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er, dass der Herrscher und seine Minister die Stärke des Feindes sorgfältig beobachten und beurteilen sollen, ehe sie sich für eine Strategie entscheiden: Versöhnung herbeiführen, Unfrieden stiften, vorteilhafte Allianzen mit anderen Herrschern eingehen oder schlicht militärische Macht einsetzen. Bei der Anwendung der jeweiligen Taktik sollen die Herrscher rücksichtslos vorgehen, sämtliche Tricks und Schliche, Bestechung oder andere Anreize sind erlaubt. Nach dem Sieg, so Chanakya, solle der Herrscher »die Laster des Feindes durch seine Tugenden ersetzen und dort doppelt so gut sein, wo der Feind gut war.«

       Informationsbeschaffung und Spionage

      Das Arthashastra erinnert die Herrscher daran, dass sie Militärberater brauchen – und zudem Informationen sammeln müssen. Ein Spionagenetzwerk ist unabdingbar, um beurteilen zu können, welche Bedrohungen von den Nachbarn ausgehen. Chanakya ging jedoch noch weiter: Er meinte, dass das Ausspionieren der Bürger innerhalb des Staates ein notwendiges Übel sei, um soziale Stabilität zu erreichen. In der Innen- wie der Außenpolitik ist die Moral dem Schutz des Staates untergeordnet. Das Wohlergehen des Staates rechtfertigt heimliche Operationen, darunter Morde aus politischen Motiven, um die Gefahr, die von der Opposition ausgeht, zu verringern.

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      Chanakya benutzte das Bild eines Wagens für den Staat: Der Herrscher ist das eine Rad und seine Minister sind das andere. Um in die richtige Richtung fahren zu können, braucht der Wagen beide Räder.

      »Durch die Augen der Minister werden die Schwächen anderer sichtbar.«

       Chanakya

      Mit seinen Ratschlägen setzte sich Chanakya über die Moral hinweg, wenn es darum ging, Macht zu gewinnen und zu erhalten. Gleichzeitig plädierte er für eine strenge Durchsetzung von Recht und Ordnung. Das lässt sich entweder als kluge Politik oder als nackte Rücksichtslosigkeit auslegen. Deswegen ist das Arthashastra mit Machiavellis Il Principe verglichen worden. Die zentrale Lehre des Buches aber, nämlich dass die Herrschaft von einem Staatsführer und seinen Ministern ausgehen sollte, hat mehr mit Konfuzius und Mozi oder Platon und Aristoteles gemein, deren Ideen Chanakya möglicherweise als Student in Takshashila kennengelernt hat.

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      Elefanten übernahmen bei der indischen Kriegsführung eine wichtige Rolle. Oft erschreckten sie den Gegner so sehr, dass er sich zurückzog. Chanakya entwickelte neue Strategien der Kriegsführung mit diesen Tieren.

       Eine bewährte Philosophie

      Die Inhalte des Arthashastra erwiesen sich bald als nützlich. Sie wurden von Chanakyas Schützling Chandragupta Maurya übernommen und der schlug König Nanda erfolgreich. Dies führte um 321 v. Chr. zur Errichtung des Maurya-Reiches, das den Großteil des indischen Subkontinents einnahm. Chanakyas Ideen beeinflussten Regierung und Politik mehrere Jahrhunderte lang, bis Indien im Mittelalter unter die islamische Mogulherrschaft fiel.

      Der Text des Arthashastra wurde im frühen 20. Jahrhundert wiederentdeckt. Mit der Unabhängigkeit Indiens 1948 wurde er zum Symbol. Trotz seiner zentralen Rolle in der politischen Geschichte Indiens war Chanakya im Westen wenig bekannt. Erst in jüngerer Zeit wird er außerhalb Indiens als bedeutender politischer Denker anerkannt. image

       Chanakya

      Wo der indische Gelehrte Chanakya genau geboren wurde, ist nicht bekannt. Man weiß, dass er in Takshashila (Taxila im modernen Pakistan) studierte und lehrte. Später ging er nach Pataliputra und wurde Berater von König Dhana Nanda. Die verschiedenen Berichte sind sich darin einig, dass er den Hof von Nanda nach einem Streit verließ und aus Rache den jungen Chandragupta Maurya als Nandas Rivalen aufbaute. Chandragupta stürzte Dhana Nanda und begründete das Maurya-Reich, das über das gesamte Indien, wie wir es heute kennen, herrschte – bis auf den äußersten Süden. Chanakya war Chandraguptas wichtigster Berater. Er soll sich zu Tode gehungert haben, weil er von Chandraguptas Sohn fälschlich beschuldigt wurde, seine Mutter vergiftet zu haben.

       Hauptwerke

       4. Jh. v. Chr.

       Arthashastra Nitishastra

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      WENN SCHLECHTE MINISTER SICHER UND PROFITABEL LEBEN, IST DAS DER ANFANG VOM ENDE

      HAN FEIZI (280–233 V. CHR.)

       IM KONTEXT

      IDEENLEHRE

       Legalismus

      SCHWERPUNKT

       Staatsgesetze

      FRÜHER

      5. Jh. v. Chr. Konfuzius spricht sich für eine Hierarchie nach dem Muster traditioneller Familienbeziehungen aus. Der Herrscher und seine Minister regieren durch ihr Vorbild.

      4. Jh. v. Chr. Mozi votiert für eine rein meritokratische Klasse von Ministern und Beratern, die nach Tugendhaftigkeit und Fähigkeiten ausgewählt werden.

      SPÄTER

      2. Jh. v. Chr. Nach dem Ende der Zeit der »streitenden Reiche« verwirft die Han-Dynastie den Legalismus und übernimmt den Konfuzianismus.

      589–618 n. Chr. Unter der Sui-Dynastie lebt der Legalismus bei dem Versuch, China zu einen, wieder auf.

      In der Zeit der »streitenden Reiche« zwischen dem 5. und 3. Jahrhundert v. Chr. rangen verschiedene Herrscher um die Macht über ein vereintes China. Eine neue politische Philosophie entwickelte sich, die zu diesen turbulenten Zeiten passte. Denker wie Shang Yang (390–338 v. Chr.), Shen Dao (um 350–275 v. Chr.) und Shen Buhai (gest. 337 v. Chr.) beschäftigten sich mit einer autoritären Regierungsform, die als Legalismus bekannt wurde. Ihr Hauptvertreter war Han Feizi. Die Legalisten lehnen die konfuzianische Vorstellung ab, durch gutes Beispiel führen zu können. Sie glauben auch nicht, wie Mozi, an das Gute im Menschen. Stattdessen vertreten sie die zynische Ansicht, dass Menschen nach ihrem persönlichen Vorteil streben und dabei Strafe vermeiden wollen. Daher, so die Legalisten, sei ein System vonnöten, das das Wohlergehen des Staates über die Rechte des Einzelnen stellt und in dem unerwünschtes Verhalten streng bestraft wird.

      »Den Staat nach dem Gesetz zu regieren bedeutet, das Rechte zu loben und das Falsche zu verurteilen.«

       Han Feizi

      Die Anwendung der Gesetze oblag den Ministern des Herrschers, die ihrerseits dem Gesetz verpflichtet waren. Strafen und Belohnungen sprach der Herrscher selbst aus. Auf diese Weise wurde die Hierarchie mit dem Herrscher an der Spitze gestützt und die Intrigen innerhalb der Bürokratie hielten sich in Grenzen. In Zeiten des Krieges war es von entscheidender Bedeutung, dass der Herrscher sich voll und ganz auf seine Minister verlassen konnte: Sie durften auf gar keinen Fall zu ihrem persönlichen Vorteil handeln. image

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      UND DIE REGIERUNG WIRD ZUM SPIELBALL

      CICERO (106–43 V. CHR.)

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