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hatte er den altgewohnten Kampfruf angestimmt. Aber mitten im Ruf schnürte sich ihm die Kehle zusammen. Er sprang heran, mit Sätzen wie ein Berglöwe, und Tashunka-witko erwartete ihn, das Messer in der Faust. Keiner der beiden dachte mehr daran, Schuss- und Wurfwaffen zu gebrauchen. Harka lag auf dem Rücken am Boden. Aber da das Gelände eben war, konnte er übersehen, was geschah. Tashunka-witko wartete; er hatte die Knie leicht gebeugt. In dem Augenblick, in dem Mattotaupa zum letzten Sprung ansetzte, sprang auch er. Die beiden prallten in der Luft zusammen und stürzten, aber es gelang dabei keinem, den anderen auf den Rücken zu werfen. Sie fielen, von Harka aus gesehen, nach links, so dass Tashunka-witko den rechten, Mattotaupa nur den linken Arm frei behielt. Tashunka wollte mit dem Messer einen tödlichen Stoß führen, aber Mattotaupa fing den Arm seines Gegners ab, und es entwickelte sich ein erbittertes Ringen, dessen Bewegungen zu schnell waren, als dass Harka sie im Dunkeln hätte verfolgen können. Der Junge hatte sich aufgesetzt; daran hinderten ihn die Fesseln nicht. Er spreizte die Knie, krümmte seinen biegsamen Körper zusammen und nagte an seinen Fußfesseln. Wie er dabei feststellte, waren ihm die Füße nur mit einem Gürtel zusammengebunden, und er machte sich daran, mit den Zähnen die Knoten zu lockern.

      Der Kampf Tashunka-witkos mit Mattotaupa ging weiter. Die beiden hatten sich voneinander losgerissen und Abstand genommen. Fünf Schwarzfußkrieger waren noch herbeigeeilt, aber Mattotaupa schrie ihnen zu: »Lasst ab! Er ist mein!« Die Siksikau konnten die Worte nicht verstehen, doch die Haltung der beiden Dakota war so, dass sie der Stellung in einem Zweikampf glich, und die Schwarzfüße zögerten einzugreifen. Mattotaupa schleuderte das Wurfbeil, den Tomahawk mit Stahlschneide, aber es gelang Tashunka auszuweichen, und er sprang dabei vor und holte mit der elastischen Keule aus, um Mattotaupas Schädel zu treffen. Mattotaupa ließ sich blitzschnell zur Erde fallen und packte Tashunkas Fuß, um ihn aus dem Stand zu reißen. Das Manöver gelang. Tashunka stürzte, und Mattotaupa saß sofort auf ihm, doch Tashunka zog die Knie an, bäumte sich und schnellte sich weg. Er floh jedoch nicht. Er war schon wieder auf den Füßen und ging mit dem langen spitzen zweischneidigen Dolch auf seinen verhassten Gegner los. Mattotaupa gab sich den Anschein, als ob er fliehe, und Tashunka schleuderte das Messer, um seinen Feind in den Rücken zu treffen. Damit musste Mattotaupa gerechnet haben, denn er machte eben in diesem Augenblick einen Satz zur Seite, so dass das Messer ins Gras flog. Tashunka, der diese Waffe nicht verlieren wollte, sprang danach; dabei kam ihm Mattotaupa in den Rücken und schlang die Arme um ihn, presste ihm Oberarme und Rippen mit seiner gewaltigen Kraft zusammen.

      Harka jauchzte auf, denn er erinnerte sich in diesem Augenblick daran, wie der Vater einst einen Bären bezwungen hatte. Jetzt gehörte der Sieg Mattotaupa, dessen war sich der Knabe gewiss. Aber die Schwarzfußkrieger, die herbeigeeilt waren, dachten nicht nur an den Triumph Mattotaupas, sondern daran, dass dieser Zweikampf schon lange währte und schnell beendet werden musste. Im Süden rief die Kriegspfeife des Schwarzfußhäuptlings. So sprangen die fünf herbei. Fast schien es noch in diesem Augenblick, dass Tashunka-witko mit seinem glatt geölten Körper sich der gefährlichen Umarmung Mattotaupas noch einmal entziehen könnte. Er trat Mattotaupa gegen die Knie, ohne ihn aber zu werfen. Da griffen die fünf Siksikau ein. Im Nu war der Kampf abgeschlossen, und Tashunka-witko lag gefesselt am Boden. Soeben war es Harka gelungen, seine Fußfesseln mit den Zähnen zu lösen. Er sprang auf. Die Schwarzfußkrieger folgten dem Ruf ihres Häuptlings und rannten nach Süden. Seitdem diese fünf mit Mattotaupa zusammen von den Ihren weg zu der Stelle gelaufen waren, von der aus Harka gerufen hatte, waren im Süden die Dakota wieder im Vorteil, und alle Schwarzfußkrieger wurden dort dringend gebraucht.

      Mattotaupa zerschnitt Harkas Handfesseln und gab ihm Messer und Keule Tashunka-witkos. Dann schien er zu überlegen, ob auch er sofort wieder in den Kampf eilen oder sich um den wertvollen Gefangenen kümmern solle. Er entschloss sich zu dem letzteren, warf den Gefesselten über die Schulter und trug ihn eilends zu den Zelten, von denen man hier nicht weit entfernt war. Er brachte ihn in das Häuptlingszelt und warf ihn dort zu Boden, während die staunende Frau das Feuer ein wenig anfachte, so dass das Zeltinnere erleuchtet wurde.

      »Bleib hier und wache!«, sagte Mattotaupa hastig zu Harka. »Ruft euch noch einen alten Mann in dieses Zelt, damit ihr nicht nur Kinder und Frauen seid.« Damit eilte er auch schon wieder hinaus, um weiter mitzukämpfen.

      Außer Harka und dem Gefangenen hatte niemand im Zelt die Worte Mattotaupas verstehen können. Die Dolmetscherin fehlte jetzt. So machte Harka sich auf den Weg, um einen der Alten zu holen. Er hatte schon beobachtet, dass im Nachbarzelt ein Greis wohnte. In den Zelten waren alle wach und angekleidet, auch hatte jeder eine Waffe zur Hand, um sich zu verteidigen, wenn Feinde in das Dorf eindringen wollten. Als Harka in das Nachbarzelt eintrat, zeigte sich auf seinen bittenden Wink hin der alte Mann sofort bereit mitzukommen. Harka führte ihn in die Behausung des Häuptlings.

      Als der Greis eintrat, überraschte ihn sicher der Anblick des Gefangenen, aber er zuckte mit keiner Miene und ließ sich ohne ein Wort in der Nähe des Zelteingangs nieder. Den Gefesselten beobachtete er unaufdringlich, aber auch unentwegt. Sein Beil lag griffbereit.

      Harka überlegte sich, dass auch er zur Abwehr stets bereit sein müsse. Er entschloss sich, die beste seiner Waffen zur Verteidigung bereitzuhalten, das war seine doppelläufige Büchse. Er hatte auch den uneingestandenen Wunsch, dem Gefangenen zu zeigen, dass er, der Knabe, diese bei den Stämmen der westlichen Dakota und den Schwarzfüßen noch seltene Geheimniswaffe besaß.

      Der Gefesselte lag nahe der Feuerstelle, so dass er beleuchtet war. Die Frau und das Mädchen saßen im Hintergrund. Der Sohn des Schwarzfußhäuptlings hatte sich neben den Gefangenen gehockt und redete auf ihn ein. Harka konnte die Worte nicht verstehen. Er hatte die Absicht, sich auch zu dem Gefangenen zu setzen, den er nach Anweisung seines Vaters bewachen sollte. Aber als er eben hinzutrat, stand der Schwarzfußknabe auf und stieß den Gefesselten verächtlich mit dem Fuß an. Der Gefangene tat, als bemerke er das gar nicht, und schaute mit gespielter Gleichgültigkeit vor sich hin auf den Boden.

      In Harka kämpften widerstreitende Gefühle. Es war für ihn nicht leicht, diesen gefangenen Dakota in Schutz zu nehmen, aber als der Schwarzfußknabe dem Gefesselten einen Fußtritt gab, bäumte sich alles in ihm auf. Er stellte sich vor den Schwarzfußjungen hin, stützte sich auf den Lauf seiner Büchse, musterte den anderen mit einem Blick, der durch seine Entschlossenheit überlegen war, und sagte: »Es ist eine schlechte Sitte, tapfere Männer in Fesseln von Knaben verspotten zu lassen!«

      Der andere Junge verstand diese Worte natürlich nicht, aber er merkte, dass Harka ihn irgendwie und aus irgendeinem Grunde zurechtweisen wollte. Das missfiel ihm sehr, denn er war nicht gewohnt, sich von anderen Jungen etwas sagen zu lassen. Er war der Kräftigste und Gewandteste der ganzen Knabenschar im Dorf. Am liebsten hätte er Harka sofort angesprungen, aber eine Rauferei im Zelt und zudem noch in diesem Augenblick entsprach nicht dem, was ein Schwarzfußhäuptling von seinem Sohn zu erwarten pflegte.

      Der Junge musste sich daher beherrschen, obgleich es ihm sehr schwerfiel. Langsam ließ er sich wieder nieder. Er setzte sich nicht neben Harka, sondern auf die andere Seite des Gefangenen. Es war still im Zelt, nur die Zweige knisterten im Feuer. Die beiden Jungen saßen unbeweglich da wie Bildsäulen. Sie dachten ebenso viel aneinander, wie sie an den Gefangenen dachten. Die stolzen, völlig abweisenden Züge des Gefesselten ließen ihn auch ohne Adlerfedern und ohne Waffen als einen bedeutenden Mann und Krieger erscheinen.

      Der Schwarzfußjunge war innerlich mit sich selbst zerfallen, weil er als Knabe einem mutigen Feind nicht auf die rechte Weise begegnet war. Er sann darüber nach, wie er sich mit Harka, der ihn das hatte fühlen lassen, bei einer anderen Gelegenheit würde messen können, um ihn zu zwingen, ihn wieder anzuerkennen.

      Dieser fremde Junge beschäftigte den Sohn des Schwarzfußhäuptlings außerordentlich, obgleich er sich im Augenblick einbildete, dass er ihn nicht leiden mochte. In Wahrheit wäre er gern sein Freund geworden, aber Harka war so fremdartig, und zudem besaß er eine Geheimniswaffe. Alles an ihm war anders als bei anderen Knaben. Es blieb wohl nichts übrig, als ihm zu zeigen, dass man es gar nicht nötig hatte, sich mit ihm abzugeben, und dass ein Schwarzfuß auch nicht ungewandt war.

      Harka rührte sich. Er nahm seine Büchse aus der Hülle, lud sie, sicherte sie und legte sie neben sich. Er war tief befriedigt, als er bemerkte, dass der Gefangene

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