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sich und ist streng gegen ein Alkoholverbot als gegen einen Eingriff in die persönliche Freiheit jedes Einzelnen.

      Nun weist Professor Delbrück mit Recht auf eine Tatsache hin, die manchem von uns entgangen ist, dass wir nämlich in Deutschland schon eigene Erfahrungen mit dem Alkoholverbot gemacht haben, dass es hier schon Stätten gibt, in denen das Verbot seit einer Reihe von Jahren strikte durchgeführt ist, das sind die deutschen Irrenanstalten.

      Und Delbrück meint, dass wir aus nichts besser als aus diesen Versuchen lernen können. Ich habe Ihnen vorhin von dem Fragebogen gesprochen, den er an die einzelnen deutschen Irrenanstalten betr. Abstinenz versandt hat. Sie sahen schon aus den Hauptfragen betr. Alkoholabgabe an Ärzte und Pflegepersonal, wie außerordentlich schwierig dieses ganze Problem ist. Sicher ist es für den Leiter einer solchen Anstalt leicht, mit einem Federstrich dem gesamten Personal, wie selbstverständlich auch den Kranken, den Alkoholgenuss zu verbieten. Aber Verbote werden übertreten und die wachsamste Kontrolle kann nicht davor schützen, dass Alkohol eingeschleppt wird.

      Professor Delbrück ist aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen zu der Ansicht gelangt, dass man von Verboten nichts zu erwarten hat, was allein helfen kann, ist Belehrung und freiwilliger Verzicht. Von ihnen erwartet er sich alles. Er hat grade auch bei dem Pflegepersonal mit dem freiwilligen Verzicht die besten Erfahrungen gemacht.

      Freiwilliger Verzicht – das ist stets auch unsre stärkste [59]Guttemplerwaffe gewesen. Im Kampf, den das Alkoholkapital um die Prohibition aus verlogenen, eigensüchtigen Motiven entfesselt hat, ist unsre Gegenwaffe die Belehrung. Und da uns, von ganz wenigen, nicht ins Gewicht fallenden Ausnahmen abgesehen, die Tagespresse verschlossen ist, so bleibt für uns als stärkstes Kampfmittel ein aufrechtes Beispiel und Aufklärung im eigenen Kreise. Nichts wirkt stärker. Gezwungen Abstinente, Abstinente aus einem Verbot heraus, sind wertlos, sie werden jede Gelegenheit, in den Sumpf zurückzukehren, eifrig nutzen. Aber jeder, der freiwillig verzichtet, dem es ernst um unsere Sache ist, wird ein Glied in unserer Reihe, die endlich über die vergifteten Waffen unsers Feindes triumphieren wird.

      Professor Delbrück sagte sehr richtig zum Schlusse seiner Ausführungen, dass, je größer die Schwierigkeiten des einzelnen bei der Durchführung seiner Abstinenz sind, um so größer aber auch die Wirkungen dieser Abstinenz werden.

      Wenn ich das bisher Berichtete in wenigen Worten zusammenfassen darf, so stellt sich die augenblickliche Situation so dar: Ein ständig steigender Alkoholverbrauch findet infolge der rührigen Propaganda des Braukapitals keinerlei Bedenken im Deutschen Volke. Der Guttemplerorden ist von der Öffentlichkeit auf ein Teilgebiet seiner Bestrebungen, die Trinkerrettung, zurückgedrängt, seine Kampfkraft und seine Werbefähigkeit ist gesunken.

      Es ist notwendig, dass er in Zukunft in erster Linie der Verhütung von Alkoholschäden seine ernste Aufmerksamkeit schenken muss, damit vor allem auch der Jugendbewegung. Er darf aber keinesfalls den ihm vom Alkoholkapital [60]angebotenen verlogenen Kampf um die Prohibition annehmen, denn für dieses Verbot ist das deutsche Volk noch nicht reif.

      Seine Waffen müssen Belehrung und freiwilliger Verzicht sein. Den Weg, den diese Sätze dem Orden weisen, kann und muss jedes Ordensmitglied gehen, es begnüge sich in Zukunft nicht damit, Trinker und Gefährdete dem Orden zur Rettung zuzuführen, sondern jeder wirke im eigenen Kreise, dass alle Lauen und Gleichgiltigen davon überzeugt werden, dass die Abstinenz nicht ein Steckenpferd von ein paar Eigenbrödlern ist, sondern eine, nein, die Lebensfrage des deutschen Volkes.

      [61]Die Verkäuferin auf der Kippe

      Fräulein! Ja, Fräulein! Hansa 8576 bitte. 8576, ja doch! Könnte ich wohl Frau Eschwege sprechen? Selbst? Tag, Trudel. Bist du allein? Dein Chef ist zum Mittag –? Na also!

      Nein, ich rufe vom Automaten. Ich musste dich durchaus gleich sprechen. Also, Trudel, vor allen Dingen, wenn der Hans heute zu euch kommt, erzähl ihm, ich war gestern Abend bei euch. Sag’s auch deinem Mann, dass er sich nicht verquatscht.

      Was? War schon da? Gestern Abend? Und du konntest gar nicht schwindeln? Ach, Trudel, Trudel, wie ich das finde! Ich zittere am ganzen Leibe. Erzähle doch bloß. Jedes Wort muss man dir …

      Blass ist er gewesen? Aufgeregt? Kunststück! Ich bin auch aufgeregt. Ob er Verdacht hat? Dir hat er kein Wort gesagt?

      Natürlich hat er Verdacht. Er hat mich doch neulich mit Max aus dem Café kommen sehen. Ich hab’ ihm vorgeschwindelt, es wär’ ein Vetter auf der Durchreise gewesen. Aber geglaubt hat er’s nicht, ich hab’s ihm gleich angemerkt. Wenn ein Mann schon rücksichtsvoll wird und beim Sprechen ’nen Rührungskloß in der Kehle hat, steht’s allemal flau.

      Gott, Trudel, ich hab’ auch immer Pech. Du kannst sicher sein, die Verlobung mit Hans fliegt auch wieder auf. Die Eltern …

      Ich soll solide sein? Du hast gut reden. Du hast deinen Oskar und ’nen Trauschein. Wenn du mal einen Seitensprung machst … Ich – für uns Mädel sorgt keiner. Was mache ich denn mit den 90 Mark, die Bremer im Monat [62]gibt? 45 Mark kriegt Mutter und die Abzüge für Krankenkasse un so, es bleiben keine 20 Mark für Kleidung und Schuhe und Ausgehen. Und das ewige Haarschneiden und Nackenrasieren und Ondulieren. Ja, man will sich doch auch nicht ausstechen lassen!

      Bei Karstadt ist ein fabelhaftes Crêpesatinkleid, gar nicht teuer, 59 Mark, aber wie soll unsereins dazu kommen? Es ist ein Jammer. Und so gerne ich den Max habe, auf die Dauer wird’s ja mit dem Jungen auch nichts, wenn er mal in der Bar 10 Mark ausgegeben hat, ich bin sicher, er schiebt die ganze Woche Kohldampf.

      Ich soll mich mit Hans aussöhnen? Ach was, daraus wird nichts. Der mit seinem ewigen Misstrauen! Eigentlich bin ich ganz froh, dass es so gekommen ist. Noch vier, fünf Jahre verlobt sein und dann Kammer und Küche oder bei den Schwiegereltern wohnen, man kommt nicht raus aus der Vormundschaft.

      Neulich habe ich die Minna Lenz getroffen. Du weißt doch! Wir nannten sie auf der Schule immer den Ölgötzen, weil sie so doof war. Jetzt heißt sie Mia! Und einen Blaufuchs trägt das Geschöpf, ich bin fast geplatzt vor Neid. Die hat’s raus. 90 Mark im Monat, ich hab’ es ihr gar nicht sagen mögen, ich hab’ mich so geschämt vor ihr in meinem Konfektionsfähnchen. Die verdient manchmal an einem Abend mehr.

      Ich soll mich was schämen? Schmutzgeld? Dass ich nicht lache! Wenn Mia nachher Auto fährt, riecht keiner, woher das Geld stammt. Und einen Mann kriegt sie auch noch, wenn sie zur rechten Zeit aufpasst. Es gibt immer welche, die grade auf so eine fliegen, und es braucht gar nicht immer ein alter Daddi zu sein.

      [63]Was du redest! Sie geht gar nicht auf die Straße. Sie ist Tanzdame auf der Freiheit. Erstklassiges Lokal. Ich hab’ neulich mit dem Max davor gestanden, aber wir konnten’s uns nicht leisten. Sie hat nur mit den Herren zu tanzen und an ihrem Tisch mitzutrinken. Davon hat sie keine 90 Mark am Abend? Sie kriegt doch Prozente vom Wein!

      Und wenn schon! Sie kann sich doch aussuchen! Die geht lange nicht mit jedem. Sie hat mir gesagt, ich soll mal hinkommen und es mir ansehen. Ich weiß noch nicht, aber vielleicht gehe ich mal hin. Ihr Chef stellt mich jeden Tag ein, sagt sie.

      Gott, Fräulein, unterbrechen Sie doch nicht immer! Nein, wir sind noch nicht fertig. Der wird auch warten können mit seinen Trikotagen.

      Bist du noch da, Trudel? Ein Kunde wollte euch. Na, der kommt auch noch früh genug zu seinen Netzhemden!

      Sag mir nur, was mache ich heut Abend bloß mit dem Hans? Das gibt eine schreckliche Szene. Und ich hasse Szenen. Gewalttätig? Das wollte ich ihm nicht raten! Nee, Hans ist schlapp. Der heult höchstens. Natürlich tut er mir leid, aber was soll ich dabei machen?

      Wenn er zu Vater läuft, der ist imstande und verhaut mich. Vater hat keine Ahnung von uns Mädels heute, das muss doch alles so sein wie auf seiner Landstelle in Mecklenburg. Hätt’ er doch besser aufgepasst in der Inflation, dann müsste ich heute nicht für 90 Mark …

      Mutter hilft mir ja, aber wenn Vater mich schlägt, lauf ich fort. Ich darf doch zu dir kommen? Auf der Chaiselounge. Warum soll ich mich schämen? Dein Mann? Ach, dein Mann hat nichts zu melden, den kriegen wir schon rum.

      [64]Was ich nun eigentlich will? Max? Hans? Oder

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