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Stephen Robert im Frühjahr eingestellt hatte, war seine Liebe zum Spiel die entscheidende Eigenschaft gewesen, die ihn aus der Menge der königlichen Angestellten hatte hervorstechen lassen. Das und die Tatsache, dass er der Sohn eines Dienstmannes war, der wiederum der Sohn eines Dienstmannes gewesen war. Sein Vater hatte ebenfalls im Palast gedient.

      »Für mich wird es keine Summer Internationals geben«, sagte Stephen. Dank dieser vermaledeiten, blöden Verletzung. Er hätte sich besser um seine linke Seite kümmern sollen. Bei den Internationals hätte er gut noch ein paar Länderspiele verbuchen können. Bisher hatte er in 28 Länderspielen gespielt und war auf gutem Wege zu seinen angestrebten 50. »Der Knöchel ist noch nicht so weit.«

      »Ein echter Jammer, Sir, wo wir doch das neue Stadion haben und all das. Es heißt, wir könnten eine schöne Auftaktveranstaltung erwarten.«

      »Ich werde von der Bank aus Stimmung machen.«

      »Ich bin mir sicher, dass die Jungs von der Unterstützung ihres Prinzen und Kapitäns begeistert sein werden.«

      Stephen rutschte in seinem Stuhl hin und her und dehnte vorsichtig seinen linken Knöchel. Den Schmerz schluckte er schweigend. Warum nur wurde es nicht besser? Das Pulsieren schien zu einem Dauerbegleiter geworden zu sein. Was ihn noch mehr wunderte war, wie der Schmerz nach oben hin in seine Brust ausstrahlte und sich in sein Herz fraß.

      Seitdem er von seinem Einsatz in Afghanistan zurückgekehrt und vom Royal Air Command aus dem Kriegsdienst entlassen worden war, hatte er seine Zeit auf dem Platz verbracht. Er hatte sich ganz von der Gegenwart gefangen nehmen lassen, hatte an der Zukunft gefeilt und war froh um jede Trainingseinheit, jeden Test, der seine dunklen Dämonen, die schmerzvolle Vergangenheit und die Zweifel an einem freundlichen, liebenden Gott verbannte.

      Nun gut, es war ja erst Juni. Dann würde er eben die Sommerspiele verpassen, aber Dr. Gaylord hatte prophezeit, dass noch ein weiterer Monat in der Gehschiene samt Physiotherapie notwendig wäre, bis Stephen wieder bei voller Kraft trainieren könnte.

      Während er sich seinen sechsten Krapfen in den Mund stopfte und mit Tee nachspülte, schallte das Läuten der Türglocke durch seine Palastwohnung.

      Robert wischte sich die Hände an einem Handtuch ab. »Erwarten Sie jemanden, Sir?«

      »Vielleicht ist es ja jemand, der herausgefunden hat, wie man sich einen Prinzen angelt?«

      Roberts kleines, strahlend weißes Lächeln sprühte Funken in seine Augen. »Soll ich den Besucher hereinbitten?«

      »Aber bitte, ich wüsste die Antwort nämlich selbst gerne.«

      Stephen schenkte sich eine neue Tasse Tee ein. Wie genau angelte man sich denn einen Prinzen? Eine Amerikanerin, Susanne, hatte seinen Bruder, den König, mit einem einzigen Blick dingfest gemacht.

      Und er? Er war bereits gefangen worden. Einmal. Und er war sich sicher, dass er nicht noch einmal geangelt werden wollte, trotz all der wenig dezenten Hinweise seiner Mutter, die sich Enkelkinder von beiden Söhnen wünschte.

      »Sir, Ihr Bruder möchte Sie besuchen.«

      Stephen wandte sich um und sah Nathaniel hereinkommen, der einen großen weißen Umschlag unter dem Arm trug. »Komm, setz dich zu mir, es gibt Tee und Krapfen. Deine Lieblingssorte.« Stephen machte den Arm lang und schob den zweiten Stuhl von der Kücheninsel zurück, um seinen Bruder einzuladen, sich zu setzen.

      »Kann ich dich bitte unter vier Augen sprechen?«, fragte Nathaniel ernst mit seiner tiefen Stimme und ohne die Krapfen auch nur eines Blickes zu würdigen.

      »Äh, ja, natürlich, was gibt es denn?« Es war nicht Nathaniels Art, Krapfen links liegen zu lassen. Stephen wies noch einmal auf den Barhocker. »Robert, bitte lassen Sie uns einen Augenblick alleine.«

      Der Dienstmann-Butler-Assistent legte ein zweites Gedeck auf und verließ dann ohne ein Wort den Raum, indem er die Küchentüren mit den Buntglasfenstern zuzog.

      »Möchtest du nicht wenigstens etwas Tee?« Stephen griff nach der Teekanne und füllte die Tasse, die Robert für den König aufgedeckt hatte.

      »Ich glaube, ich könnte ganz gut eine Tasse gebrauchen.« Nathaniel setzte sich. Den Umschlag hielt er immer noch in der Hand.

      »Warum bist du so mürrisch? Hatten Susanna und du Streit?«

      »Nein, uns geht es gut. Mehr als gut. Wir versuchen, ein Kind zu bekommen.«

      Stephen grinste. »Warum machst du denn dann so ein langes Gesicht, Bruderherz?« Dann zeigte er auf den Umschlag. »Bitte sag mir jetzt nicht, du bist schon wieder wegen der Angelegenheit um den Prinzen von Brighton hier.«

      Nathaniel legte das Kuvert auf den Tresen und klopfte sacht mit der Handfläche darauf, als wollte er sichergehen, dass es artig an seinem Platz blieb. »Heute nicht, aber der Streit ist sowieso rein akademisch. Ich verstehe nicht, warum du dich so sträubst. Als mein Bruder bist du eben der Prinz von Brighton. Die Krönung macht das nur offiziell.«

      »Ganz genau, und wenn dann dadurch das offizielle Protokoll in Kraft tritt, werde ich Schirmherr wovon noch gleich? 15 karitativen Einrichtungen und Organisationen … inklusive des Gedenktages für die Gefallenen.«

      »Ich hätte gedacht, dass du es als eine Ehre ansehen würdest, Schirmherr für das Kriegsdenkmal und den Gedenktag für die Gefallenen zu sein. Du hast für dein Land gekämpft und wurdest bei dem Einsatz verwundet.«

      »Lass es, Nathaniel. Du weißt ganz genau, warum.«

      »Ich weiß, was du mir erzählst, ja, aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich das alles verstehe.«

      »Soll ich dir nochmal meine letzten Tage in Afghanistan zusammenfassen?«

      »Nein, ich erinnere mich gut an die tragischen Details und an die Gefallenen – ein Grund mehr, warum ich erwarten würde, dass du diesen Männern die Ehre erweist, indem du ihnen eine Stimme verleihst und das Volk daran erinnerst, welcher Preis für ihre Freiheit bezahlt wurde.«

      »Ich gedenke der Jungs auf dem Platz. Ich spiele für sie.«

      Stephen verstand den Druck, der auf Nathaniel lastete. Er war ein König mit königlichen Pflichten und Verantwortlichkeiten, es wurden Erwartungen an ihn gestellt. Die Presse hatte schon fast aufgegeben, danach zu fragen, wann der König seinen Bruder ins Amt des Prinzen von Brighton krönen würde.

      Die königliche Behörde antwortete immer dasselbe. »Seine sportlichen Interessen im Rugby stehen aktuell im Vordergrund. Wir lassen ihm den Raum, diesen Interessen nachzugehen.«

      Der Prinz von Brighton diente als Schutzpatron, Fürsorger und Verteidiger der Schwachen. Der Adelstitel war im Jahre 1850 von König Leopold IV. für seinen Bruder geschaffen worden, den er zum Schirmherren und Fürsprecher der Armen und der alternden Veteranen berufen hatte.

      Jeweils der älteste Bruder des Regenten erbte den Titel. Der letzte Prinz von Brighton war ihr Urgroßonkel Prinz Michael gewesen, ebenfalls ein Rugbyspieler und Colonel der Luftwaffe, der am Tag der Landung der Alliierten in der Normandie gefallen war.

      »Ich hätte erwartet, dass du Onkel Michael, die Männer, die gefallen sind, und ihre Familien, ehren würdest, indem du Schirmherr für das Kriegsdenkmal wirst. Besonders für diejenigen aus anderen Ländern, die Teil des Internationalen Alliiertenverbandes waren, Männer, die nicht aus Brighton stammten, aber trotzdem ihr Leben für die Truppe gelassen haben. Diese Männer waren deine Kameraden und deine –«

      Stephen stieß sich vom Tresen ab und stolperte über seinen Barhocker, weil sich sein geschienter Fuß daran verfangen hatte. »Ich weiß, wer diese Männer waren und wie sie gestorben sind. Ich brauche keine Gardinenpredigt, Nathaniel.« Der Tee und die Krapfen wurden ihm sauer im Magen.

      Er konnte das nicht tun. Seine Uniform anziehen, sich mit seinem königlichen Ich-bin-heiliger-als-ihr-Titel vor die Nation, ja, die ganze Welt stellen und so tun, als wäre er jemand, der er einfach nicht war. Jemand Würdiges.

      Außerdem

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