bischof Augustinus, den Missionär, der in England viele Wunderzeichen tat: „Gott wählte zu Glaubensboten Männer, die sich nicht in den Wissenschaften hervortaten, um der Welt zu zeigen, daß sie nicht infolge ihrer menschlichen Weisheit, sondern durch Gottes Kraft zur Bekehrung gelange. Das ist gerade wieder der Fall gewesen, als Er in England durch schwache Menschen Großes wirkte. Doch muß man, lieber Bruder, bei dieser Himmelsgabe trotz aller Freude in großer Furcht sein. Ich weiß nämlich, daß der allmächtige Gott unter dem Volke, das er erwählte, durch Dich große Wunderzeichen hat geschehen lassen. … Freue Dich, daß die Bewohner Englands durch Wunderzeichen zur Gnade geführt wurden; sei aber in Furcht, daß die Seele ob der Wunder, die sie tut, nicht überheblich werde!”13

       7. Die Verbreitung

      Die Dialoge nennt P. Anselm Manser eine Fortsetzung der „Väterleben”; sie waren für die Folgezeit bahnbrechend und Vorbild der Erzählungskunst.14 Wie kaum ein anderes Werk geben sie Einblick in das häusliche, soziale und religiöse Leben der nachrömischen Zeit. Sie erfreuten sich durch das ganze Mittelalter größter Beliebtheit und fanden die weiteste Verbreitung. Sie wurden unzählige Male abgeschrieben und gehörten zum unerläßlichen Bestand der Bibliotheken. Die Abgegriffenheit der Exemplare, die auf uns gekommen sind, zeigt, wie sehr sie benützt wurden. Als einziges Beispiel sei nur angeführt, was vom hl. Ulrich, Bischof von Augsburg, gest. 973, sein Biograph Gerhard schreibt: „Et post expletionem cursus et totius psalterii, legente Gerhardo praeposito, sacrorum lectiones librorum audivit… Lectiones vero fuerunt Vitas Patrum sanetorum et über S. Gregorii, quem dialogorum vocant.”15

       8. Ausgaben und Übersetzungen. Literaturangabe

      Hain führt in seinem Repertor. Bibliogr. 15 Wiegendrucke der lateinischen Dialoge auf. Von den neueren Ausgaben zeichnet sich aus die von Umberto Moricca, welche in vornehmer Ausstattung eine weitausgreifende Einleitung bietet und den Text nach der Schreibweise der ältesten italienischen Handschriften wiederherzustellen sucht.16

      Übersetzt wurden die Dialoge schon frühe und oft. Papst Zacharias (741-752) übersetzte sie ins Griechische. Nach dieser Vorlage wurden sie von einem Mönch Antonius noch vor 800 ins Arabische übertragen.Alfred der Große ließ sie mit der Pastoralregel ungefähr 890 durch Bischof Waerferth von Worcester ins Angelsächsische übersetzen.Angier fertigte 1212 eine altfranzösische Übersetzung. Die Bibliothek von Monte Cassino bewahrt eine italienische Übersetzung aus dem 13. Jahrhundert. 1472, 1473, 1476 wurde in Augsburg eine deutsche Übersetzung gedruckt, der im Jahre 1571 die des Schweizers Adam Walasser, gedruckt in Dillingen, folgte. Sie fällt auf durch die Reinheit und den Fluß der Sprache.17 1475 war in Venedig die italienische Übersetzung des Lunardo da Udine erschienen, 1689 folgte eine französische. 1873 erschien in der Köselschen Bibliothek der Kirchenväter die Übersetzung des Benefiziaten Theodor Kranzfelder. Sie wurde wegen ihrer Genauigkeit der gegenwärtigen Arbeit zu Grunde gelegt.

      Wie leicht erklärlich, hat das II. Buch, das Leben des hl. Benediktus, eigene Übersetzungen erfahren. So erschien eine solche 1701 unter dem Titel: Das Leben deß Heiligen Wunderthätigen und Weit berümbten Vatters Benedicti Von dem H. Pabst und Kirchenlehrer Gregorio M. beschrieben. Nun aber allen Liebhabern der Andacht zu nutz in teutsch übersetzt und in dieser zweyten Truck mercklich verbessert. Köllen bey Sebastiano Ketteler, Bibliopol. im Hanen vor S. Paulus. Anno 1701.

      Abt Benedikt Sauter veröffentlichte 1904 bei Herder in Freiburg eine Übersetzung mit aszetischem Kommentar unter dem Titel: Der heilige Vater Benediktus nach St. Gregor dem Großen.

      1929 erschien zum vierzehnhundertjährigen Jubiläum des Erzklosters Monte Cassino im Beuroner Kunstverlag als Prachtausgabe die 4. Auflage von P. Cornelius Kniel: Leben und Regel des heiligen Benediktus, mit einer Übersetzung der Dialoge.

      Indem wir auf die allgemeine Literaturangabe zu Gregor in Bd. 4 verweisen, geben wir aus der reichen Literatur zu den Dialogen folgende Arbeiten an:

      Merker Julius: Laut- und Formenlehre der altfranzösischen Dialoge Gregoire lo Pape. Bonn 1899. Dissertation.

      Wiese Leo: Die Sprache der Dialoge des Papstes Gregor mit einem Anhang: Sermo de Sapientia und Moralium in Job fragmenta. Halle, Waisenhaus, 1899. Gekrönte Preisschrift.

      Hecht Hans: Bischof Waerferths von Worcesters Übersetzung der Dialoge Gregors des Großen (Bibliothek der angelsächsischen Prosa, V, 2). Hamburg, Grand, 1907.

      Günter H.: Legenden-Studien. Köln, 1906.

      Delehaye, Die hagiographischen Legenden. 1907.

      Reitzenstein Richard: Historia monachorum und Historia Lausiaca. Eine Studie zur Geschichte des Mönchtums und der frühchristlichen Begriffe Gnostiker und Pneumatiker. Göttingen, Vandenhoeck und Rupprecht (1916). (Forschungen zur Religion und Literatur des A. u. N. T. Neue Folge 7. Heft.)

      Herwegen Ildefons, Abt: Der heilige Benedikt. Ein Charakterbild. Düsseldorf 1917.

      Zu vorliegender Übersetzung diente die lateinische Ausgabe Migne, P. L. LXXVII (I., III. Und IV. Buch) und LXVI (II. Buch). Verschiedentlich wurden die Lesarten Moriccas verwendet.

      Der Übersetzer versuchte das Original möglichst wortgetreu wiederzugeben und dabei den traulichen Charakter, die liebliche Farbe desselben samt allen seinen Umständlichkeiten zu wahren.

      Dem Hochwürdigen Herrn Dr. P. Johannes E. Stöcckerl O.F.M. wird für Anfertigung des Registers aufrichtiger und herzlicher Dank ausgesprochen.

       Fußnoten

      1. Ep. Lib. III. 51, Migne P. L. LXXVII, 646

      2. Vgl. hiezu die Einleitung zum I. Buch der Dialoge S. 1 ff.

      3. Lib. Ep. V, 22, Migne P. L. LXXVII, 751

      4. Dudden, Gregory the Great, London 1905, I. 324

      5. Regel des hl. Benedikt, Kap. 42

      6. Dufoucq A., Etudes sur les „Gesta martyrum” romains, Paris 1900

      7. III Buch, 35. Kap.

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