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am Nachmittag im Zelt nachzuholen. Da er aber auch nicht wusste, was er draußen tun sollte und mit keinem der Jungen bei den Zelten sprechen konnte, legte er sich zu seinem Grauschimmel ins Gras, schaute in die Luft und nahm einen Grashalm zwischen die Lippen: Wer ihn kannte, wusste, dass dies bei ihm Zeichen eines langen und tiefen Nachdenkens war. Aber hier kannte ihn niemand außer dem Vater.

      Abends rief Mattotaupa seinen Jungen in das Häuptlingszelt, wo die beiden zur Nacht bleiben konnten. Seit drei viertel Jahren war es das erste Mal, dass der Junge wieder bequem in Decken gewickelt in einem Indianerzelt lag. Die Erinnerung an daheim, die dabei in ihm wach wurde, erregte ihn aber mehr, als sie ihn beruhigte, und er merkte am Atem des Vaters, dass auch dieser lange nicht einschlief.

      Nach Mitternacht endlich überwältigte den Knaben die Erschöpfung, aber beim ersten Dämmer war er wieder wach. Der Sohn des Schwarzfußhäuptlings sollte nicht mit einem Wort noch mit einem Blick sagen können, dass Harka ein Langschläfer sei. Die beiden Knaben sprangen fast gleichzeitig aus den Decken. Auf ein Zeichen hin, das ihm der Vater mit den Augen gab, lief Harka mit dem Häuptlingssohn zusammen hinaus an den Bach. Wie Harka es von daheim gewohnt war, so kamen auch hier alle Jungen aus den Zelten bei einer Badestelle zusammen. Harka wagte sich gleich mit den ersten zusammen in das eiskalte Wasser, zeigte jedoch nicht seine Schwimmkunst, sondern tollte nur herum. Als aber einer der Schwarzfußjungen glaubte, mit dem Fremdling anbinden zu können und ihn am Haar fasste, um ihn unterzutauchen, bekam dies dem Angreifer schlecht. Harka packte die Hand des anderen sofort mit einem Griff, der ihn zwang, loszulassen. Er schoss, in dem seichten Wasser fast bis auf den Grund gehend, unter dem anderen durch, sprang ihm von hinten auf den Rücken und tauchte ihn tüchtig. Die anderen Jungen lachten und freuten sich, und so kamen die gemeinsamen Wasserspiele in Gang, bei denen Harka nicht schlecht abschnitt. Der Sohn des Schwarzfußhäuptlings winkte ihn dann am Ufer zu sich her, und nachdem sich beide kräftig mit Sand abgerieben und dadurch gereinigt und gewärmt hatten, gab der Schwarzfußjunge dem fremden Knaben auch von dem Bärenfett ab, von dem ihm die Mutter vorsorglich eine reichliche Portion mitgegeben hatte.

      Harka beobachtete, dass die Jungen hier die Füße besonders sorgfältig einrieben, und richtete sich danach.

      Das Frühstück im Zelt schmeckte ausgezeichnet.

      Als es beendet war, bat der Häuptling des Zeltdorfes seinen Gast Mattotaupa, mit ihm zu kommen und auch den Jungen mitzunehmen. Er führte die beiden zum Zauberzelt, und sie traten miteinander ein. Da waren für Harka die Kinderspiele wieder vergessen, und er spürte, dass es jetzt eine ernste und schwere Auseinandersetzung darüber geben würde, woher Mattotaupa und Harka kamen und was sie in die Jagdgefilde der Siksikau geführt hatte. Die Mienen Mattotaupas hatten sich ganz verschlossen, und seine Haltung war stolz wie je.

      Im Zauberzelt herrschte mattes Licht. Der Eingang war verhängt, die Planen alle heruntergeschlagen, und in der Feuerstelle glühten nur Funken unter der Asche. Auf Decken bequem gebettet, lag Dunkler Rauch im Hintergrund, eine Frau saß bei ihm. Das Bein war eingerichtet, verbunden, geschient und hochgestellt. Der Zauberer musste ein sehr geschickter Arzt sein. Harka, der sich hinter dem Vater hielt, schaute jetzt mit halbverdecktem Blick nach diesem mächtigsten Mann des Zeltdorfes.

      Der Geheimnismann war mittelgroß, von mittlerem Alter und hatte sich an diesem Tag und um diese Stunde nicht anders gekleidet als jeder andere Krieger. Ob sich aus der sehr ernsten Stimmung, die aus seinen Zügen sprach, Entgegenkommen oder Abneigung entwickeln würde, konnte noch niemand sagen. Er bat den Häuptling und die beiden Fremden, um die Feuerstelle Platz zu nehmen, und es dauerte einige Zeit, bis er durch die Frau, die am Lager bei Dunklem Rauch saß, das Dakotamädchen als Dolmetscherin rufen ließ. Das Gespräch begann.

      »Dein Name ist Mattotaupa, das heißt ›Vier Bären‹, und du bist ein Dakota. Zu welchem der Stämme der ›Verbündeten Ratsfeuer‹ gehörst du?«

      »Ich war der Kriegshäuptling der Bärenbande beim Stamme der Oglala, der zu den Teton-Dakota gehört. Unsere Zelte stehen weit von hier im Süden, am Pferdebach.«

      »Warum kommst du zu uns? Du weißt, dass die Männer vom Stamme der Siksikau und die Männer von den Stämmen der Dakota einander nicht wohlgesinnt sind.«

      »Darum komme ich zu euch. Auch ich bin ein Feind der Dakota geworden. Der Ruhm aber der Krieger vom Stamme der Siksikau, die mutig sind und deren Zungen die Wahrheit sprechen, hat mich hierhergezogen.«

      Es war nicht zu sehen, welche Wirkung diese Mitteilung auf den Zauberer und auf den Schwarzfußhäuptling machte. Das Dakotamädchen übersetzte, ohne sich die geringste Anteilnahme am Inhalt anmerken zu lassen.

      »Warum bist du ein Feind der Dakota geworden?«

      Harka, der stumme Zuhörer, wusste, wie schwer es dem Vater war, auf diese Frage zu antworten. Doch kam die Antwort schnell und ohne Stocken, denn Mattotaupa hatte viele Nachtstunden darüber gegrübelt, was er auf diese Frage, die kommen musste, antworten werde. Er sagte die ungeschminkte Wahrheit, und er sprach sie mit erhobenem Haupt aus, so, als ob er sofort bereit sei, mit jedem zu kämpfen, der seine Ehre angriff.

      »Der Geheimnismann der Bärenbande mit Namen Hawandschita hat mich vor der Ratsversammlung der Krieger und Ältesten verleumdet. Er hat mich beschuldigt, ich habe an einen weißen Mann in einer Stunde, in der mein Geist durch einen Trank verwirrt gewesen sei, das Geheimnis verraten, wo in den Schwarzen Bergen im Dakotaland Gold zu finden ist. Die Ratsversammlung der Krieger glaubte die Lüge und stieß mich aus. Ich aber bin unschuldig; nie war meine Zunge eines Verrates fähig. Mein Sohn Harka Steinhart Nachtauge Wolfstöter Bärenjäger ist mir freiwillig in die Verbannung gefolgt.«

      »Steht Blutrache zwischen dir und deinem Stamm?«

      »Ja. Mein Pfeil tötete einen Krieger der Bärenbande, der mich geschmäht hatte. Der Pfeil trug mein Zeichen. So wissen in den Zelten am Pferdebach alle, wessen Pfeil es gewesen ist, der Alte Antilope ins Herz traf.«

      Der Geheimnismann der Siksikau hörte sich den Bericht Mattotaupas an, ohne mit der Wimper zu zucken, und es war weder seinen Mienen noch seiner Haltung im geringsten anzumerken, was er darüber dachte, ob er dem Dakota glaubte, nicht glaubte, ob er im Zweifel sei oder ob er sich als Geheimnismann getroffen fühlte, wenn ein anderer Geheimnismann, und sei es auch ein Dakota, der Lüge bezichtigt wurde. Ohne seine eigenen Gedanken lesen zu lassen, schaute er lange und eindringlich auf den Mann, der von sich sagte, dass er ein Kriegshäuptling gewesen sei, und dann schaute er ebenso lange und ebenso eindringlich auf den Jungen, um dessen Mundwinkel es in einer beinahe hochmütigen Abwehr zuckte.

      »Wann ist das alles geschehen, was du mir berichtet hast, Mattotaupa?«

      »Im vergangenen Sommer.«

      »Wo habt ihr die Zeit des Schnees und des Frostes verbracht?«

      »In den Städten der weißen Männer.«

      Auf diese Mitteilung hin schwieg der Zauberer wieder lange und nachdenklich.

      Der Schwarzfußhäuptling, der neben dem Zaubermann saß, stellte überhaupt keine Frage, sagte auch kein Wort zu dem, was er gehört hatte. Er überließ die Entscheidung dem Geheimnismann. Dieser tat endlich den Mund wieder auf.

      »Ich werde mit den Geistern sprechen. Kommt alle wieder zu mir, sobald die Sonne im Mittag steht.«

      Schweigend erhob sich Mattotaupa, noch um ein weniges gestraffter und abwehrbereiter, als er gekommen war, und mit ihm erhoben sich die anderen, um gemeinsam das Zelt zu verlassen.

      Harka, der Junge, schien sich von der Helligkeit draußen geblendet zu fühlen und schloss die Augen bis auf einen schmalen Schlitz. Während das Dakotamädchen zu einem der entfernten Zelte lief und der Häuptling sich in sein eigenes Zelt begab, gingen Mattotaupa und sein Sohn miteinander zu den Pferden. Sie nahmen sich ihre eigenen Tiere, den Fuchs und den Grauschimmel, und ritten ein kleines Stück in die Prärie hinaus, so weit, dass sie vor unerbetenen Gesprächen sicher waren, aber nicht so weit, dass ihre Entfernung irgendeinen Verdacht erregen konnte. Bei einem kleinen Hügel, dessen Hänge trocken waren, machten sie halt, ließen die Pferde grasen und setzten sich in die Sonne. Mattotaupa entzündete umständlich seine Pfeife und rauchte, und Harka spielte mit einem

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