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sich Falten gebildet, wie Gram und Erbitterung sie in ein menschliches Antlitz einzeichnen. Der hochgewachsene schlanke Junge zur Seite des Mannes war nicht das Ebenbild des Vaters; seine Haut war etwas dunkler, seine Stirn höher, das Gesicht noch schärfer geschnitten. Aber auch in seiner Erscheinung drückte sich ein Widerspruch zwischen dem Knabenalter, in dem er sich befinden musste, und dem unkindlichen Ernst und einem lässigen, sogar hochfahrenden Zug aus, mit dem er von anderen Menschen bewusst Abstand zu nehmen schien. Wie die Erscheinung, so war auch das Verhalten der beiden Dakota rätselhaft. Was konnte es für einen Grund geben, dass ein Krieger mit einem Knaben durch die Prärie ritt? Wollte der Vater den Jungen lehren, wie man jagte? Ein Dakota mitten in den Jagdgefilden der Siksikau? Knaben gehörten nicht in Feindesland, sie gehörten zu den Zelten und sammelten ihre Jagderfahrungen in den Jagdgründen des eigenen Stammes. So war es bei den Menschen und selbst bei allen räudigen Kojoten, die wie Menschen aussahen. Was für Absichten hatte übrigens dieser fremde Mann hier gegenüber den Siksikau? Wenn er als Feind kam, hätte er sich nicht offen zu zeigen brauchen oder schon aus der Entfernung schießen können. Er schien ja nicht ungewandt im Umgang mit seiner Waffe. Als Freund aber konnte ein Dakota nicht zu den Siksikau kommen.

      Hier stimmte etwas nicht. Nichts stimmte. Dieser Mann und sein Sohn waren so geheimnisvoll wie ihre Waffen.

      Am besten war es, die beiden rätselhaften Geschöpfe zu den Zelten, vor den Häuptling und vor den Zaubermann zu bringen. Mochten diese die Geheimnisse lösen. Es war nur die Frage, wie es von der nun einmal gegebenen Situation aus, in der die beiden Dakota ihre Geheimniswaffen im Anschlag hielten, noch möglich sein sollte, sie ohne Blutvergießen, aber auch ohne Blamage zu den Zelten zu locken.

      Der Anführer mit der Adlerfeder im Schopfe sagte in seiner Sprache, von der er mit Recht annahm, dass die Dakota sie nicht verstehen konnten, zu dem Krieger, der neben ihm hielt: »Nun beweise, mein Bruder, dass du deinen Namen Kluge Schlange mit Recht trägst. Diese beiden sonderbaren Dakota müssen wir mit ihren Waffen und Pferden vor den Rat unserer Ältesten und vor unseren Geheimnismann bringen. Es ist aber nicht gut, wenn wir mit ihnen kämpfen und sie töten, denn dabei verlieren auch wir zwei unserer Krieger, und die Geheimnisse dieser fremden Männer bleiben uns für immer verschlossen.«

      »Krumm gehender Wolf!«, erwiderte der Krieger, der als Kluge Schlange angeredet worden war. »Dieser Dakotakrieger hier hat sich nicht mit den Kriegsfarben bemalt, und auch wir haben das Schlachtbeil wieder begraben; zweimal ist die Sonne seitdem auf- und untergegangen. Wir können diesen Mann und seinen Sohn also zu unseren Zelten führen, ohne dass wir mit ihnen kämpfen.«

      »Unsere Gedanken sind die gleichen, aber dieser fremde Krieger mit der Geheimniswaffe kennt sie nicht. Sprich du mit ihm, Kluge Schlange!«

      Mattotaupa und Harka waren dem Gespräch mit wachen Ohren gefolgt, um auf jeden Wechsel des Tonfalls sofort reagieren zu können, auch wenn sie die Worte nicht verstanden, und sie hatten mit wachen Augen jede Miene beobachtet. Nun warteten sie ab. Der Krieger mit dem Namen Kluge Schlange richtete seinen Blick auf Mattotaupa und suchte in seinem Gedächtnis die Worte der Dakotasprache zusammen, die er sich bei Verhandlungen mit den feindlichen Stämmen oder aus Reden von Gefangenen gemerkt hatte.

      »Frieden«, sagte er. »Zu den Zelten.«

      Mattotaupa und Harka studierten noch einmal die Mienen der Männer, denen sie hier gegenüberstanden. Kräftig, rauh wie ihr Land, selbstbewusst wirkten sie. Mattotaupa traute ihnen keine Hinterlist zu und sprach deshalb mit Nachdruck sein »Hau!«, das hieß ja.

      Er steckte den Revolver ein, Harka ebenfalls.

      Die Siksikau formierten sich daraufhin zur Reihe, und Mattotaupa und Harka wurden eingereiht; drei Siksikau ritten vor, zwei hinter ihnen. Im Galopp ging es nordwestwärts, und der Staub wirbelte unter den Pferdehufen auf. Während des Rittes dachte der Knabe Harka an den Mann, der mit seinem gebrochenen Bein in der Prärie lag. Wenn ihm nicht bis zur Nacht Hilfe gebracht wurde, war er verloren. Dem Jungen hatte dieser starrsinnige Krieger aber gefallen, und er hoffte, dass er gerettet werden könnte.

      Zwischen der vierten und der fünften Stunde nach Mittag kamen die Zelte in Sicht. Eine Horde Jungen sprengte den heimkehrenden Kriegern mit begrüßendem Geschrei entgegen. Sie vermieden es, die merkwürdigen Fremden neugierig zu betrachten, und Mattotaupa und Harka taten, als ob sie die Jungen nicht sähen, denn sie waren es ja nicht, die so freudig eingeholt wurden. Die Zelte standen an einem Bach, den Gruppen von Weidengebüsch begleiteten. Der Bach floss breit und schnell flutend, aber nur seicht in seinem sandigen Bett. Schnee und Eis hatten sich noch nicht in Wasser verwandelt. Die Zelte waren in genau derselben Weise gebaut, wie die beiden Dakota sie von daheim kannten: schlanke Fichtenstangen, mit den Spitzen zusammengelegt, trugen die schweren Büffelhautplanen. Vor einem Zelt hingen an der Trophäenstange besonders viele Beutestücke, ein zweites war mit Zauberzeichen reich bemalt, und die Dakota fanden sich auch damit sogleich zurecht. Das mussten die Zelte des Häuptlings und des Geheimnismannes, des Zauberers, sein. Zwischen den Zelten standen einige Krieger umher, die die Ankommenden unaufdringlich musterten.

      Die fünf Siksikau sprangen ab. Kinder führten die Pferde zur Weide oder zum Anpflocken vor das Zelt des Eigentümers. Der Anführer Krumm gehender Wolf und der Krieger Kluge Schlange winkten Mattotaupa und Harka abzusteigen, was diese auch taten. Die beiden Dakota blieben bei ihren Pferden stehen und hielten die Tiere am Zügel. Krumm gehender Wolf und Kluge Schlange verschwanden in dem Zelt, vor dem die Trophäenstange besonders reich bestückt war, kamen bald wieder heraus und forderten die beiden Dakota dann auf, mit ihnen in dieses Zelt zu kommen. Mattotaupa nahm seine Waffen mit sich, und Harka folgte hierin wieder dem Beispiel des Vaters. Zu den Pferden kamen zwei Krieger der Siksikau herbei; sie wiesen die Kinder weg und blieben bei den Tieren stehen, ohne die Zügel anzufassen.

      Mattotaupa und Harka betraten das Zelt; Kluge Schlange und Krumm gehender Wolf gingen hinter ihnen und ließen den Vorhang am Eingang wieder zufallen.

      Ein Feuer flackerte in der Zeltmitte. Es war angenehm warm, und aus dem Topf, der an Stöcken über dem Feuer hing, dampfte und duftete Büffelfleischbrühe. Harka war hungrig wie ein Wolf, denn in den letzten Tagen hatte er mit dem Vater zusammen von Proviant gelebt und sehr gespart. Aber er verriet seine Essgelüste mit keinem Blick und keiner Bewegung. Ruhig, wie selbstverständlich, stand er auf dem deckenbelegten Boden zur Seite des Zelteingangs. An der Feuerstelle empfing der Häuptling des Siksikaudorfes Mattotaupa, Kluge Schlange und Krumm gehenden Wolf. Die Frau des Häuptlings stellte die Tonschüsseln zum Essen zurecht und gab die Hornlöffel dazu. Kinder waren nicht im Zelt.

      Sie kamen jetzt erst herein. Ein Junge in Harkas Alter und ein wesentlich jüngeres Mädchen schlüpften durch den Zeltschlitz. Der Junge verhielt sich genau, wie Harka sich verhalten hätte. Er ging zur Seite und blieb nahe dem Zelteingang stehen, aber nicht neben dem fremden Knaben, sondern in dem Abstand, der ihm gehörig schien. Die beiden Jungen hatten einen einzigen Blick miteinander gewechselt, von dem jeder gewünscht hatte, dass der andere ihn nicht bemerken würde, aber ihre Augen hatten sich genau getroffen. Dies gab jedoch nicht den Anlass dazu, dass sie sich irgendwie gefühlsmäßig verständigten, im Gegenteil. Ein jeder der beiden war unwillig darüber, bei seiner Aufmerksamkeit auf den anderen entdeckt worden zu sein, und als ob hieran jeweils der andere durch unziemliche Neugier schuld wäre, vergalten sie es einander mit einer besonders frostigen und ablehnenden Haltung. In einer solchen Haltung waren sie beide schon Meister, besonders aber Harka. Beide rührten sich nicht, sondern schauten unverwandt nach der Mitte des Zeltes, um die Vorgänge dort zu beobachten. Das kleine Mädchen half der Mutter; sie hatte sehr leichte Bewegungen, fast als ob sie schwerelos sei.

      Die Krieger am Feuer hatten sich noch nicht gesetzt. Der Häuptling, groß, kräftig, würdig in seiner Art, stand Mattotaupa gegenüber, der etwas schlanker und noch größer war. Kluge Schlange war hinausgeeilt und kam bald mit einem jungen Mädchen zurück. Sie wurde angewiesen, beim Feuer zu bleiben, und schien schon zu wissen, was sie zu tun habe. Bescheiden, mit herabhängenden Armen, stand sie da.

      »Wie ist dein Name, und was suchst du in den Jagdgründen der Krieger vom Stamme der Siksikau?«, fragte der Häuptling seinen fremden Gast, und das Mädchen übersetzte diese Worte in die Sprache der Dakota. Sie sprach leise und deutlich, und Mattotaupa und Harka hörten sofort heraus, dass sie eine geborene

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