Скачать книгу

sie ist deine Ehefrau und verdient es, mit Respekt und Ehrerbietung behandelt zu werden. Besonders, weil sie die letzten fünf Jahre lang einer Lüge aufgesessen ist und geglaubt hat, sie sei ein freier Mensch, obwohl das gar nicht der Fall war. Mal davon abgesehen, dass sie ausgerechnet mit dem königlichen Prinzen von Brighton verheiratet ist. Ich würde sagen, sie verdient es, so ehrenvoll wie eine Prinzessin behandelt zu werden.« Nathaniel ging durch die Küchentür. »Wenn du weiter so argumentierst, muss ich andere Saiten aufziehen.«

      »Das wirst du nicht.«

      »Stell mich nicht auf die Probe.«

      Er fühlte sich wieder wie zwölf. Unter dem missbilligenden, prüfenden Blick seines Vaters, nachdem er seine Kumpels mit in den Thronsaal genommen und eine Kegelbahn aufgebaut hatte. »Ich hatte vor, mich darum zu kümmern.« Stephen ging mit seinem Bruder zur Eingangstür. »Aber dann habe ich in den Summer Internationals gespielt. Dann wurde mir klar, dass ich die Heiratsurkunde ja auch gar nicht hatte, und da habe ich es dann einfach auf sich beruhen lassen.«

      »Hast du den Weg zum Büro des Erbischofs vergessen?« Nathaniel öffnete die Tür, und der Duft des Abendregens drang in die Wohnung. »Bring das in Ordnung, Stephen.«

      Herrschaftszeiten. Bisher hatte er noch nicht das Vergnügen mit dem König-Bruder Nathaniel gehabt. Aber er hatte recht. Stephen musste sie sehen. Musste Corina das persönlich sagen. Mit einem riesigen, gewichtigen Seufzer sank er auf den nächstbesten Stuhl und starrte aus dem Fenster.

      Der Regen fiel in Strömen und platschte auf den sommerwarmen Gehweg. Und in der Ferne hörte Stephen die ersten aufeinander abgestimmten Töne des abendlichen Sechs-Uhr-Läutens der Stadt.

      Eins …

      Zwei …

      Drei …

      DREI

      Es war spät. Sie war müde und bereit, nach Hause zu fahren. Aber seitdem Mark Johnson am Montagnachmittag angekommen und mit der Gewichtigkeit eines Wahlkampfkandidaten durch das Büro spaziert war, Hände geschüttelt und Hoffnung und Veränderung in Aussicht gestellt hatte, hatte sich Corinas Arbeitspensum verdoppelt.

      Ihr war die Aufgabe erteilt worden, ihn mit den Schreibern und der Arbeitsweise des Büros bekanntzumachen. Sie hatte ihre Tage damit verbracht, ihm sowohl die Mannschaft hier in Melbourne, Florida, als auch – mithilfe des Internets – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auf der ganzen Welt verteilt waren, vorzustellen.

      Nachdem dann alle anderen Feierabend gemacht hatten, war sie an den Abenden geblieben, um die E-Mails der Korrespondenten zu beantworten, Artikel zu editieren, nach den Bloggern zu sehen und sicherzustellen, dass Abgabetermine eingehalten wurden.

      Sie versuchte, Mark das virtuelle Aufgabenbrett der Abteilung zu zeigen, damit er einige der Aufgaben übernehmen konnte, aber er verharrte im Wahlkampfmodus, schleimte sich bei Gigi und den Mitarbeitern ein, war ständig abgelenkt und nahm Anrufe von seinem früheren Arbeitgeber ebenso an wie die von seiner Frau, seinem Immobilienmakler und irgendeinem Typen, der ihm ein maßgeschneidertes Surfbrett baute.

      Ja, klar, Gigi. Mark ist einfach perfekt für den Job.

      Mit einem Seufzer fiel Corina in ihrem Bürostuhl in sich zusammen und starrte auf die Lichter von Indian Harbor Beach, die sich im Fluss spiegelten.

      Heute schmiss Gigi eine Willkommensparty für Mark, und die gesamte Belegschaft war eingeladen. Und das an einem Donnerstag. Morgen würde dann die Hälfte der Leute anrufen und behaupten, sie »arbeiteten von zu Hause aus«. Sie sollte gehen, Teil des Teams sein, aber sie konnte sich nicht dazu motivieren, von ihrem Schreibtisch aufzustehen.

      Corina richtete ihre Schreibtischlampe aus und wies die Dunkelheit des Großraumbüros etwas in ihre Schranken. Dann starrte sie auf ihren Bildschirm. 21 Uhr. Sie sollte wirklich nach Hause fahren. Ihre bequemen Klamotten anziehen und eine Mary Tyler Moore-DVD anschauen.

      Oder, sollte sie es schaffen, solange wach zu bleiben, könnte sie einfach im Frieden ihrer Wohnung dasitzen und auf Gott warten. Wenn es in den letzten fünfeinhalb Jahren einen Silberstreif am Horizont gegeben hatte, dann war das die Entdeckung der Wahrheit. Trotz ihres Schmerzes und aller Trauer hatte sie Trost in einem Gott der Liebe und des Friedens gefunden, der ihr all das gewesen war, was er versprochen hatte.

      Aber die Mitarbeiter, die nicht hier vor Ort waren, brauchten ihre Aufmerksamkeit. Sie warteten auf Aufträge und Antworten. Die wussten nicht, dass Mark bei seiner Willkommensfeier Kontakte knüpfte, und es kümmerte sie auch gar nicht.

      Die Wahrheit? Sie tat sich schwer mit dem Gedanken, dass Mark ihr Vorgesetzter sein sollte. Der Kerl, der sich da gerade durch seine erste Arbeitswoche bei der guten alten Beaumont Post feierte.

      »Bist du immer noch hier, Süße?«

      Corina blinzelte durch das sanfte Licht und sah Gigi, die durch den Mittelgang auf sie zukam. Ihre anmutige Figur war in ein blassblaues Designerkleid gehüllt. Was machte die denn hier? Corina dachte, sie wäre mit dem Rest des Teams gefahren.

      »Gehst du denn nicht zu Marks Party?«, fragte Gigi.

      »Ich habe diese Woche schon genug Zeit mit Mark verbracht.« Corina schloss ihr E-Mail-Programm und fuhr den Computer herunter, während sich Gigi auf die Schreibtischkante setzte und leise lachte. Sie hatte sich entschieden. Es war Zeit, nach Hause zu fahren.

      »Jetzt komm schon, sei ein Teamplayer.«

      »Ich bin der Inbegriff eines Teamplayers. Heb dir deine Worte für Mark auf. Noch kannst du es dir anders überlegen«, sagte Corina. »Er ist erst eine Woche hier. Du kannst ihn wieder nach Hause schicken.«

      »Ach, jetzt verstehe ich. Das meinst du also? Ich hätte Besseres von dir erwartet, Schätzchen.« Gigi nahm einen Lippenstift und einen Spiegel aus ihrer orangefarbenen Hermes Birkin und zeichnete ihre Lippen in einem dunklen Rot nach. Dann schaltete sie Corinas Schreibtischlampe aus. »Für heute ist die Arbeit getan. Komm, lass uns zu den anderen gehen!«

      »Richte ihnen liebe Grüße aus.« Corina nahm ihre Handtasche, eine Prada, die sie schon seit Jahren hatte und immer noch mochte, und ging mit Gigi zur Tür. »Ich mache mich auf den Weg nach Hause. Meine Wohnung ruft schon nach mir.«

      Sie hatte nie wirklich alleine gelebt. Noch nicht einmal im Mutterleib, den sie mit Carlos geteilt hatte. Nach der Highschool war sie aufs College gegangen und hatte sich die gesamten vier Jahre über ein Zimmer mit ihrer besten Freundin Daisy geteilt. Gleich nach dem College hatte sie ein Jahr in Melbourne für Gigi gearbeitet und bei ihrer Freundin Tammy gewohnt. Und Daisy war mindestens einmal im Monat auf ein Mädels-Wochenende vorbeigekommen.

      Dann war Carlos den Marines beigetreten und wurde für eine internationale Taskforce in Brighton ausgewählt. Sie war mit ihm nach Brighton gezogen, hatte als freie Mitarbeiterin für Gigi gearbeitet und Kreatives Schreiben an der Universität von Knoxton studiert.

      Und dort hatte sie ihn dann getroffen. Ihren Prinzen des Campus.

      Corina seufzte.

      »Was ist denn da los?« Gigi, aufmerksam wie immer. Immer wachsam. Immer die Ohren gespitzt. »Welch ein Seufzer!«

      »Nichts.« Aber es war etwas los. An Stephen zu denken, brachte Corina die unfassbar große Leere in ihrem Herzen in Erinnerung.

      Gigi drückte auf den Fahrstuhlknopf. »Mach dir keine Sorgen, wir finden schon eine superheiße Story für dich. Weißt du was, ich habe gar keine verlässliche Korrespondentin in London. In Cathedral City auch nicht, wenn ich genauer drüber nachdenke. Die haben mich alle sitzen lassen, um Kinder zu bekommen. Wie manche Frauen so ticken …«

      »Ja, was soll das eigentlich? Dass Frauen Babys wollen, eine Familie gründen …?« Die Fahrstuhltür ging auf, und Corina trat begleitet von

Скачать книгу