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ja nichts.

      Nee, nur das nicht. Ewig warten und hinter dem Ladentisch stehen. Und die andern tanzen und fahren dicke im Auto? Das habe ich nicht nötig. Na, wir werden ja sehen.

      Also schön, Fräulein, wir machen jetzt Schluss.

      Und sieh dir das Crêpesatinkleid an. Goldig, sage ich dir. Diese Woche kriege ich’s noch, wetten? Trudel! Trudel!!

      Schon weg. Na, denn nicht. Verkaufen wir also wieder Trikotagen. –

      [65]Rache einer Hamburgerin

      Ich habe Tredup, Wilhelm Tredup, seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Gestern traf ich ihn wieder, im D-Zug Travemünde – Hamburg. Ich hätte ihn nie erkannt, er aber rief mich sofort beim Namen, half meinem schlechten Gedächtnis nach und ein paar Minuten später schwelgten wir schon in den schönsten Jugenderinnerungen.

      Was hat sich in den letzten zwanzig Jahren nicht alles ereignet – heimlich mustere ich Tredup von der Seite: Was wohl aus ihm geworden ist, was er wohl heute ist? Eigentlich sieht er ein bisschen bequem geworden, salopp aus – und er war doch der Geck des Christianeums. Und sein Braun macht einen so bauerhaften Eindruck, das ist sicher nicht das Braun von vier Wochen Travemünde oder Niendorf.

      In einer gedankentiefen Pause – wir haben gerade den griechischen Pauker durch – frage ich beiläufig: »Sag einmal, bist du nun wirklich Exportkaufmann geworden, wie du wolltest?«

      Er ist sichtlich gekränkt: »Exportkaufmann? Hab ich nie gewollt! Offizier wollte ich doch werden!«

      »Und du bist Offizier geworden?«, frage ich weiter.

      »Ja – nein – es ging schief …«

      Er versinkt in Erinnerungen. Ich habe auf einen kranken Nerv getippt und lenke ab: »Übrigens, siehst du brillant aus. Warst du in Niendorf?«

      »Ich kann dir die Geschichte erzählen. Sie ist –«, er lächelte mühsam, »– ganz nett. Ich wollte Offizier werden und ich wurde es, so sehr der alte Herr vom Burstah schimpfte. Ich war bei den Wandsbeker Husaren und [66]bekannt im ganzen Nest. Auch bei den Mädchen, gerade bei den Mädchen. Nun war da eine angehende Lehrerin, Hamburgerin … Die Hamburgerinnen, sage ich dir, wir erzählen immer von Sizilien und den Spanierinnen, von der Rachsucht der Weiber dort, nun, meine Mieke, ich sage dir, die hat mich ruiniert …«

      Er sah nicht sehr ruiniert aus. Ich sagte es ihm.

      »Doch! Doch! Ich werde es dir erzählen. Also es kam, wie es kommen musste … Heiße Liebe, ich weiß wirklich nicht mehr, was ich ihr alles erzählt habe. Kurz und gut, eines Tages habe ich die Sache über, schreibe ihr das Übliche von den Leuten, die schon reden, von ihrem guten Ruf, es müsste aus sein.«

      »Und sie?«

      »Ja, siehst du, sie. Ich habe mancherlei Mädel erlebt, die einen toben, die andern schweigen, die dritten betteln. Sie schrieb mir kühl und ruhig, wenn es aus sein sollte, müsste es ganz aus sein. Donnerstag, Nachmittag 4 Uhr, würde sie bei mir in der Lindenstraße sein und mich erschießen. Ich überlege mir die Sache hin und her. Der Kampf mit einem aufgeregten Frauenzimmer um einen geladenen entsicherten Revolver ist eine heikle Sache. Der Schuss kann losgehen. Sie vielleicht verletzt, Skandal, Gerichtsverfahren. – Endlich gebe ich der Polizei einen Wink.«

      »Das Klügste, was du tun konntest.«

      »Du bist genauso ein Idiot wie ich! (Er war schon wieder im Ton der Penne.) Das Dümmste. – Donnerstagnachmittag 4 Uhr kommt sie die Treppe herauf, bleich, entschlossen. Ich machte ihr auf. Gleich im Vorplatz fassen sie zwei Schutzleute, sie wehrt sich wild, wird untersucht. Sie hat überhaupt keinen Revolver. Hat mich geblufft. – Ich war [67]blamiert. Die Geschichte, gerade gegenüber der Kaserne passiert, spricht sich rum, ich bekomme einen Wink von oben, Feigheit und so, du verstehst schon. Das Ergebnis: schlichter Abschied.«

      Er sah trübe vor sich hin. »Traurig«, bemerke ich höflich. »Aber dass gerade die Rachsucht der Hamburgerin schuld sein soll …«

      »Höre weiter«, sagte er, »meine Geschichte ist noch nicht zu Ende. In Deutschland war ich natürlich unmöglich, mein Alter verfrachtet mich nach Südwest auf Export. Ich bin da ein Jahr, ungestört, fange wieder an, aufzuleben, da läuft mir in Swakopmund eine Schwester über den Weg: Mieke. Der Blick, der mich von der Seite traf – ich wusste Bescheid. Und richtig, eine Woche später, nach dem Frühstück, bekomme ich Erbrechen, bin sterbenskrank. Der Arzt wird geholt: Vergiftung. Täter unbekannt. Ich erhole mich wieder. Da erfahre ich, dass Mieke in einer Farm, zehn Minuten ab, Wochenpflege verrichtet. Der Zusammenhang war klar.«

      »Na, erlaube mal«, bemerke ich.

      »Höre weiter. Seitdem ging alles schief. Ich konnte nicht mehr schlafen gehen, ohne mein ganzes Zimmer umgedreht zu haben, ewig waren da Schlangen, Skorpione … mit der ganzen schwarzen, braunen und gelben Bande steckte sie unter einer Decke. Keine Stunde war ich meines Lebens sicher. – Dann kam der Krieg. Ich ging auf Patrouille gegen die Engländer. Wollte aus der Nähe dieses Weibes. Wir werden entdeckt, verfolgt, zerstreuen uns, fliehend, im Dornbusch. Eine ganze Horde Hereros ist auf meiner Spur. Ich fliehe in ein alleinstehendes Farmhaus, wo ich auf Hilfe hoffte. Alles leer und verlassen. Die Hereros auf [68]meiner Ferse. Ich verstecke mich hinter einer Schranktür. Die Hereros brechen ins Zimmer, suchen nach mir. Ich halte den Atem an. Plötzlich berührt etwas Kaltes meine Stirn. Ich erschauere, drehe mich zur Seite. Im Halbdämmern sehe ich neben mir Mieke, sie hat einen Revolver auf meine Schläfe gesetzt. Vor mir die tobenden Hereros, Miekes Revolver auf der Stirn: mir schwindelt, meine Sinne schwinden …«

      »Und –? Und –?«, dränge ich.

      »Wir haben jetzt ein gutgehendes Geschäft«, sagte er trocken. »Ich habe sie natürlich geheiratet

      [69]Eine vom Mädchenklub

      Änne Eich, 28 Jahre alt, in der »Statistik« bei Katz und Kitz, gehört dem Mädchenklub »Stern ohne Herrn« an. Jeden Mittwochabend tagt der Klub dieser Sitzengebliebenen, und jede Mittwochnacht macht Änne von Barmbeck nach Horn den Heimweg.

      Alleingehende Mädchen der Großstadt sind es gewohnt, von alleingehenden Herren angesprochen zu werden, sie nehmen das nicht tragisch. Die Arten zu reagieren sind verschieden, Änne reagiert überhaupt nicht, sieht nicht, hört nicht, geht im gleichen Schritt weiter.

      In der Ritterstraße um 1 Uhr erreicht sie diesmal ihr Schicksal: Ein Schlapphut quasselt sie an mit dem üblichen: »Na, so allein unterwegs? Fürchten Sie sich denn gar nicht? Begleitung gefällig?«

      Aenne reagiert nicht.

      Der Schlapphut ist hartnäckig, er bleibt neben ihr, redet ununterbrochen weiter, Änne reagiert nicht. Von der Marienthaler- bis zur Mittelstraße ist er schon neben ihr, macht liebenswürdige Konversation und bleibt Luft.

      Plötzlich bricht er in den wütenden Aufschrei aus: »Oh, du verfluchte Gans, kannst du denn gar nicht hören!?«, macht kehrt und stürmt den Weg, den er gekommen, zurück.

      Änne ist so verblüfft, dass sie ihre Taktik vergisst, stehen bleibt und ihm sprachlos nachstarrt.

      Eine Woche später ist das Renkontre längst vergessen und Änne wieder auf dem Heimweg. In der Ritterstraße spricht sie ein Schlapphut an, mit denselben Worten, mit derselben Hartnäckigkeit, derselben liebenswürdigen Konversation.

      [70]Änne bleibt ihrer Taktik getreu, amüsiert sich aber königlich, dass er sie nicht wiedererkennt. Wieder an der Mittelstraße derselbe Ausbruch mit der Variation: »Oh, du verdammtes Kamel, kannst du denn gar nicht Piep sagen?«

      Er stürmt zu rasch davon, sonst hätte sie diesmal Piep gesagt.

      Seitdem ist es um Änne Eich geschehen; zu jeder Nachtstunde irrt sie durch die Ritterstraße, ihn wiederzusehen. Sie sehnt sich danach – ihm ihre Meinung zu sagen.

      Sie hat ihn nie wiedergesehen. Und ist redlich unglücklich.

      [71]Wer kann da Richter

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