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Die böse Macht. C. S. Lewis
Читать онлайн.Название Die böse Macht
Год выпуска 0
isbn 9783865064301
Автор произведения C. S. Lewis
Жанр Контркультура
Издательство Автор
In der Tat hätte Jane Professor Dimbles Gesicht ansehen können, dass Janes Traum ihn sehr schockiert hatte. »Höchst ungewöhnlich … höchst ungewöhnlich«, murmelte er immer wieder. »Zwei Köpfe. Und einer davon Alcasans. Könnte das eine falsche Fährte sein?« »Lass doch, Cecil«, sagte Mrs. Dimble.
»Meinen Sie, ich sollte mich analysieren lassen?«, sagte Jane.
»Analysieren?«, erwiderte Professor Dimble und blickte sie an, als habe er nicht ganz verstanden. »Oh, ich verstehe. Sie meinen, ob Sie zu Brizeacre oder so jemandem gehen sollen?« Jane merkte, dass ihre Frage ihn von einem völlig anderen Gedankengang abgebracht hatte, und es berührte sie ein wenig seltsam, dass das Problem ihrer eigenen Gesundheit ganz beiseite geschoben worden war. Die Darstellung ihres Traums hatte irgendein anderes Problem in den Vordergrund gerückt, aber sie hatte keine Ahnung, welcher Art dieses Problem war.
Professor Dimble blickte aus dem Fenster. »Da kommt mein dümmster Student«, sagte er. »Ich muss ins Arbeitszimmer und mir einen Aufsatz über Swift anhören, der mit den Worten beginnt ›Swift wurde geboren …‹ Und ich muss versuchen, bei der Sache zu bleiben; das wird nicht einfach sein.« Er stand auf, legte die Hand auf Janes Schulter und blieb einen Augenblick so stehen. »Wissen Sie«, sagte er, »ich möchte Ihnen keinen Rat geben. Sollten Sie sich aber entschließen, wegen dieses Traums jemanden aufzusuchen, so möchte ich Sie bitten, zuerst zu jemandem zu gehen, dessen Adresse Margaret oder ich Ihnen geben werden.«
»Sie halten nichts von Mr. Brizeacre?«, fragte Jane.
»Ich kann es nicht erklären«, antwortete Dimble. »Nicht jetzt. Es ist alles so kompliziert. Versuchen Sie, nicht darüber nachzudenken. Aber wenn Sie etwas unternehmen, lassen Sie es uns vorher wissen. Auf Wiedersehn.«
Kaum war er gegangen, kamen andere Besucher, sodass Jane und ihre Gastgeberin keine Gelegenheit mehr hatten, sich ungestört zu unterhalten. Etwa eine halbe Stunde später verließ Jane die Dimbles und ging nach Hause, nicht die Pappelallee entlang, sondern auf dem Fußweg über die Gemeindewiesen, vorbei an Eseln und Gänsen, mit den Türmen von Edgestow zur Linken und der alten Windmühle am Horizont zu ihrer Rechten.
2 Abendessen beim Vizerektor
So ein Mist!«, sagte Curry. Er stand vor dem Kamin in seinen prachtvollen Räumen am Newton-Hof. Er hatte die beste Wohnung im College.
»Etwas von N. O.?«, fragte James Busby. Er, Lord Feverstone und Mark tranken vor dem Abendessen bei Curry miteinander Sherry. N. O. stand für »Non Olet« und war der Spitzname des Rektors von Bracton, Charles Place. Seine Wahl auf diesen Posten, die schon etwa fünfzehn Jahre zurücklag, war einer der frühesten Triumphe des Progressiven Elementes gewesen. Mit dem Argument, das College brauche ›frisches Blut‹ und müsse die ›eingefahrenen akademischen Gleise‹ verlassen, war es ihnen gelungen, einen älteren Verwaltungsbeamten an die Spitze zu bringen, einen Mann, der sich gewiss von keiner akademischen Strömung hatte mitreißen lassen, seit er – noch im vorigen Jahrhundert – sein ziemlich obskures College an der Universität Cambridge absolviert hatte, der jedoch einen monumentalen Untersuchungsbericht über das staatliche Gesundheitswesen verfasst hatte. Das hatte ihn den Fortschrittlichen Kräften sogar eher empfohlen. Sie sahen darin einen Schlag ins Gesicht der Konservativen und Ästheten, die sich revanchierten, indem sie ihren neuen Rektor »Non Olet« tauften. Aber nach und nach hatten auch Places Anhänger den Spitznamen übernommen. Denn Place hatte ihre Erwartungen nicht erfüllt und sich als ein Eigenbrötler mit Hang zur Philatelie erwiesen, dessen Stimme man so selten hörte, dass einige der jüngeren Kollegen nicht wussten, wie sie klang.
»Ja, der Henker soll ihn holen«, sagte Curry. »Will mich gleich nach dem Abendessen in einer äußerst wichtigen Angelegenheit sprechen.«
»Das bedeutet«, sagte der Schatzmeister, »dass Jewel und Co. bei ihm gewesen sind und nach Möglichkeiten suchen, die ganze Sache rückgängig zu machen.«
»Das kümmert mich verdammt wenig«, erklärte Curry. »Wie kann man einen Mehrheitsbeschluss rückgängig machen? Nein, das ist es nicht. Aber es reicht aus, einem den ganzen Abend zu verderben.«
»Nur Ihren Abend«, erwiderte Feverstone. »Vergessen Sie nicht, uns Ihren speziellen Kognak herauszustellen, bevor Sie gehen.«
»Jewel! Lieber Himmel!«, sagte Busby und vergrub die linke Hand in seinem Bart.
»Eigentlich hat mir der alte Jewel Leid getan«, sagte Mark. Er hatte ganz unterschiedliche Beweggründe für diese Bemerkung. Der Gerechtigkeit halber muss man sagen, dass die völlig unerwartete und offensichtlich unnötige Brutalität, mit der Feverstone dem alten Mann begegnet war, ihn abgestoßen hatte. Außerdem verdross ihn die Vorstellung, seinen Lehrstuhl Feverstones Fürsprache zu verdanken und in seiner Schuld zu stehen. Wer war dieser Feverstone? Er meinte, es sei Zeit, seine Unabhängigkeit herauszustellen und zu zeigen, dass seine Zustimmung zu den Methoden des Progressiven Elements nicht als selbstverständlich angesehen werden konnte. Ein gewisses Maß an Unabhängigkeit würde ihm sogar innerhalb dieses Elements zu einer höheren Position verhelfen. Wäre der Gedanke, Feverstone werde eine umso höhere Meinung von ihm haben, wenn er ein wenig die Zähne zeige, ihm in dieser Deutlichkeit gekommen, hätte er ihn wohl als unterwürfig abgetan; aber das war nicht der Fall.
»Mitleid mit Jewel?«, fragte Curry und wandte sich um. »Das würden Sie nicht sagen, wenn Sie wüssten, wie er in seiner Glanzzeit war.«
»Ich stimme Ihnen zu«, sagte Feverstone zu Mark, »aber ich halte es mit Clausewitz. Auf lange Sicht ist der totale Krieg am menschlichsten. Ich habe ihn sofort zum Schweigen gebracht. Wenn er den Schock überwunden hat, wird er seine Freude an der Sache haben, denn ich habe ihn in all dem bestätigt, was er seit vierzig Jahren über die jüngere Generation sagt. Welche Alternative hätten wir denn gehabt? Ihn weiterfaseln zu lassen, bis er sich in einen Hustenanfall oder gar in einen Herzinfarkt hineingesteigert hätte, und ihm dazu noch die Enttäuschung einer höflichen Behandlung zu bereiten.«
»So kann man es natürlich auch sehen«, sagte Mark.
»Verdammt noch mal«, fuhr Feverstone fort, »niemand lässt sich gern sein Kapital nehmen. Was würde der arme Curry hier tun, wenn die Reaktionäre eines Tages aufhörten, reaktionär zu sein? Othello hätte nichts mehr zu tun.«
»Es ist angerichtet, Sir«, sagte Currys ›Schütze‹ – wie man in Bracton die Collegediener nannte.
»Das ist alles Unfug, Dick«, sagte Curry, als sie sich zu Tisch setzten. »Nichts wäre mir lieber, als all diese Reaktionäre und Obstruktionisten loszuwerden und mit der Arbeit voranzukommen. Sie glauben doch nicht etwa, dass es mir Spaß macht, meine ganze Zeit bloß darauf zu verwenden, den Weg freizumachen?« Mark merkte, dass sein Gastgeber über Lord Feverstones Spöttelei ein wenig verärgert war. Letzterer hatte ein männliches und sehr ansteckendes Lachen. Mark fand ihn allmählich sympathisch.
»Und die Arbeit wäre …?«, fragte Feverstone. Ohne Mark direkt anzusehen oder ihm gar zuzuzwinkern, bezog er ihn irgendwie in den Scherz mit ein.
»Nun, manche von uns haben auch noch eine eigene Arbeit«, erwiderte Curry und senkte seine Stimme, um ihr einen ernsteren Ton zu verleihen – etwa so wie manche Menschen ihre Stimmen senken, wenn sie von medizinischen oder religiösen Dingen sprechen.
»Ich wusste nicht, dass Sie so einer sind«, sagte Feverstone.
»Das ist das Schlimme an der Sache«, erwiderte Curry. »Entweder gibt man sich damit zufrieden, dass alles vor die Hunde geht – ich meine: stagniert –, oder man opfert die eigene wissenschaftliche Karriere dieser verfluchten Collegepolitik. Eines Tages werde ich den ganzen Krempel hinwer-fen und mich an mein Buch machen. Das Material habe ich alles beisammen, wissen Sie. Eine lange und ungestörte Ferienzeit, und ich glaube, ich könnte wirklich etwas daraus machen.«
Mark,