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Sie kommen“, raunte er ihr zu.

      Und dann trugen die Gangster Brad Rafferty aus dem Lagerhaus ...

      6

      Als Roberto Tardelli im Hafengebiet eintraf, war die Polizei bereits da, und Froschmänner tauchten im Hafenbecken nach der Leiche. Roberto stieg von seiner Kawasaki. Er, der Hafenarbeiter, hatte sich dieses heiße Eisen zugelegt, und alle seine neuen Kollegen wussten, dass dieser Maschine seine ganze Liebe galt.

      Er bockte die Maschine auf und nahm den Sturzhelm vom Kopf. Nachdem er das riesige Ding an die Maschine gehängt hatte, setzte er seine Wollmütze auf und begab sich mit natürlichem Interesse zu den Einsatzfahrzeugen der Polizei.

      Zahlreiche Schaulustige - fast durchwegs Hafenarbeiter - hatten sich eingefunden. Eine spürbare Spannung lastete über der Szene. Roberto erreichte die Menschengruppe.

      Er entdeckte Joe Atkins. Seit Tagen arbeitete er mit ihm zusammen. Sie hatten sich angefreundet. Atkins trug eine schwarz glänzende Lederweste und verwaschene Jeans.

      Roberto Tardelli legte ihm die Hand auf die Schulter. Der muskulöse Hafenarbeiter wandte sich um. „Ah, Roberto.“

      „Was wird hier gesucht?“

      „Die Bullen erhielten einen anonymen Anruf. Im Lagerhaus soll ein Mann gekillt worden sein. Die Leiche haben die drei Gangster dann im Wasser versenkt.“

      Roberto nickte. Einer der Froschmänner tauchte auf und gab mit Handzeichen zu verstehen, dass sie den Toten gefunden hatten. Er ging gleich wieder nach unten, und wenig später wurde die Leiche an Land gebracht. Ein schweres Eisenstück baumelte an seinen Beinen.

      Die Leute drängten näher heran. Die Cops hatten Mühe, sie zurückzuhalten.

      „Kennst du den Toten?“, fragte Roberto.

      „Ich glaube ja“, antwortete Joe Atkins.

      „Wer ist es?“

      „Brad Rafferty. Ein unsauberer Typ. Schacherte mit allem und jedem. Was nicht niet- und nagelfest war, hat er geklaut. Ich glaube, sein Name hat auf Brian Cusacks Lohnliste gestanden.“

      „Was hat er für Cusack getan?“, erkundigte sich Roberto.

      Atkins zuckte mit den Schultern.

      „Ich nehme an, er hat für ihn gestohlen. Wahrscheinlich hat er für ihn auch die Ohren offengehalten, um zu erfahren, wo sich etwas Lohnendes unter den Nagel reißen ließ. Solche Leute hat Cusack viele in diesem Hafen.“

      „Wer mag Rafferty umgebracht haben?“

      Wieder zuckte Atkins mit den Schultern.

      „Das wird wohl nie rauskommen. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass dieser Mann in Cusacks Auftrag ermordet wurde.“

      „Und aus welchem Grund?“

      „Vielleicht hat Rafferty den König von Brooklyn angeschmiert. Das wäre ihm zuzutrauen gewesen.“

      Ein Leichenwagen traf ein. Brad Rafferty wurde in einen Zinksarg gelegt. Als man den Deckel auf die Metallwanne schraubte, entdeckte Roberto Tardelli unter den Neugierigen Keith Powers, den alten Penner, der mit Vorliebe seine Nächte in dieser Gegend verbrachte.

      Vor vier Tagen - Roberto war zu früh dran gewesen - hatte er den Penner verschlafen aus dem Wrack eines Rettungsbootes klettern sehen. Sie hatten sich eine Weile über die Nichtswürdigkeit des Lebens unterhalten, und als Robertos Kollegen eingetrudelt waren, hatte sich Keith Powers aus dem Staub gemacht, denn er verabscheute die Arbeit und vielleicht auch jene, die sie verrichteten.

      Roberto drängelte sich zu ihm vor.

      „Na, Keith. Wie war die Nacht?“

      „Kalt“, sagte der Penner. Er war nicht so dick, wie er aussah. Sein Leibesumfang sah deshalb so aufgebläht aus, weil er sämtliche Kleidungsstücke, die er besaß, anhatte. Sein Haar war grau, und graue Bartstoppeln bedeckten seine Wangen. „Haben Sie eine Zigarette für mich?“

      „Leider nein.“

      „Ach ja, ich vergaß, dass Sie Nichtraucher sind, Chef. Mann, wovon wollen Sie denn mal kaputt werden?“

      „Jemand hat die Polizei anonym verständigt. Warst du das?“, fragte Roberto Tardelli.

      „Ich doch nicht. Warum sollte ich so etwas tun?“

      „Nun, vielleicht hat sich ausnahmsweise mal dein Gewissen geregt.“

      „Bei mir regt sich schon lange nichts mehr, Chef. Die Zeiten sind vorbei. Heute will ich nur noch meine Ruhe haben.“

      „Danach strebt jeder.“

      „Aber die wenigsten erreichend.“ Roberto wies auf den Zinksarg, der soeben in den Leichenwagen gehoben wurde. „Hast du den Toten gekannt?“

      „Nur vom Sehen. Mann, fangen Sie jetzt bloß nicht an, mich wie’n Bulle auszuquetschen, Chef. Das kann ich nämlich nicht vertragen. Ich bin allergisch gegen Bullen.“

      „Dann solltest du dich desensibilisieren lassen.“

      „Quatsch! Ich gehe ihnen einfach aus dem Weg, das reicht auch.“

      „Wo hast du die heutige Nacht verbracht?“, erkundigte sich Roberto Tardelli.

      „Dort drüben auf dem Kahn.“

      „Dann müsstest du den Mord eigentlich mitgekriegt haben.“

      „Hab' ich aber nicht.“

      Roberto hatte den Eindruck, dass ihm der Penner irgendetwas verschwieg. Er holte eine Banknote aus der Tasche. „Bist du an zehn Dollar interessiert?“

      Keith Powers leckte sich gierig die Lippen und seine Augen glänzten.

      „Meine Güte, wieso sind Sie denn so scharf auf 'ne Information, Chef?“

      „Die Sache interessiert mich.“

      Der Penner zog Roberto beiseite. Er griff nach dem Geldschein, doch Roberto zog ihn schnell zurück.

      „Nicht so hastig“, sagte er. „Erst möchte ich hören, was du gesehen hast.“

      „Ich bin auf keinen Ärger erpicht, Chef.“

      „Du wirst keinen kriegen.“

      „Man lebt in dieser Gegend gefährlich, wenn man zu viel hört und sieht, deshalb halte ich lieber die Schnauze.“ Der Penner lächelte nervös. „Aber in Ihrem Fall will ich eine Ausnahme machen, Chef. Weil Sie mir so sympathisch sind, weil Sie in mir keinen Abfall der menschlichen Gesellschaft sehen und weil ich weiß, dass Sie den Mund halten können.“

      „Das kann ich.“

      „Also gesehen habe ich nicht, wie man den Mann gekillt hat. Ich war in der vergangenen Nacht ziemlich besoffen“, erzählte Keith Powers. „Ein alter Kumpel, der über Nacht zu Geld gekommen ist, - fragen Sie mich nicht wie, ich habe ihn auch nicht danach gefragt -, hat mit mir zusammen eine schöne Pulle geleert. Auf so viel Schnaps schlafe ich dann immer wie ein Toter. Deshalb habe ich niemand kommen und niemand gehen gehört.“

      Roberto schmunzelte.

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