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Band – Mike And The Thunderbirds – und deshalb besonders von den technischen Fähigkeiten fasziniert, die die Beatles bei ihren monatelangen Engagements in Deutschland erworben hatten. „Sie kasperten auf der Bühne immer noch herum, aber das musikalische Gerüst war unglaublich straff. Die Backing-Vocals waren perfekt. Und die Harmonien, kombiniert mit dem harten Rocksound … es war einfach großartig.“ Die Band hatte zudem eine Menge weiblicher Fans, und Paul wurde durch seine engelsgleichen Züge und seine fröhliche Art schnell zu einem ihrer Lieblinge. Egal, wo man ihm begegnete – ob in der Matthew Street mit dem Gitarrenkoffer unter dem Arm, in der Plattenabteilung bei NEMS oder am Hotdog-Stand hinten im Cavern –, Paul begrüßte seine Bewunderer mit einem Lächeln und einem lockeren Spruch, vor allem, wenn es sich dabei um Mädchen handelte. „Ich glaube, er hatte mehr Verehrerinnen als die anderen Beatles“, sagt Byrne. „Er sah gut aus und war richtig süß, und er liebte es, vor anderen Menschen aufzutreten. Außerdem war er von Anfang an stets sehr imagebewusst.“

      So sehr sogar, dass kaum jemand wusste, dass er schon seit zwei Jahren eine feste Freundin hatte. Sie hieß Dorothy Rhone und war eine junge Bankangestellte, die er während der Quarrymen-Auftritte im Casbah im Spätsommer 1959 kennengelernt hatte. Rhone, die allgemein Dot genannt wurde, war eine zierliche Blondine, die ähnlich wie Johns Freundin Cynthia Powell ein wenig wie Brigitte Bardot aussah, jene französische Schauspielerin, die in den erotischen Phantasien beider junger Musiker eine große Rolle spielte. Dot kam aus zerrütteten Familienverhältnissen – ihr Vater war Alkoholiker, die Mutter höchst gefühlskalt – und teilte daher das Gefühl des Verletztseins, das Paul seit dem Tod seiner Mutter in sich trug. Sie genoss zudem die Wärme und Stabilität, die sie in der Forthlin Road fand. Jim McCartney hieß sie im größeren Familienkreis willkommen, und sie verbrachte viele Abende im Wohnzimmer der McCartneys, wenn ihr Freund mit Bruder und Vater zusammensaß. „Sie sangen ‚Baby Face‘ und ‚Peg Of My Heart‘ und spielten Jazz im Dixieland-Stil“88, erinnert sie sich. Paul konnte zudem äußerst liebenswert und fürsorglich sein, vor allem, wenn Dot sich über ihre familiären Probleme aussprechen musste. Es dauerte einige Monate, bis sich zwischen den beiden eine Liebesbeziehung entwickelte, aber als sie einander so nahegekommen waren, begann Paul auch über den Tod seiner Mutter zu sprechen. Er berichtete ihr unter anderem, er sei damals von der Nachricht so schockiert gewesen, dass er unkontrolliert zu lachen begonnen habe. Dennoch war nicht zu übersehen, wie stark die Liebe zu seiner Mutter war. Dot erinnert sich, dass sie einmal gemeinsam ein Religionsbuch betrachteten. Paul sah sich lange ein Bild an und deutete schließlich auf ein Porträt von Jesus. „Er sagte, er sehe aus wie seine Mutter.“89

      Davon abgesehen war Paul allerdings auch sehr eigensinnig und hatte eine ganz klare Vorstellung davon, welche Kleidung seine Freundin tragen und wie sie sich frisieren und schminken sollte. Er wies Dot an, sich nicht mehr mit ihren Freundinnen zu treffen, und verbot ihr die Zigaretten, obwohl sie damals eine starke Raucherin war. Dot räumt heute ein, sie sei jung und unsicher genug gewesen, um sich solchen Direktiven zu fügen. Richtig durcheinander geriet sie schließlich, als sie nach zwei Jahren Beziehung eines Tages merkte, dass sie schwanger war. Sie sagte es Paul, der Rat bei seinem Vater suchte. Was sollte er tun? Für Jim war die Sache klar. Es kam nicht infrage, dass sein Enkel zur Adoption freigegeben würde. Im Gegenteil, Paul sollte sich seiner Verantwortung stellen, Dot heiraten und wie ein echter Mann für seine Familie sorgen. Paul stimmte zu, nahm Dot an die Hand und schlug ihr vor, dass sie beide ganz schlicht auf dem Liverpooler Standesamt die Ehe eingingen.

      Doch das Schicksal wollte es anders. Dot erlitt eine Fehlgeburt, und damit war das Thema Ehe schnell wieder vom Tisch. Während ihrer gemeinsamen Zeit, in der sie und Cynthia auch einmal nach Hamburg gereist waren, um ihre Freunde zu besuchen, hatte Paul keinerlei Verpflichtung gefühlt, ihr treu zu bleiben. Im Gegenteil, er lebte sich auf der Reeperbahn ganz und gar aus („Für uns war die Zeit in sexueller Hinsicht ein echtes Erwachen“, erklärte er seinem Freund und Biografen Barry Miles Anfang der Neunziger), und in Liverpool traf er sich immer mal wieder mit Iris Caldwell, der jüngeren Schwester von Rory Storm, die als professionelle Tänzerin arbeitete. Iris hatte jedoch für Pauls Kontrollbedürfnis kaum Verständnis. „Ich bin eher ein Freigeist“90, erklärt sie.

      Iris hatte Paul schon vor einigen Jahren kennengelernt, als Rory noch seine Partys im The Morgue veranstaltete, dem halblegalen Club, den er zu jener Zeit betrieb, als John endlich eingewilligt hatte, den noch so fürchterlich jungen George Harrison bei den Quarrymen mitspielen zu lassen. Iris und Paul waren zunächst nur Freunde, und als schließlich mehr daraus wurde, flößte sein Status als bekannter Musiker ihr deshalb keinerlei Ehrfurcht oder Scheu ein. Zwar war sie durchaus bereit, sich einigen Anweisungen ihres Freundes zu fügen („Als Frau meiner Generation zog man sich eben für denjenigen an, mit dem man ausging“91), aber Iris hielt selten still, wenn er ihr auf die Nerven ging. „Wir hatten ganz herrliche Auseinandersetzungen“, erinnert sie sich. Als sie eines Abends mit Freunden in einem Café saßen, regte sie sich so sehr über Pauls lautstarke Nachahmung von Quasimodo, dem „Glöckner von Notre-Dame“, auf (die sicher von Johns üblichen Witzen über Behinderte beeinflusst war), dass sie ihm ein ganzes Schälchen Zucker über den Kopf kippte. Um Pauls Zorn zu entgehen, flitzte sie sofort zur Tür hinaus, und als sie am nächsten Morgen aufwachte, war sie mehr oder weniger davon überzeugt, dass ihre Romanze damit ein plötzliches, aber denkwürdiges Ende gefunden hatte. Aber Paul erschien wie vereinbart zu ihrer nächsten Verabredung am Abend, was Iris so sehr überraschte, dass sie erst noch heimlich im Nebenzimmer telefonieren musste, um dem Jungen abzusagen, mit dem sie sich als Ersatz verabredet hatte – und bei dem es sich zufällig um einen anderen Beatle handelte, nämlich um George Harrison.

      Der rächte sich wenig später an seinem Bandkollegen bei einem der regelmäßigen Treffen Liverpooler Musiker, die bei den Caldwells zu Hause stattfanden. Jemand zog das spiritistische Ouija-Hexenbrett der Familie hervor, machte das Licht aus, und dann kamen alle zusammen, um zu sehen, ob man einen Geist aus dem Jenseits beschwören konnte. Als der Zeiger begann, eine Botschaft der verstorbenen Mary McCartney auszugeben, saß ihr Sohn kerzengerade aufgerichtet auf seinem Stuhl. Bis George plötzlich zu lachen anfing – er hatte den Zeiger heimlich mit den Fingern manipuliert. „Paul fiel richtig über ihn her“, sagt Iris. „Er fand das ganz und gar nicht witzig.“

      Iris hatte längst erkannt, welche Spuren Marys Tod bei Paul hinterlassen hatte. „Er war deswegen sehr verschlossen. Er sprach überhaupt nicht von ihr und hatte einen richtigen Schutzschild um sich errichtet.“92 Stattdessen, sagt sie, redete er am liebsten über Musik – über die Beatles, welche Ziele die Band hatte und was er tun wollte, um sie zu erreichen. „Er suchte stets nach der nächsten Gelegenheit, der nächsten großen Chance, und achtete aufmerksam auf jede Möglichkeit, die sich ihm bot. Für meinen Bruder war es nur ein Spiel, aber für die Beatles war es etwas anderes.“

      Es war, wie sich herausstellte, Pauls ganzer Lebensinhalt. Er beendete die Beziehung mit Dot bald nach ihrer Fehlgeburt. Die Freundschaft mit Iris hielt ein wenig länger, schlief aber auch irgendwann ein. Sie hatte es bereits kommen sehen. „Er wusste, dass Musik sein Leben war und dass es auch so bleiben würde. Er wusste, dass er extrem viel Talent hatte. Und er wusste, was er tat und wie er alles zusammenhalten konnte.“

      Die Beatles sorgten bei allem, was sie taten, dafür, dass sie sich von anderen abhoben. Sie zogen sich anders an als andere Bands, kombinierten ihre Lederklamotten mit schwarzen Polohemden, die mehr an die Mode der deutschen Kunststudenten erinnerten als an Marlon Brando. John war zwar schon längst nicht mehr an der Kunstakademie, trug aber noch den dazugehörigen Schal, und das brachte schließlich andere Musiker dazu, ebenfalls Kunstakademie-Schals zu tragen, obwohl sie nie ein Seminar dort besucht hatten oder überhaupt auch nur wussten, wo das Institut lag. Die vier Beatles reisten meist gemeinsam und blieben auch nach der Ankunft weiter zusammen. Tony Sanders von der Band Billy Kramer And The Coasters erinnert sich daran, wie beide Bands eine Garderobe von der Größe eines Wandschranks miteinander teilten, und dabei sei es so still gewesen, dass er das Gefühl hatte, in einen Stummfilm geraten zu sein. „Es war, als hätten sie das geprobt, diese Distanz und Kühle, um vielleicht gerade diese Aura heraufzubeschwören“93, sagt er.

      Der Look der Band wandelte sich erneut im Oktober 1961, als John und Paul nach Paris trampten, um Johns einundzwanzigsten Geburtstag zu feiern. Dabei trafen sie einen Freund aus Deutschland,

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