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Homilien über den ersten und zweiten Thessalonicher-Brief. Johannes Chrysostomos
Читать онлайн.Название Homilien über den ersten und zweiten Thessalonicher-Brief
Год выпуска 0
isbn 9783849660192
Автор произведения Johannes Chrysostomos
Жанр Документальная литература
Серия Die Schriften der Kirchenväter
Издательство Bookwire
Oft aber ist auch die Armuth eine Veranlassung zum Bösen. Darum hat einst ein Weiser gesagt: „Reichthum und Armuth gib mir nicht!“59 Allein es ist eigentlich weder der Reichthum noch die Armuth, was Gefahr bringt, sondern der freie Wille, der diese Dinge nicht recht zu gebrauchen versteht. Darum heißt es: „Erkenne, daß du mitten durch Fallstricke hindurchwandelst!“
9.
V. Überaus schön sagt der heilige Paulus: „Das ist unsere Bestimmung.“ Er sagt nicht nur: Wir haben Leiden und Widerwärtigkeiten zu ertragen, sondern: * „Das ist unsere Bestimmung,“ *d. h. dazu sind wir geboren. Das ist unsere Aufgabe, das unser Leben, und du suchst Ruhe? Allerdings steht kein Henkersknecht vor dir, um dir die Seite zu zerfleischen und dich zum opfern zu zwingen, aber dafür setzt dir die Geldgier und Habsucht zu und blendet dich. Kein Trabant zündet dir den Scheiterhaufen an, Niemand legt dich auf den glühenden Rost, aber das Feuer, das in dem Körper brennt, schädigt viel mehr noch deine Seele. Da ist kein König, der mit tausend Verheißungen lockt, oder mit finsterem Blicke droht, wohl aber verderblicher Ehrgeiz, dessen Stachel viel gefährlicher verwundet. Wahrhaftig, ein großer und gewaltiger Krieg, wenn wir nur klaren Blickes ihn schauen wollen!
Auch in unserer Zeit gibt es Kampfes- und Siegeskronen. St. Paulus sagt: „Im Übrigen ist mir hinterlegt die Krone der Gerechtigkeit, die mir der gerechte Richter geben wird, doch nicht mir allein, sondern Allen, die seine Ankunft lieben.“60
Verliert ein Vater seinen einzigen Sohn, den er sorgfältig mit Aufwendung vieler Geldmittel erzogen hat, der zu den schönsten Hoffnungen berechtigte und sein Erbe sein sollte, o dann möge er nicht jammern, sondern Gott danken und ihn preisen, der ihn an sich genommen, denn er soll wissen, daß er jetzt dem Abraham gleich geworden. Abraham hat seinen Sohn geopfert, weil Gott es so wollte; du hast nicht gemurrt, als der Herr deinen Sohn dir weg und zu sich genommen.
Oder du bist vielleicht in eine schwere Krankheit gefallen. Da kommen Viele, die dich drängen, du sollest das Übel vertreiben durch Zaubersprüche, durch Amulete u. dergl. Du aber erträgst um Gottes willen starkmüthig und unentwegten Sinnes die Leiden und bist entschlossen, eher alle Schmerzen zu erdulden, als dich zu bequemen, etwas Götzendienerisches zu thun; sei getrost, du bist ein Märtyrer! Wie so? Ich will es dir erklären: Der Märtyrer trägt die Qualen der Folter standhaft, weil er den Götzen nicht anbeten will. Du erträgst so geduldig die Schmerzen der Krankheit, daß du Nichts von Dem brauchst, was mit jenem (dem Götzen, dem Götzendienst) in Verbindung steht, Nichts thust, was er verordnet. Allein, sagst du, die Qualen des Märtyrers sind ärger. Richtig; aber die deinigen dauern um so länger, und so findet ein Ausgleich statt. Oft sind aber auch die Schmerzen des Kranken heftiger. Oder, sag an, wenn die Fieberhitze mit aller Gewalt dich durchglüht, und du trotz aller Qual und Pein das Anerbieten von linderndem Zauberspruche (ἐπῳδή; incantatio) zurückweisest, windest du damit nicht den Kranz des Martyriums um dein Haupt?
Ein Anderer verliert sein Geld. Man gibt ihm den Rath, die Wahrsager zu befragen. Er aber will aus Gottesfurcht das Geld lieber gar nicht mehr bekommen, als ein Gebot Gottes übertreten. Ein solcher hat in der That das gleiche Verdienst, wie Der, welcher sein Geld unter die Armen vertheilt hat. Jawohl, wenn du nach dem Verluste solcher Güter Gott Dank sagst und es vorziehst, sie lieber nicht mehr zu bekommen, als sie auf solchem Wege wieder zu erlangen, dann hast du Anspruch auf den gleichen Lohn, wie Derjenige, der seine Güter unter die Armen ausgetheilt hat. Denn dieser hat seine Güter aus Gottesfurcht unter die Armen vertheilt: du hast aus Gottesfurcht deine Güter, welche Diebe geraubt, nicht wieder bekommen wollen. Es steht überhaupt nur in unserer Gewalt und in sonst keines andern Menschen Macht, ob wir an unserer Seele Schaden leiden oder nicht. Laßt uns Dieß an einem Beispiele, etwa dem Diebstahl, betrachten. Der Dieb durchbricht die Mauer, steigt in das Zimmer, entwendet werthvolle Gegenstände von Gold und Edelsteinen, kurzum, er bemächtigt sich des gesammten Schatzes und entkommt unangefochten. Dieser Verlust schmerzt dich gar sehr und scheint ein Schaden zu sein, ist es aber in Wirklichkeit noch nicht: sondern es kommt jetzt auf dich an, ob es ein Schaden oder ein Gewinn wird.
10.
Wie soll das zugehen? Ich will es dir gleich erklären. Es kommt dabei auf die rechte Gesinnung an. Hast du diese, dann kann dir der Vorfall großen Gewinn bringen, hast du sie aber nicht, so erwächst dir daraus ein noch viel größerer Schaden, als der ist, den man dir zugefügt. Es geht dir dann, wie es Künstlern ergeht, die einen Stoff bearbeiten sollen. Der Verständige bearbeitet den Stoff in gehöriger Weise, der Unverständige richtet den Stoff zu Grunde und fügt sich dadurch Schaden zu. Aber wie soll ein solcher Vorfall gar noch Gewinn bringen? Jawohl, es ist Dieß der Fall, wenn du Gott Dank sagst, wenn du nicht jammerst und klagst, sondern mit Job ausrufst: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen. Nackt bin ich aus dem Mutterleibe gekommen, nackt werde ich auch wieder von dannen gehen.“ Mit welchem Rechte sagst du: „Der Herr hat es genommen,“ da ein Dieb das Gut geraubt? Wie kann man sich so ausdrücken? Gemach! mein Freund! Auch Job hat ja von den Gütern, die ihm der Teufel geraubt, gesagt: „Der Herr hat’s genommen.“ Wenn nun Job sich für berechtigt erachtete, sich so auszudrücken, warum solltest du nicht Dasselbe sagen können von Dingen, die dir ein Dieb geraubt? Wen bewunderst du mehr, einen Mann, der sein Vermögen unter die Armen vertheilt hat, oder den Job wegen seiner Worte? Ist Job, der Nichts gegeben hat, Denen nachzusetzen, die das Ihrige unter die Armen vertheilt haben? Du kannst mir nicht einwenden: Das kann mir nicht als Verdienst angerechnet werden. Es geschah gar nicht nach meinem Wunsche; der Dieb hat meine Habe ohne mein Wissen und Wollen fortgeschleppt. Was soll mir da für ein Lohn zu Theil werden? Auch dem Job hat der böse Feind seine Habe genommen, ohne daß jener es wußte und wollte. Wie hätte er es auch wissen und wollen sollen! Allein er hat doch den Kampf durchgefochten. Und so hast auch du es in deiner Gewalt, dasselbe Verdienst zu erwerben, wie wenn du freiwillig deine Habe geopfert hättest. Und in der That, Derjenige verdient sogar mehr Anerkennung, welcher bei erlittenem unfreiwilligen Verluste Gott Dank sagt, als wer freiwillige Opfer an Geld und Gut bringt. Denn Letzterer wird belohnt durch das Lob von Seiten der Menschen und durch sein Gewissen und die Hoffnung auf Vergeltung; er entäußerte sich seiner Güter, nachdem er sich an die Entbehrung derselben bereits gewöhnt hatte; der Andere aber wurde seiner Habe beraubt, als sein Herz noch an derselben hing. Nein, mit Wissen und Willen seine Güter freiwillig hergeben und gegen seinen Willen derselben beraubt werden, das ist gar nicht ein und dasselbe. Denkst und sprichst du nun aber so, wie Job, dann wirst du reiche Vergeltung empfangen, reichere noch als jener. Job hat nur zweifache erhalten, dir aber hat Gott hundertfache verheißen. Aus Gottesfurcht stößest du keine Lästerungen aus; du weisest die Hilfe der Zauberer zurück, du dankest Gott für Leiden und Widerwärtigkeiten: wisse, daß du Denen gleichstehst, die ihr Herz nicht an irdisch Gut gehängt; denn würde dein Herz am Irdischen hängen, nimmer hättest du also zu handeln vermocht. Sich lange Zeit schon mit dem Gedanken an den Verlust irdischer Güter vertraut gemacht haben und plötzlichen Verlust mit Ergebung ertragen, ist durchaus nicht dasselbe. Das ist die Art und Weise, wie du den erlittenen Schaden zum Gewinne umgestalten kannst, und wenn du es so machst, dann gereichen dir die (durch den Dieb) bereiteten Nachstellungen des Teufels keineswegs zum Schaden, sondern vielmehr zum Nutzen.
VI. Wie entsteht aber durch den Verlust zeitlicher Güter) auch Schaden? Das ist dann der Fall, wenn die Seele Schaden leidet. Der Dieb hat dich geschädigt an deinem Eigenthum: welchen vernünftigen Grund hast du, dich wegen der gleichen Ursache selbst auch noch an der Seele zu schädigen? Warum sollst du dir im Unmuth über den durch Andere erlittenen Schaden auch noch freiwillig selber Nachtheil zufügen? Der Dieb hat dich in Armuth gestürzt, du aber willst dir schaden in Bezug auf viel wichtigere Dinge? Der Dieb hat dich um irdische Güter gebracht, die früher oder später einmal, auch gegen deinen Wunsch und Willen, von dir weichen werden, und du wolltest dich darob der himmlischen Schätze berauben? Der Teufel hat dich betrübt durch den Raub deiner Güter: betrübe du ihn, dadurch, daß du Gott dafür dankest! Mache ihm keine Freude! Das würdest du aber thun, wofern du dich an Zauberer wendest. Dankst du aber Gott, so bereitest du dem bösen Feinde argen Verdruß.