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Tieren auf die karge Wiese am Bach und gingen zu dem Zauberzelt, in dem die dumpfe Trommel eben verstummte. Von einer anderen Seite her näherte sich der Schwarzfußhäuptling. Das Dakotamädchen aber kam nicht. Die beiden Männer und der Knabe traten zusammen ein.

      Sie fanden alles, wie es zuvor gewesen war. Die Zaubertrommel hing wieder an Lederschnüren an einer der hinteren Zeltstangen. Der Zaubermann stand an der Feuerstelle, und es machte äußerlich den Eindruck, als ob nicht Stunden vergangen seien, sondern als ob ein Gespräch, in dem eine kleine Pause eingetreten war, jetzt fortgesetzt würde. So schien es aber nur nach außen hin. Alle wussten, dass der Geheimnismann unterdessen irgendeinen Entschluss gefasst hatte, dem sich jeder würde beugen müssen, da die »Geheimnisse der Geister« darin beschlossen waren.

      Der Herr des Zeltes erlaubte seinen Gästen wieder, sich niederzulassen, und dann begann er zu sprechen, und zwar in Worten der Dakotasprache. Seine Aussprache war andersartig als die eines geborenen Dakota, und er drückte sich unbeholfen aus, aber er vermochte doch, mit Unterstützung durch die Gesten der allgemeinverständlichen Zeichensprache, einem Dakota seine Gedanken darzulegen. Der Schwarzfußhäuptling wunderte sich, dass der Geheimnismann plötzlich diese fremde Sprache sprach, von der ihm selbst nichts bekannt war als eine gewisse Tonfolge, an der er sie erkannte. Der Zauberer musste von Gefangenen, zuletzt von dem Dakotamädchen, etwas gelernt haben, oder die Geister hatten ihm dieses Wissen eingegeben. So dachte der Schwarzfußhäuptling.

      »Mattotaupa!«, begann der Geheimnismann, und nur Mattotaupa und Harka verstanden zunächst seine Worte. »Du bist gekommen, um in unseren Zelten zu wohnen. Wir haben genug Krieger, und unsere Waffen sind siegreich. Unsere Zelte sind versorgt mit dem Fleisch von Büffeln, Antilopen und Hirschen. Wir brauchen keine Hilfe. Aber wer stark ist, wird sich nicht schämen, noch stärker zu werden, und wo tapfere Krieger wohnen, wird ein ausgezeichneter Krieger immer noch willkommen sein. Darum wollen die Geister dir und deinem Sohn nicht verwehren, in unseren Zelten zu wohnen, wenn der Rat der Krieger und Ältesten und unser Häuptling dem zustimmen. Ihr werdet unsere Gäste sein, bis vielleicht nach mehreren Sommern und Wintern die Ratsversammlung beschließen kann, dass ihr als Krieger in unseren Stamm aufgenommen werden sollt.«

      Nachdem der Zaubermann den beiden Dakota seine Gedanken ausgedrückt hatte, legte er sie dem Häuptling in der Schwarzfußsprache dar, und dieser bezeigte seine Zustimmung.

      »Als unsere Gäste«, fuhr der Zaubermann fort, »sollt ihr euch als unsere Brüder bewähren, so wie ihr es schon getan habt, als ihr uns zu Dunklem Rauch führtet. Eure nächste Aufgabe wird schwieriger sein.«

      »Nenne Sie!«, bat Mattotaupa kurz.

      »Wir haben die Spur eines Mannes entdeckt, der des Nachts heimlich zu unseren Zelten geschlichen ist. Wir glauben, dass er mit dem Dakotamädchen gesprochen hat. Das Mädchen ist eine Tochter aus den Zelten, denen Tashunka-witko, der junge Häuptling, vorsteht. Es kann sein, dass die von ihm geführten Dakota einen neuen Überfall auf uns planen. Es kann sein, dass der Kundschafter, der hier gewesen ist, vorher noch einmal kommt. Dann wollen wir versuchen, ihn zu fangen. Auf alle Fälle müssen wir das Mädchen beobachten und sie belauschen, wenn sie heimlich mit einem Dakota spricht. Das vermag niemand besser als du, denn du kennst ihre Sprache. Bist du bereit, uns zu helfen?«

      »Hau, ja!«, erwiderte Mattotaupa, ohne den Blick zu senken oder die Farbe zu wechseln.

      »Dann werden wir dir und deinem Sohn ein eigenes Zelt geben, und wir geben dir dieses Dakotamädchen als deine Tochter. So kannst du ihr Tun und Treiben am besten beobachten.«

      »Hau, ja«, wiederholte Mattotaupa, aber diesmal klang seine Stimme verändert. Niemand wusste, ob der Zauberer den Wechsel des Stimmklangs bemerkt hatte.

      Der Geheimnismann verständigte den Schwarzfußhäuptling über die getroffene Abrede. Dann verabschiedete er die beiden Männer, und sie gingen mit dem Jungen zusammen hinaus.

      Es war Nachmittag. Viele Krieger waren auf Jagd unterwegs. Die Jungen tummelten ihre Pferde jenseits des Baches und übten Reiterkunststücke. Bei den meisten Zelten war eine Plane hochgeschlagen, so dass Licht und Luft hereinkam und jedermann sehen konnte, womit die Zeltbewohner beschäftigt waren. Die Frauen und Mädchen reinigten Töpfe und Decken, richteten neues Holz in den Feuerstellen, schnitten Leder zu, nähten mit der beinernen Ahle oder stickten, indem sie die langen gefärbten Stacheln des Stachelschweins auf das Leder aufnähten.

      Der Häuptling führte die Gäste wieder zu seinem eigenen Zelt und ließ das Dakotamädchen rufen. Er zeigte ihm die Stangen und Planen zu einem zweiten Zelt, die er besaß, und wies es mit einer befehlenden Armbewegung an, davon aufzupacken, so viel es zunächst tragen konnte. Mit ihm und seinen Gästen ging er zum südlichen Ende des Zeltlagers, besah mit Mattotaupa zusammen den Wiesenboden, wählte im Einverständnis mit seinem Gast eine günstige Stelle und hieß das Mädchen, mit dem Zeltbau zu beginnen. Es gehorchte schweigend, nicht unterwürfig, aber auch nicht trotzig.

      Der Häuptling kehrte mit den Gästen in die eigene Behausung zurück. Er schenkte Mattotaupa und Harka Kleidung und Decken in reichem Maße. Er musste ein großer, erfolgreicher Jäger sein, denn Büffelfelle und büffellederne Decken, Antilopenleder, Röcke, Leggings, Mokassins aus Leder lagen zu Stapeln gehäuft, und er konnte jederzeit reiche Geschenke austeilen, wie sich das für einen Häuptling geziemte. Er selbst war sorgfältig und zweckmäßig gekleidet. Harka fand jetzt zum ersten Mal Zeit und Stimmung, diesen Mann in seiner persönlichen Erscheinung genauer ins Auge zu fassen. Er hatte jenen Zug um Mund und Augen, wie ihn Menschen annehmen, die zu entscheiden und zu befehlen verpflichtet und gewohnt sind, und Harka begann zu vermuten, dass dieser Häuptling nicht nur in dem kleinen Zeltdorf, in dem er sich im Augenblick befand, sondern weit darüber hinaus bei den Männern der Siksikau Ansehen besaß. Dass die Gewalt des Zaubermannes dennoch größer sein mochte als die seine, schien nicht ungereimt, denn dieser Geheimnismann war ein wirklich großer Arzt und in den Augen der Krieger auch ein mächtiger Zauberer.

      Das Dakotamädchen schleppte Fichtenstangen, die Büffelhautplanen, die Schnüre und Pflöcke herbei, die zu dem Zeltbau gehörten, und schlug dann das Zelt auf. Eine alte Schwarzfußfrau war herbeigekommen, um ihr zu helfen. Mattotaupa und Harka kümmerten sich darum nicht. Sie warteten nur ab, bis der Zeltbau fertig wurde, was sehr rasch vonstatten ging, und brachten dann ihre Waffen in die neue Behausung. Das Mädchen vertiefte noch die Feuerstelle, ordnete die Decken, mit denen der Boden belegt wurde, und brachte trockenes Holz herbei. Sie holte Töpfe, Körbe, Schüsseln und Löffel, Nähzeug und was sie selbst für ihren persönlichen Bedarf benötigte. Als alles bereit war, machte sie Feuer. Die Zweige flammten auf und glimmten dann weiter.

      »Wie ist dein Name?«, fragte Mattotaupa sie jetzt.

      »Uinonah.«

      Harka, der im Hintergrund damit beschäftigt war, seine Büchse zu putzen, zuckte zusammen. Uinonah war bei den Dakota ein häufig vorkommender Mädchenname, denn er hieß »die erstgeborene Tochter«. Es war darum nichts Wunderbares, dass dieses Mädchen hier ebenso gerufen wurde wie Harkas jüngere Schwester daheim. Daran aber durften Mattotaupa und Harka jetzt nicht denken.

      »Wie viele Winter und Sommer hast du gesehen?«, fragte Mattotaupa weiter.

      »Vierzehn.«

      Das Mädchen war also ein Jahr älter als Harka. Es hätte schon einem jungen Krieger als Frau ins Zelt folgen können.

      »Ich werde dich Nordstern rufen«, sagte Mattotaupa. »Du bist meine Tochter.«

      Das Mädchen erwiderte nichts. Sie setzte sich in den Hintergrund des Zeltes, ziemlich entfernt von Harka, und arbeitete an einer angefangenen Stickerei weiter. Harka schaute nicht zu ihr hin. Aber während er seine Büchse noch immer putzte, obgleich sie schon längst blinkte, dachte er darüber nach, was das Mädchen wohl vorhabe. Er dachte auch an den Namen des Dakotahäuptlings, den der Zauberer genannt hatte. Tashunka-witko war trotz seiner Jugend schon einer der berühmten Häuptlinge: Sein Name wurde zusammen mit dem Tatanka-yotankas genannt.

      Es war für Harka sehr merkwürdig, mit einem Mädchen zusammen in einem Zelt zu sitzen, mit der er die gleiche Sprache sprach und die den gleichen Namen wie seine Schwester trug, mit der er jedoch vielleicht schon

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