ТОП просматриваемых книг сайта:
Hekate. Thomas Lautwein
Читать онлайн.Название Hekate
Год выпуска 0
isbn 9783944180007
Автор произведения Thomas Lautwein
Жанр Религия: прочее
Издательство Автор
Dieses System wurde zuerst von König Hattuschili I. in der Mitte des 2. Jahrtausends v. Z. in Frage gestellt, als er seinen Enkel zum Erben ernannte, was diesen in Konflikt mit seiner Tante brachte. Außerdem schaffte er das Amt der tawananna ab, ernannte sich selbst zum Oberpriester und begann, nach eigenem Gutdünken königliche Prinzessinnen als Priesterinnen der Göttin einzusetzen – ganz nach dem Vorbild von Sumer, in dem ähnliches schon viel früher geschehen war. Hattuschilis Dekret konnte die matrilineare Sukzession jedoch nur vorübergehend unterbrechen. Auch der Versuch von Hattuschilis Schwiegersohn Telipinu, um 1500 v. Z. die männliche Thronfolge erneut durchzusetzen, verlief im Sande. Die matrilineare Tradition bewies ihre Stärke noch gut hundert Jahre später, als König Tuthalija mit seiner Schwester in Streit geriet, da er sie beschuldigte, ihm mit Hexerei nach dem Leben zu trachten. Der Familienstreit wurde durch einen Kompromiss beendet, in dem man sich darauf einigte, dass der Sohn des Königs den Thron bestieg, die Tochter des Königs aber wieder tawananna wurde und das Amt der Priesterin des Sonnengottes (!) übernahm. Das war das letzte Mal in der Geschichte der Hethiter, dass ein Geschwisterpaar sich die weltliche und geistliche Macht teilte. Erst Schuppiluliuma I., der Gründer des „Neuen Reichs“, konnte die patrilineare Erbfolge endgültig durchsetzen, indem er das Amt der tawananna per Dekret seiner Frau übertrug.20 Doch noch König Hattuschili III. hielt es um 1250 v. Z. für angebracht, seine Frau Puduhepa zur Mitregentin zu ernennen und seine Usurpation des Thrones durch die Gunst der Göttin Ischtar zu rechtfertigen.
Dieser politischen Veränderung entsprechen Veränderungen im Götterhimmel. Die hattischen Ureinwohner Kleinasiens hatten eine Sonnengöttin Eschtan und einen Sturmgott Taru verehrt. Die hethitischen Einwanderer hingegen verehrten an der Spitze ihres Pantheons einen Sonnengott (Sius, Sawel) und einen Sturm- und Wettergott (dieus, dyew). Die Hethiter verbanden beides miteinander, machten aus der Sonnengöttin einen männlichen Sonnengott namens Ischtanu, der fortan als „Vater“ und „König“ verehrt wurde. Neben ihm wird die Sonnengöttin Arinna als „Königin“ verehrt, die die Tradition der alten Erd- und Sonnengöttin Eschtan fortsetzt. Noch später wird die Göttin Arinna zu Hepat, die dem Sturmgott Tessub (Teššub), der den Sonnengott Tiwat (luwisch) oder Tiyat (palaisch) entthront hat, als Gemahlin beigegeben wird. Der Würzburger Altorientalist Daniel Schwemer fasst das Ergebnis dieses Prozesses wie folgt zusammen:
Die in der zentralanatolischen Stadt Arinna verehrte Sonnengöttin stand neben ihrem Gemahl, dem Wettergott, an der Spitze des hethitischen Reichspantheons. Ihr hethitischer Name war Istanu; dieser wiederum geht auf den Namen der hattischen Sonnengöttin Estanu zurück. Die Göttin gehörte also bereits zum Pantheon der vor den Hethitern in Zentralanatolien siedelnden Hattier. Die Hethiter unterschieden zwei Sonnengottgestalten: Istanu, die Sonnengöttin der Erde (bzw. Unterwelt), als Nachtgestalt des Gestirns, und den männlichen Sonnengott des Himmels als seine Taggestalt. Im Zuge der Aufnahme hurritisch geprägter nordsyrisch-südanatolischer Vorstellungen in die hethitische Theologie wurde die Sonnengöttin mit der nordsyrischen Hepat identifiziert. Diese steht (...) in der Hauptszene des Felsreliefs von Yazilikaya ihrem Gemahl, dem Wettergott, gegenüber. 21
Halten wir fest, dass es neben einem männlichen Sonnengott im kleinasiatischen Bereich eine „Sonnengöttin der Erde“ Istanu-Hepat gibt, die stark nächtlich-erdhafte Züge trägt und ursprünglich einen männlichen Sonnengott als Partner hat. Volkert Haas fasst zusammen: „In der von den Hethitern übernommenen, autochthonen hattischen Vorstellung ist die Sonne sowohl eine Göttin des Himmels als auch der Unterwelt (…) Die Sonnengöttin der Erde ist die Nachtsonne und unter diesem Aspekt die Herrin der Unterwelt.“22 Dieser chthonische Aspekt der Göttin verkörpert sich in hethitischer Zeit insbesondere in der hattischen Unterweltsgöttin Lelwani, die an der Spitze der im hešta-Haus verehrten unterweltlichen Göttergruppe steht. Typisch für ihren Kult ist u. a. die Verwendung von schwarzen Libationsgefäßen und die Opferung schwarzer Schafe, die anscheinend nicht erstochen, sondern mit einem speziellen Stein erschlagen wurden.23 Ihre Riten erinnern außerdem frappant an die Rituale, mit denen später bei den Griechen Hekate beschworen wird:
Will man sie in ihrem Aspekt als Unterweltsgöttin beschwören, so begibt man sich zu Höhlen oder man gräbt eine Grube, bringt blutige Opfer dar und spricht die Beschwörungen:
[Frühmorgens] begibt sich der Beschwörungspriester nach Nera-Lala und bringt dort dem Wettergott von Nerik ein Schaf als Blutopfer dar. Drei Schafe bringt er der Ereškigal – der Wurunsemu – und den uralten Göttern als Blutopfer dar. Man schlachtet die Schafe in eine Höhle hinab... Und der Beschwörungspriester ruft dreimal in die Höhle hinunter: ‚Herbei, herbei, Dämon der Erde, Dämon der Erde!’ Und dort spricht er fernerhin eine Beschwörung.
Sie öffnet den Unterweltsgöttern das „Tor der Unterwelt“, auf dass sie hervorkommen und das „Böse an Füßen und Händen fesseln“ und es „hinab in die Unterwelt schaffen“. Die Unterweltsgötter nehmen als Figürchen geformt an den Beschwörungshandlungen teil. Die Ritualhandlungen z.B. gegen Behexung werden als prozessuales Geschehen betrachtet: Kläger ist der Behexte, Beklagter der Hexer, Richter aber sind die Unterweltsgötter.24
Das Opfertier dient dabei als Substitut für den Behexten, wobei kein Zweifel besteht, dass in besonders schweren Fällen auch Menschen geopfert wurden, um die erzürnten Götter zu besänftigen.25 In den magischen Ritualen, in denen die Sonnengöttin häufiger erscheint als in anderen Ritualtexten, erscheint sie vor allem „in der Phase, in der es zunächst um die Beseitigung des Bösen, des Übels geht (bevor das Gute/Heile wieder aufgebaut wird)“26.
Wir werden später noch griechische Texte kennen lernen, in denen Hekate in einer Höhle lokalisiert wird, oder in denen das Ausheben einer Grube geschildert wird, in der ihr dann schwarze Schafe geopfert werden. Dass Opfertiere für die Manen und Götter der Unterwelt schwarz sein müssen, erwähnt bereits Homer (Ilias III, 104 - 105; Odyssee X und XI; vgl. auch Arnobius, Adv. Nat. VI, 20); und die vermittelnde Stellung der Hekate wird uns noch in den spätantiken Zaubertexten begegnen.
In diesem kleinasiatischen Umfeld, zwischen Syrien und Phrygien, müssen wir den Ursprung der Göttin Hekate suchen. Meiner Ansicht nach erklären sich viele rätselhafte Züge der Hekate, ihre Unheimlichkeit, ihre Rolle als Hexengöttin, ihre unabhängige Stellung im griechischen Pantheon aus ihrer ursprünglichen Rolle als machtvolle kleinasiatische Sonnen- und Erdgöttin. Hekate verkörpert einen Rest spezifisch weiblicher Macht und Magie, der sich die ganze Antike hindurch behaupten konnte.
Beziehungen zwischen Griechenland und Kleinasien bestanden bereits in mykenischer Zeit, wovon sich noch Spuren in den griechischen Sagen finden, nicht zuletzt in der Sage vom trojanischen Krieg. Dass sich hethitische und mykenische Kultur in der Bronzezeit an der Westküste Asiens überschnitten und durchdrangen, lassen die archäologischen Funde (z. B. in der Umgebung von Ephesos) erkennen. An die Griechen vermittelt wurde Hekate jedoch von dem rätselhaften Volk der Karer.
Die Karer
Als die Griechen im Laufe der ägäischen Völkerwanderung, die um 1250 v. Z. einsetzte, die Karer von ihren ursprünglichen Wohnsitzen in der Ägäis vertrieben, nahmen diese die Landschaft Karien in Besitz und gaben ihr ihren Namen, wobei sie eine ältere Bevölkerung (die Leleger) ins Landesinnere abdrängten:
Von den vielen Angaben über die Carier ist dieß die allgemeinste, dass die Carier von Minos Gesetze erhielten, und damals Leleger hießen, und die Inseln bewohnten. Dann begaben sie