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in Pflegeheimen verbracht und selbst diese und ähnliche Aussagen von Ärzten und Pflegepersonen gehört. Erschreckend, nicht? Wären Sie gerne „die Galle“ oder „der Magen“ vom Zimmer 20? Bestimmt nicht, würde ich meinen. Wir alle haben doch nicht nur eine Krankheit! Wir alle haben auch einen Namen, unsere Persönlichkeit, Ängste, Schmerzen, Wünsche, Ziele, Hoffnungen. Besonders wenn wir leiden, wollen wir ernst und wichtig genommen, respektiert und verstanden werden. Wir wollen ein Mensch bleiben, unsere Individualität behalten und nicht zu einem „Fall“ werden.

      Für Sterbende ist die Zeit verändert: Sie sind sich ihrer Zukunft nicht mehr sicher. Umso wertvoller – weil plötzlich begrenzt und knapp – wird die gegenwärtige Zeit. Sterbende erfahren, dass Leben sich nicht in die Zukunft verschieben lässt.21

      Herr A., er wollte von Anfang an von uns Schwestern mit „du“ und seinem Vornamen angesprochen werden, wurde damals im Juni auf unserer Station aufgenommen. Er war 59 Jahre alt, verheiratet, hatte eine erwachsene Tochter und viele Freunde, die ihn alle gerne und oft besuchten. Max, wie wir ihn hier nennen wollen, litt seit kurzem an einem sehr ungünstig gelegenen und somit inoperablen, rasch wachsenden Gehirntumor, der ihn innerhalb kürzester Zeit zu einem Pflegefall gemacht hatte. Als er zu uns kam, brauchte er in allen Bereichen des täglichen Lebens Unterstützung. Er konnte sich nicht mehr alleine pflegen oder sein Bett verlassen. Max war noch vor wenigen Monaten ein „Hans Dampf in allen Gassen“ gewesen, ein überaus fröhlicher, lebenslustiger Mensch, der viel gearbeitet hatte, in seiner Freizeit ständig unterwegs war und zahlreiche soziale Kontakte pflegte. Jetzt war er plötzlich zum Liegen und zur Unselbständigkeit verdammt, galt als austherapiert und hatte keine Hoffnung mehr, wieder gesund zu werden. Obwohl er mit seinem Schicksal haderte, war er bereit, es anzunehmen und das Beste daraus zu machen. Er war ein gut aufgeklärter Patient, der wusste und dies auch öfter aussprach, dass er unsere Station nicht mehr lebend verlassen würde. Da Max ein leidenschaftlicher Raucher war, brachten wir ihn täglich mehrmals zum Rauchen in unseren Wintergarten. So lernten ihn bald alle Schwestern, auch die der Nachbarstation kennen, ebenso alle Patienten und Angehörigen, die sich ebenfalls öfter einmal für eine Zigarettenpause im Wintergarten einfanden. Alle, die Max kennen lernten, fanden ihn sympathisch, denn er lachte oft und gerne, konnte sogar über sich selbst und seine schwere Krankheit lachen. Er erzählte gerne Geschichten aus seinem aufregenden Leben, seinen häufigen Urlauben, und mit besonderer Hingabe erzählte er von seinem Segelboot, auf das er so besonders stolz war. Manchmal zeigte er mir auch Fotos von seinem wunderschönen Haus, das er mit seinen eigenen Händen erbaut hatte. Oft sagte er zu mir: „Komm Romy, gemma ane rauchn.“ Dann brachte ich ihn in den Wintergarten zum Rauchen. Da wir im Wintergarten keine Glocke anschließen können, besorgten wir für Max ein „Pfeiferl“ und so pfiff er jedes Mal, wenn er etwas von uns wollte. Bald wusste jeder, was dieses ungewöhnliche Geräusch, der Pfiff, bedeutete – Max wollte etwas. Max pfiff gerne, oft, lange und laut drauf los und rief dann mit seiner mächtigen Stimme, die über den ganzen Gang hallte, seine Wünsche jener Person entgegen, die gerade über den Gang in seine Richtung ging. In den Wochen, in denen wir Max betreuten, war also fast immer etwas los auf unserem sonst eher ruhigen Gang.

      Max hatte eine mitreißende und überaus humorvolle, liebenswerte Art, die scheinbar bei all seinen Mitmenschen großen Anklang fand. Er war ein außergewöhnlicher Mensch. Wir alle mochten ihn, denn er war sehr sympathisch und trotz seiner schweren Erkrankung immer noch ein dynamischer Mann. Obwohl er nur noch wenig Zeit zu leben hatte und ihn dies manchmal sehr nachdenklich und traurig stimmte, versprühte er oft unsagbare, mitreißende Lebensfreude. Wann immer Max Lust hatte, setzten wir ihn in einen Rollstuhl, und so konnte seine Familie mit ihm Spaziergänge unternehmen, mit ihm durch das große Haus fahren oder eine fröhliche Stunde in der Kantine verbringen.

      Rund einen Monat später verschlechterte sich sein Zustand täglich, und bald konnte und wollte er das Bett nicht mehr verlassen. Nur noch selten brachten wir ihn in den Wintergarten, denn die Zigaretten schmeckten ihm meistens nicht mehr. In den letzten Tagen vor seinem Tod sprach er nicht mehr, konnte nichts mehr essen, sich kaum noch bewegen. Er focht einen stillen und trotzdem verbissenen Kampf gegen den nahenden Tod. Dies war für seine Familie kaum zu ertragen. Max, dieser so außergewöhnlich lebenslustige Mensch, wollte noch so viel mit seiner Frau, seiner Tochter und seinen Freunden erleben, aber dazu war es nun zu spät. Nach einigen Tagen half alles Kämpfen nicht mehr – Max starb.

       Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,

       die sich über die Dinge ziehn.

       Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,

       aber versuchen will ich ihn.

      Rainer Maria Rilke

      Max verstarb an einem 29. Juli, nur wenige Monate, nachdem seine Krankheit diagnostiziert worden war. Sein früher Tod machte uns alle sehr betroffen, und wir vermissten eine Zeit lang sein fröhliches Lachen und die schrillen Pfiffe, die noch vor kurzem so oft über den Gang gehallt waren. Max war bis zum heutigen Tag der „fröhlichste“ Sterbende in unserem Hospiz. Es war ein Geschenk, ihn in seinen schwersten Stunden begleiten zu dürfen.

      Zum Thema Patientenrechte finden Interessierte im Internet sehr viele Informationen. Da fast alle Menschen irgendwann in ihrem Leben Patienten sind, sollten sie auch über ihre Rechte Bescheid wissen. In Österreich wurden diese Rechte 1999 in einer Patientencharta zusammengefasst, die der Sicherstellung der Patientenrechte dient. Krankenanstalten sind gesetzlich verpflichtet, die Rechte der Patienten zu beachten und ihnen die Wahrung ihrer Rechte zu ermöglichen. Landeskrankenanstaltengesetze bilden dafür die gesetzliche Grundlage. Patientenrechte schützen und unterstützen den Patienten im Verlauf einer Behandlung in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens.

      Die wichtigsten Patientenrechte sind: das Recht auf Selbstbestimmung, das Recht auf Information, das Recht auf Behandlung und Pflege, das Recht auf Achtung der Würde und Integrität und das Recht auf Unterstützung durch die Patientenanwaltschaft. Für den Bereich des Sozialwesens, z. B. für Pflegeheime, sind ähnliche Rechte geregelt und werden Heimbewohnerrechte genannt. Patientenanwaltschaften gibt es in allen Bundesländern. Diese Einrichtungen wurden zur Sicherung der Rechte und Interessen von Patienten geschaffen. Patientenanwaltschaften informieren über Patientenrechte, vermitteln bei Streitfällen, klären Mängel und Missstände auf und unterstützen bei der außergerichtlichen Schadensbereinigung nach Behandlungsfehlern.22

      Die Patientenrechte in Wiener Krankenanstalten sind in § 17a des Wiener Krankenanstaltengesetzes festgelegt. Die wichtigsten Patientenrechte sind:

        Recht auf rücksichtsvolle Behandlung

        Recht auf ausreichende Wahrung der Privatsphäre, auch in Mehrbetträumen

        Recht auf Vertraulichkeit

        Recht auf fachgerechte und möglichst schmerzarme Behandlung und Pflege

        Recht auf Aufklärung und umfassende Information über Behandlungsmöglichkeiten und Risken

        Recht auf Zustimmung zur Behandlung oder Verweigerung der Behandlung

        Recht auf Einsicht in die Krankengeschichte beziehungsweise auf Ausfertigung einer Kopie

        Recht des Patienten oder einer Vertrauensperson auf medizinische Informationen durch eine oder einen zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Ärztin oder Arzt in möglichst verständlicher und schonungsvoller Art

        Recht auf ausreichende Besuchs- und Kontaktmöglichkeiten mit der Außenwelt

        Recht auf Kontakt mit Vertrauenspersonen auch außerhalb der Besuchszeiten im Fall nachhaltiger Verschlechterung des Gesundheitszustandes

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