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von 1848 äußern die deutschen Philosophen und revolutionären politischen Denker Karl Marx und Friedrich Engels, der Kapitalismus unterdrücke die Frau und behandle sie in Familie und Gesellschaft als Bürger zweiter Klasse. Der marxistische Feminismus übernimmt diese Theorie und strebt die Emanzipation der Frau durch Zerstörung des kapitalistischen Systems an.

      Marx’ spätere Schriften stellten die ökonomischen und sozialen Klassenunterschiede in den Mittelpunkt und sagten wenig zur Dominanz des Mannes, doch gegen Ende seines Lebens griff er dieses Thema wieder auf und verfasste dazu viele Notizen. Engels nahm einige dieser Gedanken Marx’ sowie die Forschungen des progressiven US-Gelehrten Lewis Henry Morgan in Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats (1884) auf, worin er den Beginn und die Institutionalisierung der Unterdrückung der Frau untersucht.

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       Weibliche Unterwürfigkeit

      Für Engels liegen die Wurzeln der Gewalt und Unterdrückung, unter der die Frauen litten, in der Familie. Er beschreibt den Aufstieg der Kernfamilie als »weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts«, die die Frau zur Sklavin ihres Ehemanns und bloßem Werkzeug zur Erzeugung von Kindern mache. Um ihre Treue sicherzustellen, schreibt Engels, »wird die Frau der Gewalt des Mannes unbedingt überliefert: Wenn er sie tötet, so übt er nur sein Recht aus.«

      Dem klassischen Marxismus zufolge hat geschlechterspezifische Arbeit schon immer existiert, die Arbeit von Männern und Frauen wird aber gleichermaßen benötigt. Mit Aufstieg des Kapitalismus, Überproduktion und Anhäufung von Eigentum habe das Vererben an Bedeutung gewonnen. Laut Engels wurde das Recht auf Erbe durch die Vorstellung von Tugend, die monogame Familie und die Trennung zwischen öffentlicher und privater Sphäre gefördert, was zur Kontrolle der weiblichen Sexualität führte.

       Klassenkampf

      Klassischer marxistischer Theorie zufolge erfordert die Befreiung der Frau ihre Beteiligung an der sozialen Produktion. Daher wurde der Kampf der Frauen wichtiger Teil des Klassenkampfs. Marxisten glaubten, Frauen und Arbeiter verfolgten dieselben Ziele, und die Geschlechterungleichheit würde mit Abschaffung des Privateigentums verschwinden, da der Grund für Ausbeutung verschwunden sei.

      Marxistische Feministinnen sahen Frauen in der kapitalistischen Gesellschaft als »industrielle Reservearmee«, die man bei Bedarf aktivierte, etwa in Kriegszeiten, und ausschloss, wenn der Bedarf endete. Da ihnen zufolge das Patriarchat und die männliche Dominanz bereits vor Aufkommen des Privateigentums und der Klassengesellschaft existiert hatten, betrachteten marxistische Feministinnen Kapitalismus und Patriarchat als doppeltes Unterdrückungssystem der Frau.

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      Karl Marx (links) und Friedrich Engels (rechts) begegneten sich, als Engels für die Rheinische Zeitung zu schreiben begann, wo Marx Chefredakteur war. Als Marx Deutschland verlassen musste, gingen sie beide nach Belgien und später nach England.

       Gemeinsamer Kampf

      Nach dem Tod von Marx (1883) und Engels (1895) und vor dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) arbeiteten Sozialistinnen und kommunistische Theoretikerinnen die Themen der Macht für Frauen und des allgemeinen Wahlrechts weiter aus. Führende Theoretikerinnen der internationalen kommunistischen Bewegung waren Rosa Luxemburg und Clara Zetkin in Deutschland und Alexandra Kollontai in Russland. Sie wehrten sich dagegen, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts von der sozialistischen Führung » ausgeschlossen wurden. Beim Kampf für die Befreiung der Arbeiter stellten sie die Frauenrechte in den Vordergrund.

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      In von Männern dominierten kapitalistischen Gesellschaften stand »unproduktive« Frauenarbeit am unteren Ende der sozialen Pyramide.

       Die Frauenfrage

      Rosa Luxemburgs Schriften behandeln Macht für die Frau zwar nicht als Hauptthema, doch war sie der Ansicht, dass eine Revolution der Schlüssel für ihre Emanzipation sei und Frauen das Recht zustand, außerhalb der Familie zu arbeiten. Sie prangerte die Scheinheiligkeit der christlichen Kirche und Gelehrter aus der herrschenden bürgerlichen Klasse im Hinblick auf die Geschlechtergleichheit an und äußerte, dass der kapitalistischen Gesellschaft eine echte Gleichheit der Frau fehlte. Nur der Sieg einer proletarischen Revolution könne Frauen von der Sklaverei der Häuslichkeit befreien. In ihrer Rede »Frauenwahlrecht und Klassenkampf« von 1912 beim sozialdemokratischen Frauentag in Stuttgart stellte sie fest: »Der Sozialismus hat die geistige Wiedergeburt der Masse der proletarischen Frauen bewirkt«, und ergänzte trocken, »und sie dadurch zweifellos auch zu tüchtigen produktiven Arbeiterinnen für das Kapital gemacht.«

      Luxemburg kritisierte die bürgerliche Frauenbewegung. Bürgerliche Ehefrauen waren für sie »Parasiten der Parasiten am Volkskörper« und »Lasttiere für die Familie«. Nur durch den Klassenkampf können sie »menschliche Wesen« werden. Sie behauptete, bürgerliche Frauen hätten kein echtes Interesse an politischen Rechten, weil sie in der Gesellschaft keine ökonomische Funktion übernähmen und »Mitverzehrerinnen des Mehrwerts, den ihre Männer aus dem Proletariat herauspressen« seien. Für Luxemburg war der Kampf um das Frauenwahlrecht nicht allein eine Mission für Frauen, sondern Ziel aller Arbeiter. Es war erforderlich, um das Proletariat im Kampf gegen den Kapitalismus voranzubringen.

      Mit anderen Sozialistinnen, allen voran ihrer Freundin und Vertrauten Clara Zetkin, war Luxemburg an zahlreichen Kampagnen zur Stärkung der weiblichen Solidarität beteiligt. Linksgerichtete Vorkämpferinnen trafen sich auf internationalen Kongressen zum Erfahrungs- und Ideenaustausch und gründeten internationale Frauenorganisationen.

      Im Ersten Weltkrieg unterstützten Luxemburg und Zetkin die Anti-Kriegskampagne der größten sozialistischen Frauenzeitung Die Gleichheit und riefen gegen den Militarismus auf. 1915 wurde Luxemburg wegen ihrer Haltung inhaftiert, 1916 gründete sie mit Zetkin den Spartakusbund. Diese marxistische Gruppierung bekämpfte den deutschen Imperialismus und strebte eine Revolution an.

       Eine neue Idee der Frau

      Revolutionäre Bewegungen in Russland um 1900 brachten den marxistischen Feminismus voran. Alexandra Kollontai, kommunistische Revolutionärin, stellte Frauenbefreiung und Geschlechtergleichheit ins Zentrum der internationalen sozialistischen Agenda. Ab 1905 warb sie bei den russischen Arbeiterinnen aktiv für marxistische Ideen. Sie verlangte die radikale Zerstörung traditioneller Familienbindungen und behauptete, eine Frau, die wirtschaftlich von einem Mann abhängig war und nicht am öffentlichen und industriellen Leben teilnahm, sei nicht frei.

      Ihr Artikel »Die neue Frau« von 1918 fordert Frauen auf, aus der unterwürfigen Rolle herauszutreten, die die patriarchale Tradition ihnen aufgezwungen habe, und Eigenschaften zu kultivieren, die als männlich gälten. Die neue Frau würde ihre Emotionen besiegen und starke Selbstdisziplin entwickeln. Sie würde von einem Mann Respekt fordern und nicht um materielle Unterstützung bitten. Ihre Interessen wären nicht auf Heim, Familie und Liebe beschränkt, und sie würde ihre Sexualität ausleben.

      In Gesellschaft und Mutterschaft (1916) analysiert Kollontai, wie Fabrikarbeit Mutterschaft zur Bürde macht, die Frauen und Kinder gesundheitlich und sozial schädigt. Sie setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen und staatliche Wertschätzung der Mutterschaft durch eine nationale Versicherung ein und fordert vom Staat, Verantwortung zu übernehmen für die Gesundheit einer arbeitenden Frau und ihres Kindes sowie die Kinderbetreuung während der Arbeitszeit.

      Anfang des 20. Jahrhunderts beeinflussten marxistische Feministinnen die Politik späterer kommunistischer Staaten weltweit. Noch um 1960 und 1970 inspirierten sie radikale feministische

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